Versorgung
Bereitschaftsdienst: Warum sich junge Ärztinnen in manchen Gegenden fürchten

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:49 Uhr
−Foto: Foto: Eckl

Wenn es nachts schmerzt und der Arzt kommen muss, sorgt der Bereitschaftsdienst in Bayern für die Grundversorgung. Doch der musste jetzt umstrukturiert werden – auch weil junge Ärztinnen in mancher Gegend Angst hatten.

REGENSBURG Ärzte genießen nicht nur hohes Ansehen, sie haben auch ein Problem: Auch wenn ein Mediziner faktisch nicht arbeitslos werden kann und mitunter richtig viel Geld verdient, sind die Arbeitszeiten für „normale“ Arbeitnehmer oft unvorstellbar. Schon für die Assistenzärzte bedeutet der Arbeitsalltag oftmals Sieben-Tage-Wochen, Nachtschichten und Wochenenddienste, oft über zwölf Stunden hinaus. Doch auch die niedergelassenen Hausärzte haben oft keine freien Wochenenden: Bisher stellten sie die Bereitschaftsdienste – in Städten wie Regensburg ist das kein Problem, denn da gibt es Arztpraxen Klinke an Klinke mit dem Kollegen. Auf dem flachen Land sieht das ganz anders aus.

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) stellte am Montag deshalb die Umstrukturierung des Bereitschaftsdienstes vor. Dazu kam KVB-Vorsitzender Wolfgang Krombholz, ein Hausarzt, flankiert von Stellvertreter Pedro Schmelz, einem Facharzt, und deren Oberpfälzer Kollegin Marie-Luise Vogel nach Regensburg. „Die 55-Plus-Stundenwoche kombiniert mit Wochenend- und Nachtschichten passt für viele junge Mediziner nicht mehr in ihren Lebensentwurf in Sachen Work-Life-Balance“, brachte Krombholz das Problem auf den Punkt.

Zudem erlebe die Ärzteschaft gerade am Land eine Überalterung. Über 60-jährige Hausärzte wollten sich an den Bereitschaftsdiensten nicht mehr beteiligen. Seine Kollegin Marie-Luise Vogel benannte noch ein anderes Problem: „60 Prozent der Medizinstudenten sind Frauen, die natürlich im Beruf andere Anforderungen an die Vereinbarkeit mit der Familie stellen.“

Gerade die Hausbesuche des Bereitschaftsdienstes stellten die weiblichen Ärzte „immer wieder das Problem, dass man auch in schwierige Wohngebiete muss“. Auch das soll sich nun ändern: Während einerseits in ganz Bayern insgesamt 42 Bereitschaftspraxen eingerichtet werden sollen – in Regensburg gibt es eine solche bereits –, die bevorzugt auch an Kliniken untergebracht werden sollen, wird ein separater Fahrdienst eingerichtet. „Hier wird ein Fahrer, bevorzugt selbst aus einem medizinischen Beruf, den Bereitschaftsdienst zu den Hausbesuchen fahren.“ Auch die Fachärzte sind zwischenzeitlich verpflichtet, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen. Doch was, wenn ein Nuklearmediziner den Oberschenkelhalsbruch beim Hausbesuch untersuchen soll?

„Das ist auch kein Problem“, sagte KVB-Chef Krombholz, „wenn er merkt, dass er nicht auftreten kann, muss er den Patienten ohnehin ins Krankenhaus einweisen.“

Auch Fachärzte sind nun in Bereitschaftspflicht

Zur Einführung der neuen Bereitschaftspraxen soll es Modellregionen geben, eine solche wird etwa Straubing sein. Ein ganz anderes Problem, das Regensburg betrifft, sprach Hausärztin Vogel an: Die Neueinteilung der Regionen, für die von der KVB auch Quoten für die Niederlassung von bestimmten Arztgruppen vorgeschrieben werden, hat Regensburg Stadt und Land in eine Region zusammen geführt. „Wir hatten jetzt die Situation, dass ein Arzt seine Praxis vom Landkreis in die Stadt verlegt hat“, so Vogel. „Das kann es natürlich nicht sein, das müssen wir wieder ändern“, schloss sie.

KOMMENTAR

Kein normaler Job Es ist ein Grundproblem: Die einen ertrinken in Arbeit, die anderen haben zu wenig. Dass Ärzte viel leisten müssen, liegt in der Berufsbeschreibung begründet. So wenig man den Maßstab eines BMW-Arbeiters auf einen Priester übertragen kann, so wenig kann ein Arzt sich darauf berufen, dass er auch nur ein Arbeitnehmer (im Falle der Klinikärzte) oder ein Selbständiger (bei den Niedergelassenen) sei. Gleichzeitig sollten aber auch die Patienten ein eigenes Interesse daran haben, dass im Notfall keine völlig übermüdeten Assistenzärzte in den Notaufnahmen warten. Insofern ist der neue Bereitschaftsdienst richtig!

Regensburg