Ermittlungen
Alles war gelogen: Falscher Arzt praktizierte in seinem Wohnzimmer – ein Patient erzählt

08.07.2017 | Stand 30.07.2023, 8:40 Uhr
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Die Geschichte klingt unglaublich: Ein 30-jähriger Regensburger soll in den vergangenen Jahren über 80 Patienten vorgespiegelt haben, Arzt zu sein. Er behandelte seine Patienten, meist ging es dabei um Schönheitsbehandlungen. Als man dem Regensburger auf die Schliche kam, stellte er aber seine Tätigkeiten keineswegs ein, er praktizierte weiter. Nun klickten die Handschellen.

REGENSBURG In Kontakt mit seinen potentiellen Patienten kam der 30-Jährige vor allem über soziale Netzwerke, aus dem gesamten Bundesgebiet reisten dabei diejenigen an, die schöner werden wollten. Die Behandlungen führte der Verdächtige dann in Privatwohnungen in Regensburg und auch in Hannover (Niedersachsen) durch.

Verdächtig kam das offenbar niemandem vor. Auch Jürgen S. aus dem Landkreis Schwandorf (Name geändert, richtiger Name der Redaktion bekannt) war arglos und ließ sich von dem 30-Jährigen mehrmals behandeln. Der "Arzt" habe immer sehr kompetent gewirkt und auch von anderen namhaften Ärzten berichtet, die er kenne.

Jürgen S. kennt den falschen Arzt schon seit Jahren, war mit ihm sogar befreundet. Früher habe er immer von seinem Medizinstudium erzählt, später berichtete der falsche Arzt von seiner Facharztausbildung. "Ich habe ihm blind vertraut", so Jürgen S. enttäuscht. "Er hat seine Hausaufgaben, was das Lügen betrifft, wirklich gemacht", erzählt er. Den Menschen, den er zu kennen geglaubt hatte, gibt es überhaupt nicht. "Das einzige, was gestimmt hat, war sein Name, sogar beim Alter hat er mich belogen“, weiß Jürgen S. mittlerweile.

Die Behandlungen fanden bei ihm zu Hause statt, eine Praxis gab es nicht. Dort hatte der 30-Jährige auch zahlreiche Urkunden an der Wand, erst von der Polizei erfuhr Jürgen S., dass diese Urkunden alle gefälscht waren. Als ihn die Polizei anrief, sei er aus allen Wolken gefallen: "Nie im Leben wäre ich draufgekommen, dass das kein Arzt ist." Nach dem ersten Schock wich die Enttäuschung über diesen falschen Freund der Sorge, was der falsche Arzt ihm alles unter die Haut gejagt hat. Dabei war er immer zufrieden, der "Arzt" hätte sogar steril gearbeitet und auch von Bekannten sind ihm keine Beschwerden bekannt. "Hätte er das legal gemacht, wäre das bestimmt ein guter Arzt gewesen", ist sich deshalb Jürgen S. sicher.

Doch wie kommt ein falscher Arzt überhaupt an solche Substanzen wie Botox? Jürgen S. hat den Verdacht, dass er bei einem Arzt aus dem Raum Amberg, bei dem er gelegentlich mitarbeitete, bereits gestempelte Rezeptblöcke unterschlagen und dann eingelöst habe. "Der Schock sitzt tief", sagt Jürgen S. und hofft, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein.

So wie Jürgen S. ging es vielen, sie sind auf den vermeintlichen Arzt hereingefallen. Die Kripo in Regensburg ermittelt nun in dem Fall und hofft auf weitere Hinweise aus der Bevölkerung. Zwei Mitteilungen seinen zwischenzeitig eingegangen, so Albert Brück vom Polizeipräsidium Oberpfalz in Regensburg. Allerdings seien diese "für die Ermittlungen unerheblich".

Seit Anfang September sitzt der 30-jährige Regensburger nun in Haft. Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungen eine Frau aus Österreich, sie hatte erhebliche Zweifel an der Approbation des Mannes und ließ dies von den Behörden prüfen. Und dabei kam dann heraus, dass der 30-Jährige gar kein Arzt ist – und somit auch keine medizinischen Behandlungen durchführen darf. Seit Mitte 2013 soll der Mann vor allem Gesichtsbehandlungen durchgeführt haben, bei einer Durchsuchung wurden entsprechende Beweismittel sichergestellt.

"Erste Aus- und Bewertungen führten zu dem derzeitigen Sachstand, dass der falsche Arzt mehr als 80 überwiegend weibliche Personen behandelte. Bei diesen traten teilweise aufgrund der fehlenden medizinischen Ausbildung auch Komplikationen auf, wie die bereits durchgeführten Vernehmungen ergaben. Die Bezahlung für die Leistungen erfolgte in bar und ohne Quittung", so die Mitteilung der Polizei.

Die Ermittler sind weiter auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Wer Angaben zum Fall machen kann oder vielleicht selbst Patientin oder Patient bei dem falschen Arzt gewesen ist, soll sich bei der Kripo unter der Telefonnummer 0941/ 506-2888 melden.

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