Dahoam, dabei, da Wahnsinn
Deggendorfer Bundespolizei bei Champions League-Finale

06.07.2017 | Stand 26.07.2023, 20:36 Uhr

Champions-League-Finale - eine besondere Herausforderung für die Einsatzkräfte.

MÜNCHEN Samstagnachmittag, Ausnahmezustand in der bayerischen Landeshauptstadt, München im Finalfieber. Das Champions-League-Endspiel, FC Bayern München gegen den FC Chelsea, löste einen regelrechten „Hype“ aus und mobilisierte die Massen. Mittendrin rund 170 Einsatzkräfte der Bundespolizeiabteilung Deggendorf (BPOLABT DEG) mit dem Führungsduo der 1. Einsatzhundertschaft, Erstem Polizeihauptkommissar Xaver Heinrich und Polizeihauptkommissar Martin Jensen.

Sie unterstützten die Bundespolizeidirektion München im bahnpolizeilichen Aufgabenbereich. Zum einen hielten sie am Hauptbahnhof München die Stellung und überwachten die Anreise mehrerer tausend Fans. Zum anderen hatten sie den Auftrag die über den Flughafen München anreisenden Gästefans aus London in der S-Bahn zum Stadion zu begleiten.

Die polizeiliche Gefährdungseinschätzung deutete aufgrund des traditionell nicht gerade als freundschaftlich geltenden Verhältnisses zwischen deutschen und englischen Problemfans auf ein mittleres Gefährdungsrisiko hin. Im Vorfeld des Großereignisses teilte die Londoner Polizei mit, dass bis zu 150 Risikofans nach München reisen. Ein großer Teil der Risikofans seien starke Trinker, die sich auch an spontanen Auseinandersetzungen beteiligen.

Bei den Fans des FC Bayern München wurden insbesondere Teile der Ultragruppierungen als risikobehaftet eingestuft. Der Polizei gegenüber verhalten sich diese unkooperativ und solidarisieren sich gegen polizeiliches Einschreiten. Bei einer Begegnung gegen einen englischen Verein war jedoch grundsätzlich von einem erhöhten Interesse durch Hooligans auszugehen. Außerdem konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Teilnahme von Chelsea Problemfans anderer deutscher Vereine animiert, nach München zu fahren, um sich mit englischen Hooligans zu messen.

Soweit die den Einsatzkräften bekannten Lageinformationen vor dem Einsatz. Bereits um 5.30 Uhr begann für die ersten Einsatzkräfte der Dienst im Standort Deggendorf und Rosenheim. Nach Herstellen der Einsatzbereitschaft startete ein Einsatzzug zum Flughafen München und übernahm den Zugbegleitauftrag. Dort landeten über den Tag verteilt rund 30 Chartermaschinen mit Chelsea-Anhängern. Zum größten Teil reisten diese aber mit Shuttlebussen weiter in die Innenstadt. Nur vereinzelt nutzten sie die S-Bahn direkt zum Stadion. Die Lage blieb übersichtlich und ruhig, so dass der eingesetzte Zug am frühen Nachmittag wieder nach Deggendorf bzw. nach Rosenheim entlassen werden konnte.

Ganz anders hingegen gestaltete sich die Lage am Hauptbahnhof München. Bereits in den Mittagsstunden war die Bahnhofshalle fest in weiß-roter Hand. Rund 15000 FCB-Fans aus allen Teilen der Republik reisten mit dem Zug an. Zumindest hier ließen sie keinen Zweifel aufkommen, wer Herr im Hause ist und skandierten lauthals in gewohnter Manier: „Hier regiert der FCB!“ Ein schier unerträgliche Geräuschpegel, den die Deggendorfer Polizisten über Stunden hinweg erdulden mussten. Temperaturen um die 25 Grad in voller Montur mit schusssicherer Weste und diversen Einsatzmitteln am Gürtel forderten die Deggendorfer Polizistinnen und Polizisten.

Nur wenige Chelsea-Fans outeten sich am Hauptbahnhof mit ihren blauen Vereinstrikots. Viele zogen es vor „in zivil“ und ohne Aufsehen zu erregen über den Bahnhof in die Innenstadt zu den Public-Viewing-Points oder in die Arena zu gelangen. Die Übermacht der „Roten“ schien sie zu beeindrucken.

Wiederum anders am Haltepunkt Marienplatz. Dieser stellte ein weiteres Drehkreuz der Anreise dar. Auf engstem Raum trafen hier die Anhänger beider Lager aufeinander und suchten Anschluss mit U/S-Bahnen in alle Richtungen. Dies bedeutete Dauerstress für die Einsatzkräfte.

An beiden Einsatzorten erschienen die Fans in bester Feierlaune, waren aber teils stark alkoholisiert. Viele von ihnen hatten sich nicht mehr unter Kontrolle und neigten zu Gewalt und unfriedlichen Aktionen. Körperverletzung, Beleidigung aber auch unerlaubte Pyrotechnik spielten eine Rolle.

2 Freiheitsentziehungen, 37 Platzverweise, 31 Durchsuchungsmaßnahmen, 19 Identitätsfeststellungen, 3 Erste Hilfe Maßnahmen waren u.a. die Bilanz der BPOLABT DEG.

Durch das konsequente Einschreiten und die qualifizierte Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten konnten Ausschreitungen im bahnpolizeilichen Aufgabenbereich verhindert werden. Ein überwiegen störungsfreier Bahnbetrieb war gewährleistet.

Bei der Aufgabenwahrnehmung ist insbesondere das reibungslose Zusammenspiel der Stammbeamten der Bundespolizeiinspektion München (BPOLI M) mit den Unterstützungskräften der BPOLABT DEG hervorzuheben.

Ab 20 Uhr kehrte am Hauptbahnhof geradezu gespenstische Ruhe ein. Zurück blieb ein mit zerbrochene Flaschen, Kippen, Abfall und Verpackungsmaterial diverser Fast- Food-Ketten übersäter Fußboden. Das Servicepersonal der Deutschen Bahn begann unverzüglich mit Reinigungsmaschinen die Spuren der Anreisephase zu beseitigen. Im Nu war ein ansehnlicher Zustand wieder hergestellt. Für die erschöpften Deggendorfer kam kurz nach Anpfiff der Finalbegegnung in der Allianz-Arena gegen 21 Uhr die Ablösung. Die Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizeiabteilung Bayreuth übernahmen nun den Unterstützungsauftrag am Hauptbahnhof und bereiteten sich auch den nächtlichen Rückreiseansturm vor.

Vom eigentlichen „Finale dahoam“ bekamen die Deggendorfer Einsatzkräfte nichts zu sehen - sehr zum Leidwesen der vielen Bayern-Symathisanten unter ihnen.

Denn das Wochenende war für sie noch lange nicht gelaufen. In derselben Nacht reisten sie nämlich geschlossen nach Ulm an. Dort übernachteten sie, um am Sonntag die Bundespolizeidirektion Stuttgart anlässlich einer Begegnung der Oberliga Baden Württemberg, SSV Reutlingen gegen SSV Ulm, in Reutlingen zu unterstützen. Im Bus verfolgten sie das Bayern-Drama über Hörfunk, die Verlängerung und das Elfmeterschießen im Fernsehen in einem Ulmer Hotel.

Die Deggendorfer Einsatzhundertschaft war bereits ab 10 Uhr für Fanbegleitung in den Zügen von Ulm und Stuttgart nach Reutlingen und nach Spielende für die Rückbegleitung vorgesehen.

Das Verhältnis zwischen den Fans beider Vereine wird als feindschaftlich eingestuft, so dass bei einem unkontrollierten Aufeinandertreffen der verfeindeten Fangruppen mit sofortigen Auseinandersetzungen zu rechnen war. Eine konsequente Fantrennung während der gesamten Einsatzphase war daher dringend geboten.

Da die Fanrückbegleitung bis in die späten Abendstunden andauerte, war für die Führungsgruppe und einen Einsatzzug eine weitere Übernachtung in Ulm notwendig. Nach den außergewöhnlichen Herausforderungen der Champions-League-Nacht von München meisterten sie auch den Einsatz in der „3. deutschen Fußballliga“ mit Bravour.

Deggendorf