26 Monate Gefängnis für Leiharbeiter Alexej U.
Die Bruderschaft der Diebe im Gesetz

05.07.2017 | Stand 25.07.2023, 6:26 Uhr

Der lange Arm der „Bruderschaft der Diebe im Gesetz”, einer kriminellen Vereinigung Russlanddeutscher, die den Rauschgifthandel kontrolliert und Schutzgelder erpresst, reicht auch bis nach Niederbayern.

DINGOLFING Vor allem weil unter den Zeugen im Drogenverfahren gegen den 26-jährigen Dingolfinger Leiharbeiter Alexej U. einige „Schwergewichter” aus der Bande aufgeboten waren, verwandelte sich das Landshuter Justizgebäude kurzfristig in einen „Hochsicherheitstrakt” mit großem Polizeiaufgebot. Nach einer Stunde allerdings war alles vorbei: Im Rahmen einer „Verständigung” kam Alexej U. mit einer Freiheitsstrafe von 26 Monaten davon.

Die von Staatsanwalt Markus Nikol vertretene Anklage las sich ­– im Vergleich zu vielen Drogen-Großverfahren – wenig spektakulär. Der Leiharbeiter hatte von Mitte Februar bis Mitte Mai 2010 bei 90 Gelegenheiten in der Regel 5 bei einigen weiteren Fällen bis zu 15 Gramm Heroin an den Deggendorfer Johann R., der inzwischen vom Deggendorfer Landgericht wegen Diebstahls und gewerbsmäßigen Drogenhandels zu drei Jahren und vier Monaten verurteilt ist, verkauft. Der Grammpreis betrug bei durchschnittlicher Qualität 50 Euro. Die Geschäfte wurden im Raum Dingolfing abgewickelt.

In einem weiteren Anklagepunkt wurde dem 26-Jährigen vorgeworfen, im Mai 2010 mit seinem Pkw in Dingolfing unterwegs gewesen sein, obwohl ihm bereits im März 2006 die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Bei einer Kontrolle hatte er einen tschechischen Führerschein vorgezeigt, der allerdings für die Bundesrepublik keine Gültigkeit hatte.

Für das Verfahren vor dem Schöffengericht beim Amtsgericht Landshut verwandelte sich das Justizgebäude in einen „Hochsicherheitstrakt”: Neben zahlreichen uniformierten Polizeibeamten waren auch Kräfte eines Sondereinsatzkommandos und Hundeführer eingesetzt. Der Grund: In die Geschäfte soll die Russenmafia involviert gewesen sein. So war u.a. ein Zeuge aufgeboten, der auch in einem Staatsschutz-Verfahren, bei dem in München führende Köpfe der „Bruderschaft der Diebe im Gesetz” zur Verantwortung gezogen werden, eine Kronzeugenfunktion hat.

„Pate” der kriminellen Vereinigung ist der Russe Alexander Bor, der 1991 in München einen Mafia-Konkurrenten erstochen hat und dafür zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde. 2006 wurde er nach Russland ausgewiesen, von Moskau aus kontrolliert er angeblich 30 Banden und soll auch Kontakte zur Cosa Nostra in Italien haben.

Die Bande soll ihre Straftaten nach den Regeln des „Heiligen Abschtschjak” verübt haben. „Abschtschjak” steht in der russisch sprechenden kriminellen Subkultur für eine gemeinsame „Sozialkasse”, die aus Erpressungsgeldern und „Spenden” gespeist wird. Diese Kasse wird überregional koordiniert. Aus ihr werden inhaftierte Mitglieder und deren Angehörigen unterstützt. Zu den Regeln der Bruderschaft gehört es auch, dass es keine Aussagen zu Lasten anderer Mitglieder gibt.

Mit diesen Hintergründen hatte sich das Landshuter Schöffengericht aber nicht mehr zu beschäftigen, nachdem Alexej U. auf Anraten seines Verteidigers Rudibert Arm ein Teilgeständnis ablegte. Er räumte 20 Verkäufe an seinen Deggendorfer Abnehmer ein, in 19 Fällen habe er den jeweils mit 5 Gramm, in einem Fall mit 15 Gramm beliefert. Auch die Schwarzfahrt gab er zu. 

2001, so berichtete der 26-Jährige, sei er mit seinem Eltern aus Kasachstan zunächst nach Deggendorf und 2003 dann nach Dingolfing übergesiedelt, wo er zunächst als Werkarbeiter tätig gewesen sei. Seit 2005 sei er nach einem Gefängnisaufenthalt – abgesehen von einigen Beschäftigungen als Leiharbeiter – hauptsächlich arbeitslos gewesen. 

Seine erste Bekanntschaft mit Drogen habe er bereits im Alter von 16 Jahren gemacht, später dann täglich einige Joints geraucht. Mit 21 sei er dann bei Heroin gelandet, habe es zunächst geschnupft und dann gespritzt. Mehrere in Angriff genommene Therapien seien wegen Rückfällen gescheitert. Seine Drogenabhängigkeit hatte sich auch in seinem Vorstrafenregister nieder geschlagen: So war er bereits 2006 wegen Besitzes und Handeltreibens mit Betäubungsmittel zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. 2009 wurde er erneut mit Drogen erwischt und musste vier Monate absitzen.

Aufgrund des Geständnisses des 26-Jährigen kam es zu einer Verständigung zwischen den Prozessbeteiligten, bei dem man sich auf ein Strafmaß von  26 Monaten einigte. Gleichzeitig wurde die Unterbringung von Alexej U., der seit Mai letzten Jahres in Untersuchungshaft sitzt, in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Der medizinische Sachverständige hatte ihm eine massive Polytoxikomanie bescheinigt und eine Therapiedauer von 18 Monaten prognostiziert.

Das Scheitern früherer Therapien sei darauf zurückzuführen, dass der Leiharbeiter sie in „sehr offenen” Einrichtungen absolviert habe, wo es keiner großen Anstrengungen bedurft habe, um an Drogen oder Alkohol zu kommen, so der Sachverständige. Inzwischen sei Sergej U. bereit, in den Maßregelvollzug zu gehen, so dass durchaus Aussicht auf Erfolg einer weiteren Therapie bestehe. 

Dingolfing-Landau