Bluttat von Prien
Besondere Schwere der Schuld für „öffentliche Hinrichtung“?

05.02.2018 | Stand 14.09.2023, 11:19 Uhr
Monika Kretzmer-Diepold
−Foto: n/a

Am Montag folgten die Plädoyers im Mordprozess gegen den Afghanen Hamidullah M., der eine Mutter vor einem Priener Einkaufsmarkt erstach.

TRAUNSTEIN/PRIEN. Musste eine 38 Jahre junge Frau in Prien sterben, weil sie einen 30-jährigen afghanischen Asylbewerber zum Christentum bekehren wollte? Erstach der Täter die konvertierte Frau wie bei einer öffentlichen Hinrichtung, weil er sich als Moslem „Pluspunkte im Paradies“ erhoffte? Lagen die Wurzeln der Tat in seiner Kindheit und Jugend mit Gewalt, Blut und Tod? Handelte der 30-Jährige aus Frust über den negativen Asylantrag? Oder ist gar kein richtiges Motiv zu benennen?

Diese Fragen wird das Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs am Freitag, 9. Februar, um 10 Uhr bei der Urteilsverkündung beantworten: Ungewöhnlich viele Zuhörer im Gegensatz zu den ersten Tagen verfolgten am Montag die Plädoyers.

Der Mann auf der Anklagebank blickte meist zu Boden. Staatsanwalt Dr. Oliver Mößner sah alle Punkte der Mordanklage bestätigt – einschließlich der Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe. Der Grund für das Verbrechen seien der Glaubenswechsel der muslimischen Frau zum Christentum und ihre Versuche, auch den 30-Jährigen dazu zu bewegen. Dr. Mößner bezeichnete andere Motive wie Frust über den Ablehnungsbescheid als denkbar. Dies sei jedoch „Spekulation“. Die Religionsfreiheit sei in der Bundesrepublik ein besonderes Gut und im Grundgesetz verankert. Zum krassesten Verstoß gegen die Religionsfreiheit zähle, einem Menschen die Daseinsberechtigung abzusprechen - nur weil er einem anderen Glauben angehöre, hob Dr. Mößner heraus. „Er wollte die Frau möglichst öffentlichkeitswirksam töten.“ Der rechtsmedizinische Gutachter habe festgestellt, der Angeklagte habe dem Opfer „den Kopf abtrennen wollen“. Die zwangsläufige Sanktion für Mord sei eine lebenslange Freiheitsstrafe. Dazu beantragte der Staatsanwalt, die „besondere Schwere der Schuld“ festzustellen wegen zweier Mordmerkmale und der Tötung der Frau vor den Augen der kleinen Kinder.

Auch Verteidiger fordert eine lebenslange Haft

Nebenklagevertreterin Stephanie Vogt schloss sich namens der Schwester und des Bruders des Opfers an. 14 Tage vor der Tat habe der 30-Jährige einem Bekannten gegenüber eine „Überraschung“ angekündigt: „Er hat an dem Tag entschieden, die Frau zu töten.“ Der Glaubenswechsel und „weil sie es gewagt hat, ihn darauf anzusprechen“ – darin liege das Motiv. Das spiegelten die Tatbegehung und die Opferauswahl wider. Frau Vogt weiter: „Alle Zeugen haben widerlegt, die Frau sei fanatisch vorgegangen.“ Der Täter habe „vielfach versucht, die Schuld auf die Frau zu verschieben, aber auch auf den Helferkreis, von der sich nicht genügend unterstützt fühlte“. Dank zollte die Anwältin allen Helfern, die versuchten, das Opfer zu retten: „Das war ein Zeichen großer Zivilcourage.“

Auch Verteidiger Harald Baumgärtl plädierte auf Mord und lebenslänglich, allerdings nicht auf „besondere Schwere der Schuld“. Er gehe einzig vom Mordmerkmal Heimtücke aus. Die „furchtbare Jugend“ des 30-Jährigen rechtfertige nichts. Die Lebensumstände müssten aber bei einer eventuellen Schwere der Schuld berücksichtigt werden.

„Tatmotiv ist nicht eindeutig festzustellen“

Aus seiner Sicht sei das Tatmotiv nicht eindeutig festzustellen. In der Hauptverhandlung hätten Zeugen gesagt, die Frau habe nicht versucht, jemand zu bekehren. Baumgärtl dazu: „Warum sollte sie es dann gerade beim Angeklagten getan haben?“ Gegen religiöse Hintergründe spreche auch das Verhalten des Täters, der Alkohol getrunken, Cannabis geraucht und Bordelle besucht habe. Baumgärtls Fazit war: „Aus meiner Sicht bleibt das Motiv im Großen und Ganzen offen.“ Das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ sei nicht nachgewiesen. Im „letzten Wort“ wandte sich der Angeklagte an die Familie: „Ich möchte mich entschuldigen bei den Hinterbliebenen für das, was geschehen ist. Bis heute ist mir nicht klar, was in meinem Kopf geschehen ist.“

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