Nachsorgeprojekt
BRK-Kreisverband stellt Nachsorgeprojekt Hochwasser vor

10.07.2017 | Stand 02.08.2023, 22:14 Uhr
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Die vier Betreuer des BRK (v. li.) Josef Mittermaier, Michael Seidl, Roland Moser und Marion Lehner kümmern sich um die Betroffenen.

SIMBACH AM INN Im Rahmen eines Pressegesprächs wurde am Montagnachmittag im BRK-Seniorenheim an der Maximilianstraße das BRK-Nachsorgeprojekt für Hochwasserbetroffene des Kreisverbandes Rottal-Inn vorgestellt. Am 1. Juni wurden im südlichen Landkreis Rottal-Inn weite Teile von einem Jahrtausendhochwasser tsunamiartig überflutet. Innerhalb von wenigen Minuten schwollen Bäche zu reißenden Flüssen und zerstörten Häuser, Straßen und Wege.

Nach Schätzungen der staatlichen Stellen wurden rund 5.000 Haushalte geschädigt und eine Vielzahl von Menschen verloren ihr gesamten Hab und Gut. In den Fluten gingen nicht nur unwiederbringlich viele persönliche Dokumente und Aufzeichnungen aus dem familiären Umfeld verloren, sondern fanden auch sieben Menschen den Tod. 150 Menschen wurden in dramatischen Rettungseinsätzen mit dem Hubschrauber aus akuter Lebensgefahr gerettet, zudem mussten 500 Flutopfer mit Booten aus ihren Häusern, Dächern und sogar aus Bäumen evakuiert werden.

Das Erlebte hat sich tief in das Gedächtnis der betroffenen Opfer eingebrannt, und nach der Katastrophe ist nichts mehr, wie es vorher war. Traumatisiert von den Ereignissen versuchen viele einen Neuanfang, allerdings ist der Neustart keine einfache Sache. Ziel des neuen BRK-Nachsorgeprojekt ist "Menschen in Not und Bedrängnis nach dem Hochwasser zu helfen", erklärte BRK-Kreisgeschäftsführer Herbert Wiedemann. Besonders bestehende fachärztliche und seelsorgerische Hilfsangebote sollen besser bekannt gemacht, unterstützt und vernetzt werden, damit eine bedarfsgerechte Versorgung in allen Bereichen gewährleistet werden kann. Weitere Ziele sind bestehende private Helfergruppen und Netzwerke in ihrer Zusammenarbeit zu unterstützen und auszubauen.

Laut Wiedemann sollen auch zur Fortbildung im Bereich Gesprächsführung und Krisenmanagement passende Angebote entwickelt werden. Dazu wurden und werden bereits folgende Maßnahmen durchgeführt. So werden gemeinsame Lösungswege mit den Betroffenen entwickelt, die rasch und unkompliziert umgesetzt werden sollen. Gespräche mit den Opfern über ihr Erleben der Flut, ihre momentane Situation und ihre Wege, mit der besonderen Situation zurechtzukommen, zählen ebenfalls zum Maßnahmenkatalog des BRK-Nachsorgeprogramms.

Nicht vergessen werden dabei einsame und isolierte Betroffene, die man bereits gezielt aufgesucht und auf eine mögliche Unterstützung aufmerksam gemacht hat. Ebenso soll der Zugang zu sozialbetreuerischen bzw. zu fachärztlichen Hilfen geebnet und unterstützt werden. Dies sind nur einige Punkte, die sich im großen Maßnahmenkatalog des BRK-Projekts finden. Maßgeblich umgesetzt wird das Ganze von vier Betreuern, die mobil unterwegs sind und die Menschen in ihrer Umgebung besuchen. Natürlich werden alles Angaben vertraulich behandelt und stehen unter dem Mantel der Schweigepflicht.

"Dabei werden praktische Hilfe und akute psychosoziale Nachsorge angeboten", erklärte Projektleiter und Betreuer Roland Moser. Aus seinem Erfahrungsbericht wurde auch deutlich, dass durchaus bei vielen Flutopfern eine gewisse Hemmschwelle vorhanden ist. "Wir helfen gerne und gehen auf die Leute" so Moser, der aber auch Geduld einforderte. Neben Moser wird die Betreuung und Beratung von Marion Lehner (Seelsorgerin aus Kirchberg), Michael Seidl (Caritaswissenschaftler aus Bad Füssing) und Theologe und Seelsorger Josef Mittermaier übernommen. Insgesamt wurden drei Mitarbeiter für die Arbeit in Voll- bzw. Teilzeit eingestellt.

"Finanziert wird das Projekt aus Spendenmitteln des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die uns in Bayern zugewiesen wurden vom Hochwasser im Jahr 2013 aus Deggendorf und Passau. Diese Spenden kamen aus Bundesmitteln und wurden außerhalb Bayerns eingesammelt und können nun zum Teil eingesetzt werden", erklärte BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk. Der Geldsegen aus Berlin beträgt rund eine Million Euro und wird größtenteils für dieses Projekt eingesetzt. "Das Projekt der Nachsorge ist für das Bayerische wie auch für das Deutsche Rote Kreuz ein Novum, da es aus dem Raster fällt, was wir normal im Rahmen der Katastrophenhilfe und der klassischen Rot-Kreuz-Arbeit leisten", erklärte Stärk. Lobend erwähnte er auch die Hilfsbereitschaft der Menschen, da nach seiner Meinung durch die schlimmen Flutereignisse ein Ruck durch die Bevölkerung ging. "Es gab eine große Solidaritat und die Menschen halfen sich gegenseitig", so der Landesgeschäftsführer.

Landrat Michael Fahmüller erläuterte das Zustandekommen des Nachsorgeprojektes als BRK-Präsident Theo Zellner, Leonhard Stärk und Herbert Wiedemann ihn besuchten und Hilfe anboten. "Viele Menschen hatten mir in persönlichen Gesprächen ihre psychischen Probleme und seelischen Nöte nach der Flut geschildert und für mich war das Angebot des BRK-Kreisverbandes eine große Chance", erklärte Fahmüller. Durch die dramatischen Ereignisse sind viele Menschen in ihrer Handlungsunfähigkeit eingeschränkt und von notwendigen bürokratischen Vorgängen überfordert. "Das Nachsorgeprojekt setzt an diesen Stellen an und bietet persönliche Begleitung im Gespräch und konkrete Unterstützung bei Vorhaben und Vorgängen an, dabei ist schon das Zuhören ein Teil der Lösung", so der Landrat weiter.

Simbachs Bürgermeister Klaus Schmid dankte auch im Namen der Bürgermeisterkollegen das dieses Projekt realisiert wurde. In seiner täglichen Arbeit trifft er viele Betroffene, die Beratung in verschiedenen Angelegenheiten suchen oder über ihre persönliche Situation sprechen wollen. Viele Menschen in Simbach und in den Nachbargemeinden sind von den Ereignissen schwer traumatisiert und fürchten sich, wenn es wieder stark zu regnen beginnt oder sie wieder in ihre Wohnungen sollen. "Auch aus diesen Gründen hoffe ich sehr, dass viele den Menschen den Weg zum BRK-Nachsorgeteam finden, da hier professionelle Hilfe angeboten wird", so Schmid.

Erreichbar ist das Bayerische Rote Kreuz unter der Telefonnummer: 0800 477 07 00. Bis Oktober sind am Kirchenplatz in Simbach auch Beratungs-Container aufgebaut. Hier lauten die Öffnungszeiten Dienstag und Donnerstag von 15 bis 18 Uhr und Samstag von 8 bis 12 Uhr. Weitere Infos gibt es auch im Internet unter: hochwasserhilfe@kvrottal-inn.brk.de.

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