Wiener Aktionskünstler Nitsch in Bad Reichenhall
Da kann schon mal Farbe spritzen”

06.07.2017 | Stand 25.10.2023, 11:15 Uhr

Den Künstlern obliege es, dass sie das, was sie können auch lehren, findet Hermann Nitsch und unterrichtet deswegen seit einigen Jahren regelmäßig an der Kunstakademie Bad Reichenhall.

BAD REICHENHALL Am letzten Tag des einwöchigen Seminars öffneten seine Studenten ihr Atelier für die Öffentlichkeit und zeigten die Ergebnisse aus der „Schule der sinnlichen Erfahrungsmöglichkeiten“.

„Ich arbeite schon länger mit Akademien zusammen und das macht mir große Freude. Der Unterschied zu staatlichen Einrichtungen ist, dass die Leute sehr motiviert sind. Mit ihnen schafft man in fünf Wochen Sachen, die man mit Studenten in drei Semestern bearbeitet“, sagt der 74-jährige Wiener Künstler. Der sinnliche Umgang mit der Farbmaterie stand die letzten Tage auf seinem Kursprogramm. Es ging um die Substanz der Farbe, die ausgekostet werden sollte, wie er es selbst formuliert. Mit dem Ergebnis der Arbeiten, die seine 13 Schüler und Schülerinnen angefertigt haben, ist der Meister sehr zufrieden. „Aber das bin ich jedes Mal.“ Und deswegen will er auch wiederkommen, ab Herbst 2013 wird er in den Ateliers in der Alten Saline sogar einen mehrjährigen Studiengang starten.

Sehr zur Freude von Akademiedirektor Rupert Fegg, der glücklich ist, eine so künstlerische Größe wie Hermann Nitsch für Bad Reichenhall gewonnen zu haben. „Mit seiner Persönlichkeit stellt er eine enorme Bereicherung für unsere Arbeit dar. Die Teilnehmer lernen hier Dinge die sie nirgendwo anders lernen. Diese Art der Arbeit ist eben nur mit Hermann Nitsch möglich.“

Er hätte gut und gerne noch mehr Studenten in dem Kurs aufnehmen können, allerdings wäre es dann im alten Sudhaus eng geworden und wenn es bei Hermann Nitsch eines brauche, dann sei es Platz, weiß Rupert Fegg. „Weil es durchaus vorkommt, dass Farbe auch mal einige Meter durch den Raum spritzt.“

Der Akademiedirektor kennt Hermann Nitsch schon länger und sagt: „Er ist ein unglaublich lieber Kerl und viele vermuten gar nicht, was hinter seiner künstlerischen Fassade alles steckt.“ Das Bild was in der Öffentlichkeit manchmal über Nitsch kursiere, entspreche nicht der Realität und rühre wahrscheinlich daher, dass viele ihn und seine Arbeit überhaupt nicht verstünden, vermutet Fegg. „Dabei ist Hermann ein Aktionskünstler, der in seiner Zeit sehr aus sich rausgekommen ist und Dinge gemacht hat, die Kirche und Staat provoziert haben, die aber auf der anderen Seite auch das Bewusstsein verändert haben.“ Hermann Nitsch sei sicherlich kein leicht zu führender Künstler, aber ein weltweit anerkannter, sowohl bei Kollegen als auch bei Museen und Galerien. „Er ist sehr sensibel und macht sich viele Gedanken und das zeichnet ihn aus“, findet Fegg.

Hermann Nitsch wurde 1938 in Wien geboren und beschäftigte sich bereits mit 14 Jahren mit Malerei, Skulptur und Musik. Nach einigen Jahren Ausbildung als Grafiker in Wien machte er Anfang der 60er-Jahre mit seinen „Schüttbildern“ auf sich aufmerksam. Angeregt vom amerikanischen „Action Painting“ bespritzte Nitsch zunächst Leinwand und später auch menschliche Körper und Tierkadaver mit Farbe und Blut. Seine Aktionen, bei denen es immer um das intensive sinnliche Erleben verschiedenster Substanzen und Flüssigkeiten ging, wurden in den folgenden Jahren immer provokativer. Während Hermann Nitsch in seinen Anfangsjahren regelmäßig mit den Behörden in Konflikt war und sogar in Haft saß, wurden seine Aktionen später mit Auftritten in renommierten Häusern weltweit geadelt. 2005 durfte er sogar im Wiener Burgtheater seine Kunst zelebrieren.

Bei Hermann Nitschs einwöchigem Seminar in der Kunstakademie Bad Reichenhall ging es zwar gesitteter aber nicht weniger intensiv zu. Die Studenten schütteten, verschmierten und verspritzten die Farbe was das Zeug hielt. Zur Abschlussausstellung hatten sie auf großen Stellwänden ihre gelungensten Werke platziert.

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