Marianne Raßhofer betreibt mit 87 Jahren Dorfwirtshaus, hat am 2. Juni ein seltenes Jubiläum
KRIESTORF Das erste Jubiläum wurde im kleinen Kreise gefeiert: 150 Jahre bezieht die Wirtsfamilie Raßhofer in Kriestorf (Gemeinde Aldersbach) Bier der Brauerei Aldersbacher. Das war Brauereidirektor Baron Ferdinand von Aretin natürlich einen Besuch und eine Ehren-Urkunde wert, denn die Gastwirtschaft der Raßhofers ist wohl die treueste, weil älteste Kundschaft.
Erstaunlicherweise hat in diesen 150 Jahren ein und dieselbe Familie die Gastwirtschaft betrieben. Und Marianne Raßhofer ist immer noch, im 88. Lebensjahr, donnerstags, freitags und sonntags für die Stammgäste da. Deshalb wird sie ihr nächstes, ganz persönliches Jubiläum am Freitag, 2. Juni, in ihrer Gaststube mit den Gästen begehen: 65 Jahre Wirtin!
„Ich weiß noch gut, wie es damals war, am 2. Juni 1952, auch ein Freitag. Mein Mann Alois musste am Hof helfen – und ich kochen, obwohl ich gar nicht wusste, wo was ist. Aber ich habe es hingekriegt“, schmunzelt Marianne Raßhofer in ihrer blitzsauberen Gaststube mit 50er-Jahre-Einrichtung.
In der Gastronomie hat sich seither viel verändert: Früher hatten Marianne und ihre Töchter Christine und Luise, die auch heute noch mithelfen, täglich mittags an die 20 Arbeiter und Handwerker auszukochen. Die Gastwirtschaft hatte in all den Jahren sieben Tage die Woche geöffnet, mit wenigen Ausnahmen. Auch Fahrschul-Unterricht war früher hier abgehalten worden.
Marianne Raßhofer ist dabei in den 65 Jahren so gut wie nie aus Kriestorf rausgekommen – weil ihr beim Fahren immer schlecht wird. In besonderer Erinnerung bleibt deshalb eine Zugfahrt mit dem Frauenbund nach Nürnberg. Aber sie sei zufrieden mit ihrem Leben, so die seit 1979 verwitwete Wirtin.
Sie hatte, nur wenige Häuser vom Raßhofer-Wirtshaus entfernt aufgewachsen, eingeheiratet. Ihre Schwiegereltern Ludwig und Kreszenz hatten 1932 die Gastwirtschaft von der Brauerei-Familie Aretin gekauft. Deren Eltern, Ludwig und Christine Raßhofer, waren die ersten Pächter der Aretins, die 1867 Anwesen und Brauerei vom Käser-Bräu gekauft hatten.
„Bis 1920 wurde nebenan gebraut“, weiß Marianne Raßhofer. Und dass auf dem Haus Nepomukstraße 4 in Kriestorf auch lange vorher schon Wirte waren, wie in einem Dorfbuch belegt, sogar bis ins 17. Jahrhundert zurückreichend. Ludwig Raßhofer stammte aus dem Freisinger Raum, kam als Verwalter an das Aretinsche Gut Weng bei Aldersbach, bevor er 1867 Hof und Gastwirtschaft in Kriestorf übernahm, als Pächter.
In den Jahren um die Jahrhundertwende kostete der Liter Bier 20 Pfennig! Und 1874 lag der monatliche Bierausstoß der Gastwirtschaft bei enormen 44 Hektolitern, wie Marianne Raßhofer aus den noch erhaltenen Bierbüchln erstaunt vorliest. In ihren ersten Jahren als Wirtin kostete die Halbe Bier 45 Pfennig. Als man Bedienungen brauchte und als Entlohnung für diese 5 Pfennig draufgeschlagen hatte, hätte es gleich böse Kommentare gegeben, erinnert sich die 87-jährige Wirtin: „Da kam gleich der Spruch: Wisst’s es ned, wos des Bier kost?“
Kommenden Freitag, zu ihrem 65. Wirtinnen-Jubiläum, wird Marianne Raßhofer natürlich in ihrer Dorfwirtschaft anzutreffen sein. Und mit den anderen beiden Kriestorfer „Dorfältesten“ – dem Schwarz Sepp (97) und dem Bauer Anton (89) – davon berichten, wie es früher so war, in der nicht immer nur guten alten Zeit …
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