In der Diskussion:
Ärzte plädieren für eine Helmpflicht für Radfahrer

05.07.2017 | Stand 12.10.2023, 11:43 Uhr
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381Fahrradfahrer sind in Deutschland im Jahr 2010 ums Leben gekommen – eine vergleichsweise geringe Zahl. Trotzdem sieht sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer bemüßigt, über den Sinn und Unsinn von Fahrradhelmen zu philosophieren.

SCHWANDORF "Wenn sich die Helmtragequote von neun Prozent nicht signifikant auf weit über 50 Prozent erhöht in den kommenden Jahren, dann muss man fast zu einer Helmpflicht kommen." Jeder zweite tödliche Unfall eines Radfahrers gehe auf Kopfverletzungen zurück, so der Minister. Diese Zahlen bereiten im Verkehrsministerium Sorgen. Zudem stiegen immer mehr Menschen aufs Fahrrad, sodass alleine schon wegen der Zahl der Radfahrer die Unfallgefahr für jeden einzelnen zunehme.

Fahrradclubs wehren sich gegen die Helmpflicht

"Ich bin zu Besuch bei einem Bekannten per Bahn oder Pkw und er schlägt vor: `Komm, radeln wir noch zum Badesee. Badehose und Rad kann ich Dir leihen, aber Radhelm …´", beschreibt Rester die Problematik. bei Erwachsenen plädiert der ADFC ganz klar für die Freiwilligkeit. Bei Kindern allerdings setzt auch Willi Rester auf den Helm als Schutz: "Auf jeden Fall! Schon alleine wegen der geringen Verkehrspraxis, der eingeschränkten Motorik und Wahrnehmung und der geringen Körpergröße sollten Kinder einen Fahrradhelm tragen!"Nicht überall stößt eine Helmpflicht auf positives Echo. Der Allgemeinde Deutsche Fahrradclub (ADFC) wendet sich entschieden gegen die Pflicht, als Radfahrer einen Helm zu tragen. Willi Rester, Vorsitzender des ADFCs in Schwandorf ist selbst seit 40 Jahren Radfahrer. Zum einen sei eine Helmpflicht wohl kaum umsetzbar, zum anderen entstehe eine Scheinsicherheit. "Hier wird die Illusion aufgebaut, mit Helm sei ein Radfahrer sicher", so Rester gegenüber dem Wochenblatt. Und bei einem Unfall sehe er die Gefahr, dass man die Schuld an dem Vorfall und an den Verletzungen schnell mal dem Radfahrer unterschieben könne, falls er keinen Helm getragen habe. "Aber: Wie soll ein Helm einen Genickbruch verhindern?" Viele Radfahrer wollten aus persönlichen Gründen keinen Helm tragen, es sei "uncool, unbequem" oder die Frisur werde dadurch zerstört. Zum anderen hemme die Helmpflicht auch die Spontanität des Radfahrers.

Die Politik setzt auf Freiwilligkeit

Der SPD-Landtagsabgeordnete Franz Schindler sieht durchaus Vor- und Nachteile einer Helmpflicht. "Dafür sprechen natürlich die guten Erfahrungen mit der Helmpflicht für Motorradfahrer. Dagegen spricht aber, dass der Staat erwachsenen Menschen nicht alles vorschreiben muss und dass es auch eine Eigenverantwortung gibt. Bei Kindern ist es natürlich anders. Da gebietet es meines Erachtens die Fürsorgepflicht, vorzuschreiben, dass ein Helm getragen werden muss."

So sieht es auch sein Kollege Otto Zeitler von der CSU. Er hat die Aussage Ramsauers eher als "Ermunterung" an alle Radfahrer verstanden, doch öfter einen Helm aufzusetzen. "Man kann niemanden zwingen. Irgendwann muss dann auch noch ein Fußgänger einen Helm aufsetzen", wirft er in den Raum. Bei Kindern allerdings sei es durchaus sinnvoll, wenn sie einen Helm tragen. Als Nebeneffekt sei es dann natürlich auch so, dass es normal werde, einen Helm zu tragen. Kinder, die heute einen Helm tragen, werden diesen auch in einigen Jahren tragen, wenn sie als Erwachsene Fahrrad fahren. "Jeder Mensch muss auf sich selbst achten, der Staat kann nicht alles vorschreiben", so Zeitler.

Der Landtagsabgeordnete Joachim Hanisch (Freie Wähler) sieht ebenfalls jeden Einzelnen in der Verantwortung. "Wir haben mündige Bürger, denen wir auch so eine Menge zutrauen und zumuten", so Hanisch. Auch bei Kindern setzt er auf Freiwilligkeit. "Hier denke ich, dass die Eltern so vernünftig sind und ihren Kindern einen Helm aufsetzen, ich sehe kaum noch Kinder ohne Helm auf dem Fahrrad!“

Mediziner sprechen sich für die Helmpflicht aus

Dr. Ahmet Kaymak, Arzt in der Notaufnahme des St.-BarbaraKrankenhauses in Schwandorf, hingegen ist für eine gesetzliche Helmpflicht, "da Helme Verletzungen verhindern und deren Schwere mindern. Zudem sind Schutzhelme mittlerweile auch günstig zu erwerben, Kopfschutz ist also keine Kostenfrage!" Im Sommer landen am Wochenende im Schnitt etwa fünf Patienten in der Notaufnahme des St.-Barbara-Krankenhauses, weil sie mit dem Rad gestürzt sind, häufige Verletzungen sind dabei Platzwunden, Schädelprellungen, Gesichtsfrakturen und Brillenhämatome sowie Verletzungen der Halswirbelsäule. "Trägt ein Radfahrer einen Helm, kommt er bei einem Unfall oder Sturz zumeist mit einer Schädelprellung davon – es liegen dann in der Regel keine neurologischen Ausfälle vor. Bei Helmträgern treten auch viel weniger Platzwunden auf", beschreibt Dr. Kaymak die Erfahrungen seines Notaufnahme-Alltages.

Ein bisschen erinnert die Diskussion um die Helmpflicht für Radfahrer an die Einführung der Gurtpflicht im Pkw in Deutschland im Jahr 1976 – damals noch ohne Strafen. Auch hier regte sich Widerstand. Erst mit der Einführung eines Bußgeldes im Jahr 1984 stiegt die Zahl der Autofahrer, die den Sicherheitsgurt nutzen, erheblich an. Heute ist es für die meisten Pkw-Lenker selbstverständlich, sich vor dem Fahrtantritt anzuschnallen.

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Schwandorf