Er soll einen 19-Jährigen erstochen haben
Altöttinger wegen Totschlags vor Gericht

12.07.2017 | Stand 13.09.2023, 6:56 Uhr
Monika Kretzmer-Diepold
−Foto: n/a

Der Deutschrusse (46) aus Altötting soll in Ainring (Landkreis Berchtesgaden) einen 19-Jährigen mit einem Küchenmesser erstochen haben

ALTÖTTING/TRAUNSTEIN Vor sieben Monaten gestand ein 46-jähriger Deutschrusse aus Altötting der Polizei dreimal einen 19-Jährigen nach einer Geburtstagsparty in Ainring-Mitterfelden erstochen zu haben.

Zum Verhandlungsauftakt vor dem Landgericht Traunstein ließ der Angeklagte alles durch seine Verteidiger widerrufen. Sie wollen Näheres dazu erst am nächsten Prozesstag, 13. Juli, mitteilen. Auch Angaben zur Person des 46-Jährigen verschoben die Verteidiger, Dr. Florian Eder aus Freilassing und Korbinian Ortner aus Traunstein, auf diesen Termin. Das Verfahren wird danach am 24. und 27. Juli, ebenfalls jeweils um 9 Uhr, fortgesetzt.

Hinsichtlich des Motivs der als Totschlag angeklagten Tat geht Staatsanwalt Björn Pfeifer von einem Streit in den ersten Stunden des 19. November 2016 über die Lage in Russland und zusätzlich den weiteren Konsum von Alkohol in der Nacht aus. Gegen drei Uhr verblieben der mutmaßliche Täter und der 19-Jährige als letzte allein in der Küche. Was danach geschah, versucht das Schwurgericht mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs mit Hilfe zahlreicher Zeugen und von fünf Gutachtern aufzuhellen.

Ein Notruf wegen eines schwer verletzten Mannes in Ainring erreichte die Polizeieinsatzzentrale um 4.03 Uhr. Der Sachbearbeiter der Kripo Traunstein berichtete, seine Kollegen, der Kriminaldauerdienst, Beamte der Bundespolizei sowie Streifen mehrerer Polizeidienststellen seien zum Tatort gefahren. In der Wohnung habe man mehrere alkoholisierte Personen vorgefunden.

Beim Überprüfen, wer wann auf der Geburtstagsparty am Abend zuvor war, erinnerten sich Zeugen an eine Person, „die niemand so recht auf dem Schirm hatte, die man nicht recht einordnen konnte“, wie der Ermittler schilderte. Bei Nachvernehmungen habe es geheißen, das könne „ein Verwandter aus Altötting“ gewesen sein.

Beamte der Polizeiinspektion Altötting vernahmen den 46-Jährigen als Zeugen. Zwischenzeitlich erfuhr die Kripo von einem nächtlichen Telefonat eines Familienmitglieds mit der Ehefrau des Angeklagten. Im Hintergrund hatte dessen 13-jähriger Sohn gerufen: „Ich weiß genau, was passiert ist. Der Andere ist auf ihn losgegangen. Er hat sich nur gewehrt.“ Die Vernehmung wurde unterbrochen, der 46-Jährige als Beschuldigter belehrt. Daraufhin gestand er die Stiche zum ersten Mal. Später wiederholte er das Geständnis zweimal. 

Der Sachbearbeiter informierte zum Tatort: „Augenscheinlich hatte es eine Auseinandersetzung gegeben. Wir fanden viele Blutspritzer und eine Schleifspur Richtung Wohnungstüre.“

Während der Tat habe die Tochter der Mieter in ihrem Zimmer geschlafen. Sie sei durch lautes Scheppern und Stimmen wach geworden. Der Kriminaler beschrieb, was die Zeugin damals empfand: „Für sie war die Situation bedrohlich. Erst als sie die Wohnungstüre schlagen hörte, ist sie raus aus ihrem Zimmer und sah den 19-Jährigen am Boden. Es hat an der Tür geklingelt. Über die Sprechanlage hörte sie wieder diese Stimme. Sie ließ den Hörer fallen. Dann vernahm sie ein Klopfen am Fenster im Hochparterre. Sie versteckte sich. Erst nach fünf Minuten ging sie zu dem Mann am Boden und merkte, dass er leblos war. Sie hat Panik gekriegt, wahllos Freunde angerufen und einen Notruf abgesetzt.“ 

Der Sachbearbeiter schilderte die Vernehmungen von Zeugen zum Verlauf der Party. Nach der Tat habe ein reger Chatverkehr stattgefunden. Der Ermittler merkte an, die Leiche in der Wohnung sei „offensichtlich allen Zeugen wurscht gewesen“ – mit Ausnahme der jungen Frau, die bei dem Streit Zeugin vom Hören wurde: „Sie hat einen Thriller erlebt.“

Der Ermittler bezeichnete den Angeklagten, Vater von drei Söhnen, als sehr engagierten ehrenamtlichen Fußballtrainer in Altötting. Das Opfer habe er nur flüchtig gekannt. Der 46-Jährige habe in seinen Geständnissen eine Rangelei in jener Nacht geschildert. Der 19-Jährige sei mit einem Messer auf ihn losgegangen. Er habe in Notwehr gehandelt, dem anderen das Messer abgerungen und zugestochen.

Der Polizeizeuge fuhr fort, das Messerheft habe einen deutlichen Abdruck auf dem Körper des Opfers hinterlassen. Ob der 19-Jährige auf das Messer gefallen sei oder ob der Angeklagte derart massiv zugestochen habe, sei offen geblieben. Die Schleifspur habe der 46-Jährige begründet mit dem Versuch, den 19-Jährigen aus der Wohnung rauszubringen. Als die Rettungskräfte eintrafen, habe der Angeklagte von draußen in die Wohnung blicken können. Die Tasche mit seiner blutbefleckten Kleidung habe er bei einem Nachbarn in Altötting abgegeben.

Die Verteidiger forderten, die Vernehmungen ihres Mandanten dürften nicht verwertet werden, unter anderem wegen Verstoßes gegen die Belehrungspflicht und wegen „seelischen Drucks“.

Zu dem Opfer informierte der Kriposachbearbeiter, der 19-Jährige werde als ruhiger, besonnener, keineswegs aggressiver Typ beschrieben. Der junge Mann wurde damals nach dem Notruf in das Landeskrankenhaus Salzburg transportiert. Der Patient erlag um 5.41 Uhr seinen Stichverletzungen in Hals und Brust. Die Obduktion im Rechtsmedizinischen Institut der Universität München bestätigte ein Verbrechen.

Die Eltern des 19-Jährigen sind in dem Prozess Nebenkläger mit Anwalt Jörg Zürner aus Mühldorf zur Seite.

Altötting