Fahnder sind viel beschäftigt
Autoschieber, Internetbetrüger und falsche Slowenen

11.07.2017 | Stand 03.08.2023, 14:33 Uhr

Die Kriminalität macht bekanntlich nicht an der Landesgrenze halt. Deshalb wurden nach Wegfall der Grenzkontrollen nach Österreich im Jahr 1998 entlang der Grenze polizeiliche Kontaktdienststellen eingerichtet, zum Bundesland Salzburg in Freilassing.

PIDING Das Kontaktbüro ist organisatorisch der Polizeiinspektion Fahndung Traunstein in Urwies (Schleierfahndung) angegliedert und rund um die Uhr erreichbar. Mit Inkrafttreten des deutsch-österreichischen Polizei- und Justizkooperationsvertrages im Jahr 2005 wurde die polizeiliche Rechtshilfe weiter verbessert und eine direkte Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden innerhalb der Grenzgebiete über die Eilfallregelung hinaus möglich. 

Im Jahr 2016 hatte die Kontaktstelle (KOST) Freilassing insgesamt 8.345 grenzüberschreitende Ersuchen zu bearbeiten. 60 Prozent davon kamen von ausländischen Dienststellen und 40 Prozent von deutschen Behörden. Die Anfragen erstrecken sich von einfachen Halter- oder Wohnsitzfeststellungen, Personen- und Dokumentenüberprüfungen, grenzüberschreitende Fahndungen, Vermisstensuche und Angehörigenverständigungen bis hin zu unterstützenden Ermittlungen bei Tötungsdelikten oder im Bereich der organisierten Kriminalität. Ferner werden einmal wöchentlich im Rahmen der sog. „Mittwochsrunde“ mit den Salzburger Kollegen die schriftlichen Vernehmungsersuchen ausgetauscht und die Kriminalitätslage im Grenzgebiet erörtert.

Durch den engen Kontakt zu den österreichischen Kollegen konnte im vergangenen Sommer ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung eines Mordes im Stadtgebiet Salzburg geleistet werden. Ein mit der S-Bahn von Salzburg nach Freilassing eingereister Syrer wurde am Bahnhof Freilassing wegen unerlaubter Einreise festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt, bevor er nach Österreich zurückgewiesen wurde. Durch die bei der Einreise getragene auffallende Bekleidung, die eindeutig dem Opfer zuzuordnen war, konnte der 19-jährige Asylwerber kurz darauf in Hallein festgenommen werden. Gemeinsam mit einem Landsmann hatte er das 30-jährige Opfer in Raubabsicht getötet.

Jeder von der Kontaktstelle bearbeitete Einzelfall muss aktenkundig gemacht werden und bedarf oftmals einer Nachbereitung. Beispielsweise wurden 98 Auslandstaten, die dem deutschen Strafrecht unterliegen, bei inländischen Staatsanwaltschaften zur Anzeige gebracht. Auch zwei mutmaßliche „Reichsbürger“ wurden bei einer Kontrolle im Ausland registriert und ihre Daten an die zuständigen Staatsschutzbehörden gemeldet.

Weiters konnten durch Mithilfe der KOST Freilassing im letzten Jahr 36 gestohlene, unterschlagene oder betrügerisch erlangte Fahrzeuge im Ausland sichergestellt werden. 209 Urkunden, i.d.R. Ausweisdokumente, wurden als gefälscht oder blanko entwendet erkannt und gegen 166 Personen lag ein nationaler oder internationaler Suchvermerk vor. Ein starker Anstieg war im Bereich der grenzüberschreitenden Internetkriminalität zu verzeichnen. In 81 Fällen konnten die Betrüger trotz Verwendung von Falschidentitäten oder Fake-Accounts über ihre deutschen Kontoverbindungen identifiziert und der Strafverfolgung zugeführt werden. 

Ein besonderes Phänomen, das bereits seit 2013 zu beobachten ist, stellten auch 2016 wieder die vielen „falschen Slowenen“ dar. Dabei handelt es sich um visumspflichtige Staatsangehörige aus den Balkanstaaten, die sich mit frei erfundenen slowenischen Identitäten und gefälschten Dokumenten in Deutschland anmelden, um in den Genuss der EU-Freizügigkeit und des freien Arbeitsmarktes zu kommen. In Zusammenarbeit mit dem slowenischen Kontaktbüro in Thörl-Maglern wurden insgesamt 216 Personen als nicht existente slowenische Staatsbürger entlarvt, durch die Inlandsdienststellen angezeigt und fallweise bereits in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Zur Vertiefung der Kontakte nach Slowenien besuchte im Herbst eine dreiköpfige Delegation slowenischer Polizeibeamter die Kontaktstelle zu einem Arbeitsgespräch.

Daneben obliegt den Sachbearbeitern der Kontaktstelle die Auswertung von grenzbezogenen Lageberichten und der Printmedien, die Erfassung und Steuerung von polizeilich relevanten Informationen, Ausschreibungen in der Sachfahndung sowie die Unterstützung bei grenzüberschreitenden Einsatzlagen als Verbindungsbeamte bei der Landespolizeidirektion Salzburg, wie beim Jahrhunderthochwasser 2013 oder zur Bewältigung des enormen Flüchtlingsstromes im Jahr 2015.

Außerdem fungiert die Kontaktstelle als Ansprechpartner in Vertrags- und Rechtshilfeangelegenheiten, auch für Fragen des nationalen und internationalen Straf- und Verkehrsrechts, und ist für die Lagerung und Pflege der Kriminal- und Sachakten der Polizeiinspektion Fahndung Traunstein zuständig. Dass die Zusammenarbeit mit den ausländischen Dienststellen bestens funktioniert, liegt größten Teils an den persönlichen Kontakten zu vielen Kollegen und das über die Jahre gewachsene gegenseitige Vertrauen - man kennt sich und kann sich auf das Gegenüber verlassen, ohne natürlich Gesetzes- und Datenschutzbestimmungen außer Acht zu lassen. Nicht nur die Polizei, sondern auch die Justiz, der Zoll und die Verwaltungsbehörden nützen den schnellen Draht über die Kontaktstelle zur Informationsgewinnung. Trotz steigender europaweiter Zugriffsmöglichkeiten für die Polizeien auf relevante Dateien ist die polizeiliche Kontaktstelle in Freilassing für die Grenzregion Südostbayern /Salzburg auch weiterhin ein wichtiger Servicedienst im Bereich der polizeilichen Rechtshilfe.

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