Die etwas andere Kolumne von Mike Schmitzer
Die Globulitis

30.01.2018 | Stand 25.07.2023, 2:11 Uhr
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Die Frage ist doch: Wieso wirkt das auch beim Hund?

Die Erkältung hat mich erwischt - genau im Urlaub, wie es sich für einen ordentlichen Arbeitnehmer gehört. Ich muss Ihnen aber deshalb nicht leidtun, denn ich setze auf das wirksamste Duo seit Nitro und Glyzerin: Aspirin Complex und Wick MediNait! Beim ersten leisen Anzeichen einer Erkältung pumpe ich meinen Körper mit dem Zeug voll und alles ist gut. Na ja, fast alles:

„Waaaaas“, fährt mich meine Bekannte an, die Augen so groß wie Unterteller. „Du richtest ja damit Deinen Körper systematisch zugrunde!“ Und sie beeilt sich hinzuzufügen, dass beide Medikamente das „tooo-taaa-leee Gift“ seien. Dann kramt sie in einer Schublade und zieht eine Handvoll kleiner Röhrchen hervor. Sie wissen schon, diese Parfümproben-Dinger. Auf klitzekleinen Aufklebern steht in klitzekleinen zittrigen Buchstaben geschrieben, wofür die klitzekleinen weißen Kügelchen in den Röhrchen gut sind.

Ich muss dazusagen, dass in meinem weiblichen Freundes- und Bekanntenkreis seit Jahren die „Globulitis“ grassiert. Und so wie Sektierer versuchen auch die Globuli-Anhänger mich immer wieder zu ihrem Glauben zu bekehren. „Ja ja, schüttle nur den Kopf“, sagt meine Bekannte mit mitleidigem Blick. „Aber wenn die Globuli nur Placebos wären, warum wirken sie dann auch bei meinem Hund?“ Man muss wissen, dass jeder Globuli-Jünger, der einen Hund, eine Katze oder ein anderes geeignetes Versuchstier besitzt, die Wirkung schon selbst an seinem Haustier erprobt und nachgewiesen hat. Und falls kein Vierbeiner vorhanden ist, muss halt der Säugling herhalten. Es gilt bei meinen Globuli-Freunden als unerschütterliche Tatsache, dass Säuglinge weniger Blähungen haben und zufriedener einschlafen, wenn man ihnen täglich ein paar dieser Zuckerkügelchen verabreicht. „Okay, wenn Du das nächste Mal wieder Kopfweh hast, dann schneiden wir von Deiner Paracetamol-Tablette ein stecknadelkopfgroßes Kügelchen herunter und schauen dann, ob es hilft“, kontere ich. Wobei ich bei dem Vergleich noch durchaus großzügig bin, was die Menge des Wirkstoffs angeht. Denn in Globuli ist in der Regel eine Wirkstoffmenge enthalten, die etwa einem Tropfen im Mittelmeer entspricht. Oder noch weniger. Wissenschaftlich nicht mehr nachweisbar.

„Das kann man doch gar nicht vergleichen“, erklärt meine Bekannte eingeschnappt. „Das eine ist normale Medizin und das andere ist ein Naturheilverfahren. So wie bei den alten Germanen.“

Ja die guten alten Germanen. Die dachten auch, wenn es blitzt wirft Thor seinen Hammer auf die Erde. Und die Globuli sind noch nicht einmal soooo alt. Sie wurden um 1800 herum erfunden und zwar von einem gewissen Samuel Hahnemann, der als Begründer der Homöopathie gilt.

Inzwischen ist der Globuli-Markt eine Milliardenindustrie. Und für die Vermarktung der Kügelchen müssen die Hersteller nicht mal Werbung im Fernsehen machen. Hausfrauen, die früher Amway- und Tupperware-Partys geschmissen haben, verbreiten die Zuckerkügelchen mit beinahe religiösem Eifer im Freundeskreis.

Ach ja, Sie wollen wissen ob die Dinger wirken oder nicht? Klar wirken sie, aber nur, wenn man daran glaubt. Und der Hund wäre übrigens auch von ganz alleine wieder gesund geworden!

Altötting