Ohnmacht:
Darf E-Rolli-Fahrer bald nicht mehr mit dem Bus mitfahren?

13.09.2017 | Stand 04.08.2023, 5:16 Uhr
−Foto: n/a

Thyrnauer hat Angst, dass ihm die Busfahrt demnächst verweigert wird.

THYRNAU Johann H. (Name d. Red. bekannt) ist ein durch und durch positiver, humorvoller Mensch, der gerne ratscht, Spaß macht, seine Frau Elfie liebevoll „Zwölfie“ nennt und von früher erzählt. Früher, als der 1,89-Meter-Hühne einen Schlafzimmerschrank mit den bloßen Fäusten zu Sperrmüll verarbeiten konnte. Auf den Fotos von früher sieht Johann H. heute aber noch mehr: Die leichten X-Beine deuteten seine Muskelschwäche schon damals an.

Seit rund sechs Jahren sitzt Johann H. mittlerweile im elektrischen Rollstuhl – und genau das bereitet ihm seit Neuestem ein für ihn in seiner Tragweite immenses Problem und raubt ihm das letzte Bisschen Selbstständigkeit.

„Vor vier Wochen fuhr ich mit einem privaten Busunternehmen von Thyrnau nach Passau, wo ich zur Bank ging und einen Arzttermin hatte. Alles wie immer kein Problem. Als ich dann aber mit dem Bus – diesmal einer der RBO – wieder nach Hause fahren wollte, bemerkte der Busfahrer, dass er mich in Zukunft nicht mehr mitnehmen darf.“ Die Frage, die sich Johann H. seither stellt: Wie kommen er und andere betroffene E-Rolli-Fahrer in Zukunft dann etwa zum Arzt oder auch einfach nur mal woanders hin?

Denn der 69 Jahre alte ehemalige Postbeamte ist auf seinen elektrischen Rollstuhl angewiesen! Wegen seiner Erkrankung ist es H., der oft nüchtern zur Blutabnahme zum Arzt nach Passau fahren muss, nicht möglich, einen herkömmlichen Rollstuhl mit den eigenen, kraftlosen Händen zu bewegen. Allerdings ist auch die Fahrt mit dem Taxi keine echte Option; für eine Fahrt von Thyrnau nach Passau und zurück berappt man rund 50 Euro, weiß Johann H. – zuviel für ihn! „Außerdem gibt es ohnehin nur ein einziges Taxi, dass einen E-Rolli transportieren kann! Der ,Anmelde-Bus‘ hat wiederum keine Rampe und scheidet somit ebenfalls aus.“

Und als ob das alles nicht schon mühselig genug wäre, fährt einer der raren Busse mit Rampe um 9.45 Uhr von Thyrnau nach Passau und um 12.45 Uhr wieder zurück. Somit ist Johann H. tatsächlich darauf angewiesen, alles am Vormittag zu erledigen. Als er das letzte Mal mit einem Bus ohne Rampe fahren musste, hievten vier Asylbewerber aus Breitenberg den 125 Kilo-Mann mit seinem 150 Kilo-Rollstuhl in das öffentliche Verkehrsmittel.

„Man nimmt mir meine Selbstständigkeit!“

Mit alldem hat sich H. schon lange arrangiert. Aber dass er jetzt quasi nirgends mehr alleine hin kann, macht ihm psychisch schwer zu schaffen. Zusammen mit seiner Frau lebt er in einer hübschen, kleinen Wohnung. „Wir hocken ja quasi 24 Stunden am Tag aufeinander. Da habe ich mich bisher schon immer darüber gefreut, mit dem Bus mal alleine in die Stadt fahren, Erledigungen zu machen und auch mal ein Eis essen zu können. Diese Selbstständigkeit wurde mir mit dieser neuen Regelung genommen.“

Die VLP – Verkehrsgemeinschaft Landkreis Passau, weiß indes nichts von einer neuen Anti-E-Rolli-Regelung. Auf der entsprechenden Internetseite heißt es gemäß § 18 Abs. 5 VLP … werden Rollstühle im Linienverkehr auf Strecken der VLP und RBO grundsätzlich befördert, soweit der eingesetzte Bus von seiner Bauweise her hierfür geeignet ist.“ Und weiter: „Verfügt nun der auf den Strecken der VLP und RBO eingesetzte Bus über die Möglichkeit zur Rollstuhlbeförderung, besteht die Pflicht, den Rollstuhl sicher zu befördern. … Damit gilt auf den Strecken der VLP und RBO: Rollstuhlbeförderung ist nur möglich, wenn der eingesetzte Bus von seiner Bauweise hierfür geeignet ist. … Eine Beförderung weiterer Rollstühle ist dann aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich. Diesbezüglich besteht für das Fahrpersonal auch kein Ermessensspielraum mehr.

Ein Lichtblick für einige: „Angemeldete Rollstuhlfahrer … haben Vorrang vor nichtangemeldeten Rollstuhlfahrern und -fahrerinnen. Eine grundsätzliche Anmeldepflicht besteht nicht, jedoch kann bei Nichtanmeldung nicht ausgeschlossen werden, dass der Rollstuhlplatz durch andere Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen reserviert wurde.“ Übrigens: Rollstühle und Kinderwagen sind gleichrangig zu behandeln.“ Und was meint Johann H. dazu? „Die Dame am RBO-Telefon meinte zu mir: ‚Nein, wir nehmen Sie nicht mit.‘ Aber wenn ein Bus abgesenkt werden kann, ist eigenlich alles gut.“.

Passau