Politik
Brexit, Eurokrise, Rechtsruck: Wie kann Europa das stemmen?

12.07.2017 | Stand 20.07.2023, 22:08 Uhr
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35 Interessierte hatten sich trotz des heißen Sommerabends auf Einladung der SPD im Furtner in Freising versammelt, um mit der Europaparlamentsabgeordneten Maria Noichl (SPD) über die Zukunft Europas zu diskutieren. Langweilig wurde es den Anwesenden nicht, die einer engagierten Rede und lebhaften Diskussion lauschen konnten.

FREISING Da Bundestagskandidat Andreas Mehltretter kurzfristig erkrankt war, hatte Markus Grill für den Stadtverband Begrüßung und Moderation übernommen. Er freue sich, mit Maria Noichl eine sehr engagierte und kompetente Vertreterin der bayerischen Interessen in Europa begrüßen zu dürfen, so der Stadtverbandsvorsitzende.

Die Bundestagswahlen sind ebenso wie die anderen nationalen Wahlen für Europa immer ein wichtiges Datum, denn die Länder Kerneuropas und die EU sind sehr eng verzahnt, so die Abgeordnete in ihrem Eingangsstatement. Sowohl die Vertretung durch den Kanzler/die Kanzlerin im Europäischen Rat, als auch der EU-Kommissar für Deutschland würde durch die politischen Mehrheiten in Deutschland entschieden. In diesem Zug betonte die oberbayerische EU-Politikerin besonders, dass "Deutschland eine Regierung brauche, die sozial und demokratisch ist". Die Mehrheit der EU-Kommissare und der Staatschefs im Rat sei Schwarzgelb. So lange dies so sei, liege der Schwerpunkt zu sehr auf einer reinen Wirtschaftsunion, nicht auf einer Union der Menschlichkeit, so Noichl.

Ein weiterer Grund für die Bedeutung der nationalen Wahlen für die Zukunft der EU sei, dass sich die Probleme der einzelnen Mitgliedsstaaten in der EU nicht automatisch auf europäischer Ebene in Nichts auflösten. Deswegen sei immer nur eine Erneuerung von unten möglich. Dieses Fortsetzen der nationalen Probleme zeige sich auch ganz klar beim europaweiten Rechtsruck. Im europäischen Parlament machten Europagegner bereits 20 Prozent der Abgeordneten aus. Diese seien meist schnell an den Nationalflaggen auf ihren Tischen im Plenarsaal zu erkennen und "bei jeder Abstimmung spürbar, hörbar und bemerkbar".

Der Gedanke "Wir sind mehr wert als die anderen" der Rechten im EU-Parlament habe auch zum Brexit geführt. Im Zusammenhang mit der Diskussion über den Ausstieg der Briten aus der EU war es Maria Noichl wichtig, zu betonen, dass das Parlament für einen sehr harten Brexit stehe. "Das heißt ja nicht, dass jemand, der gehen will, bestraft wird. Aber nur diejenigen, die auch solidarisch die Aufgaben der Gemeinschaft schultern, sollen auch die Vorteile der EU genießen." Jetzt zu denken, in Europa gäbe es keine Baustellen, sei zwar auch fatal und wäre nicht ehrlich, aber deswegen am ganzen Projekt zu zweifeln, wäre noch viel fataler. Europa müsse demokratischer werden. Als Beispiel für nötige Verbesserungen nannte Noichl das Initativrecht für das Parlament, welches den Abgeordneten ermöglichen würde, Gesetzesvorschläge einzubringen.

Hier sprach sie die anwesenden SPD Stadträte an: "Wer kann sich bei uns in einem bayerischen Stadtrat vorstellen, bei dem die Räte selber keine Anträge stellen können, sondern fast nur Vorlagen der Verwaltung abstimmen dürfen?" Ungefähr so müsse man sich noch in vielen Fällen das derzeitige demokratische Dilemma des EU-Parlaments vorstellen.

Ein weiteres Problem sei, dass neue Gesetze in Paketen gebündelt und zur Abstimmung gestellt werden, die inhaltlich nicht zusammengehörten und dadurch die Abgeordneten zwingen abzuwägen, ob die positiven Gesetzesentwürfe die negativen an Gewicht überlagerten.

In der anschließenden Diskussion wurden fast alle Politikfelder von Agrar- bis Finanzen gestreift. Auf die Frage des SPD-Stadtverbandsvorsitzenden Markus Grill, wie es bei TTIP und CETA weitergehe, meinte Noichl, sie fände es spannend, zu sehen, wie die englische Königin ein Abkommen als kanadisches Staatsoberhaupt unterzeichnet, an dem Großbritannien wegen des Brexit außen vor sei. Das größere TTIP allerdings sei derzeit wohl Gottseidank erledigt.

Die Vorteile der Europäischen Union dürfe man aber nie bei der Debatte um kleinen und mittleren Probleme vergessen, erinnert Maria Noichl immer wieder: "So ist es auf der ganzen Welt einzigartig, dass sich 28 einzelne Länder unter eine höhere Gerichtsbarkeit, den Europäischen Gerichtshof, stellen." Zum Ende der Veranstaltung hob die SPD-Abgeordnete nochmals hervor, dass die Zukunft Europas am 24. September entschieden werde.

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