Interview
Der Theater-Intendant mit dem Spitzbuben-Lächeln bringt OB Schaidinger auf die Bühne

07.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:32 Uhr
−Foto: n/a

Er ist der Intendant mit dem Spitzbuben-Lächeln, in seiner zweiten Spielzeit am Theater Regensburg hat er wiede rgroßes vor: Jens Neundorff von Enzberg. Sogar den Oberbürgermeister Hans Schaidinger will er jetzt auf die Bühne bringen. Ein Gespräch.

REGENSBURG Die Verwaltungs-Etage des Regensburger Stadttheaters hat den Charme eines Landratsamtes aus den 60er Jahren. Kaum vorzustellen, wie viel Kreativität daraus entspringt. Im Büro des Intendanten mit dem sperrigen, aber altehrwürdigen Namen Jens Neundorff von Enzberg hängt ein großes, kraftvolles, rot-buntes Bild. „Leipziger Schule“, sagt er stolz. In weißem T-Shirt und mit dem verwegenen „Michel aus Lönneberga“-Lächeln begrüßt der Intendant den Wochenblatt-Reporter.

Herr Intendant, sind Sie mit den Regensburgern schon warm geworden?

Das klingt jetzt fast vermessen, aber ich muss sagen: Das ist ein unglaublich tolles Publikum, was mir in diesen vielen Theaterstationen, die ich hinter mir habe, so noch nicht begegnet ist.

Das heißt nicht, dass die alles gut finden, was wir machen. Das heißt aber, dass sie aktiv an dem teilnehmen, was das Theater bietet. Das gibt nicht nur Zustimmung, es gibt Kritik, es gibt manchmal auch Unmuts-Bekundungen. Aber das Schöne ist, dass die Regensburger auch Lust haben, sich darauf einzulassen, und dass sie sich einmischen. Das ist wirklich ungewöhnlich. Da gehört eine Streitkultur dazu, die in Regensburg funktioniert.

Sie haben einen „Zwischenruf“ gemacht, um über die Produktionen zu diskutieren.

Natürlich haben die meisten über „Aida“ und „Die Räuber“ gesprochen, die natürlich umstritten waren. Aber nicht nur: Mir ging es darum zu erfahren, wie das Publikum tickt. Man darf dem Publikum dabei nicht hinterher laufen, aber es auch nicht aus den Augen verlieren.

Planen Sie Skandale?

Nein, natürlich nicht. Einen Skandal haben wir nie geplant, aber das, was wir machen, ist geplant. Das Berechenbare an der Kunst ist immer das Unberechenbare. Da passieren immer Dinge, die man so nicht erahnen kann. Natürlich hat man manchmal etwas im Gefühl. Ich kannte beispielsweise die Konzeption der „Aida“ bereits im Vorfeld, weil ich die unterstützt habe. Ich habe eine Lesart für das Stück, die sich sehr mit der des Regisseurs deckte. Ich bin nicht der Typ, der aus der Provokation heraus einen Skandal haben möchte. Das passiert so oft, wenn man es nicht bedenkt, das muss man nicht provozieren.

Schielen Sie darauf, dass auch die FAZ mal eine Theaterkritik schreibt?

Berechnen kann man das nicht. Ich habe immer gesagt, ich weiß, worauf ich mich einlasse. Ich war immer in Großstädten. Nach Braunschweig und Bonn war die Semper-Oper in Dresden meine letzte Station. Was mich interessiert ist, wie kann man anknüpfen an die Region, die man über die Grenzen der Region hinaus bekannt machen kann? Da kommt man zu „Lola rennt“. Über 80 Prozent Auslastung, eine Dreiviertelseite in der FAZ, das war ein riesiger Erfolg. Natürlich macht man ein Theater aber erst mal für die Region. Wenn kein Publikum ins Theater kommt, ist es eben traurig. Ich fand es beispielsweise enttäuschend, dass die überregionalen Journalisten nach der Walhalla-Aufführung kamen und meinten, sie hätten das nicht gewusst. Das Gegenteil war der Fall! Dass Yuki Mori bei der „Deutschen Bühne“ genannt wird und der Tanz Regensburg, das war ein riesiger Erfolg für uns.

Sie haben zu Beginn Ihrer Spielzeit gesagt, die Tanzsparte soll ein Sprungbrett in die große weite Welt werden. Ist das nicht ein wenig von oben herab?

So habe ich das nie gemeint. Es war immer ein Gedanken, den ich an allen Theater-Stationen hatte, wo ich war. Ich habe immer versucht, viel für junge Künstler zu tun. Ich weiß, was in Yuki Mori steckt und was er kann und ich sehe natürlich auch, wer bei Premieren hier immer so rumschleicht, um uns den ein oder anderen abzuwerben (lacht). Ich bin um jedes Jahr froh, das Yuki hier bei uns ist.

Ist es ein Qualitätsmerkmal, wenn die Headhunter kommen?

Der Markt ist voller Künstler, aber es gibt sehr unterschiedliche Qualitäten. Ich habe gemerkt, dass das damals so angekommen ist, aber ich sah das von Anfang an als ein Qualitätssigel für Regensburg.

Mit „mensch.maschine“, „Papa ist Pleite“ und „Nichtung“ im Musiktheater stehen wieder zahlreiche Uraufführungen auf dem Programm. Ist das ihre Messlatte?

Für mich sind Uraufführungen das Salz in der Suppe. Wenn es keine Uraufführungen der Zauberflöte gegeben hätte, dann hätten wir diese wunderbare Musik heute nicht. Die Literatur im Schauspiel und die Opernliteratur ist sehr groß, aber spätere Generationen sollen doch auch an unseren eigenen Stoffen sehen, wie es bei uns damals zugegangen ist.

Fordert eine Uraufführung nicht auch immens? Oftmals sind die Stoffe, aber auch die Musik auch sperrig.

Die zerstörerischen Tendenzen in der modernen Musik sind beispielsweise vorbei. Es gibt eine Sehnsucht der Komponisten nach sinnlichen Melodien. Ich habe immer versucht, große Namen zu binden, aber auch jungen Komponisten eine Chance zu geben. Ich glaube, dass die Kompositionsstrukturen wieder mehr das Publikum erreichen. Andererseits ist da immer noch eine große Verunsicherung.

Herr Intendant, vielen Dank.

Nach dem Interview verrät Neundorff, dass er dieses Jahr einen echten Knaller bieten wird. Zum Thema 350 Jahre Reichstag wird es eine Theateraufführung in Regensburg geben. Nach Fürstin Gloria wird Hans Schaidinger der zweite Promi-Regensburger auf einer Bühne sein. Man darf auf den Schauspieler-OB gespannt sein.

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