Wochenblatt-Kommentar
Dieser Lebensmittel-Gipfel der Ignoranz ist für die Tonne

06.02.2020 | Stand 13.09.2023, 1:49 Uhr
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Wie wäre es denn mit einem Kanzlergipfel zum Thema Niedrigstlöhne? Oder Altersarmut? Für Tariftreue? Gegen Strompreiserhöhungen?

Die Kanzlerin hat einen Lebensmittelgipfel einberufen? Sie will gegen die Dumpingpreise im Handel vorgehen? Wieder einmal soll der „preissensible“ und „Schnäppchen jagende“ deutsche Verbraucher in die Pflicht genommen werden, der nur aus reiner Sparwut Billig-Lebensmittel konsumiert - wahrscheinlich nur, um das so gesparte Geld in ein Auto für die spaßige Fahrt zur Arbeit oder für lebensunnotwendige Privatfreuden wie Urlaub, Kino, etc. auszugeben.Wie wäre es denn mit einem Kanzlergipfel zum Thema Niedrigstlöhne? Oder Altersarmut? Für Tariftreue? Gegen Strompreiserhöhungen?Was soll ein solcher Gipfel bringen? Solange Politiker nicht wahrnehmen, dass Millionen Menschen in Deutschland auf billige bzw. preisgünstige Lebensmittel und andere Waren angewiesen sind, weil sie mit ihren Niedriglöhnen, Mini-Renten oder Hartz IV sich selbst und ihre Familien nicht über die Runden bringen, sollte sie besser ihre Finger von diesem Thema lassen.Es ist eine Schande für die deutsche Politik, dass sie Armut in Deutschland zu etwas Alltäglichem und Normalem gemacht hat. Dass Tafeln in jeder Stadt zur festen Einrichtung geworden sind. Denken Frau Merkel und Co. vielleicht, dass sich die darauf angewiesenen Menschen gerne dort anstellen? Sie würden sicher lieber mit ihrem eigenen Geld in regulären Geschäften einkaufen gehen, doch dafür reicht es halt nicht bei jedem. Angeblich wird unsere Kanzlerin schon mal an der Frischetheke im Berliner KaDeWe gesehen - sicher nicht die billigste Adresse, um Lebensmittel einzukaufen ...Landwirte fordern faire Preise für ihre Produkte. Wie wäre es mit fairen Löhnen und Renten? Wie mit einem staatlichen Zuschuss zum monatlichen Haushaltsgeld für Haushalte unter einer gewissen Einkommensgrenze? Wie wäre es damit, Armut in Deutschland zur Chefinnensache zu machen und einfach abzuschaffen?Wenn ich ältere Leute sehe - z.B. auch schon in Burghausen - die in Mülltonnen nach Pfandflaschen graben, wird mir regelrecht übel. Sie tun das, um damit etwas Geld zusätzlich zu „verdienen“. Wenn ich in der Stadt eine leere Pfandflasche in der Hand habe, lege ich sie neben den Abfalleimer, um Sammlern den Griff in den Müll zu ersparen. In der Münchner Fußgängerzone braucht man nur die Augen offen zu halten und kann sie Sammler oder Sammlerin gleich so in die Hand drücken - was bisher immer mit einem erfreuten Dank quittiert wurde.Wie kann man bei solchen Zuständen als Politiker, der vom Volk gewählt wurde, um Arbeit zum Wohle dieses Volkes zu leisten, noch in den Spiegel schauen? Wie kann man so ignorant sein, und einen Gipfel einberufen, an dessen Ende höhere Preise für den Verbraucher stehen sollen, wenn es bei vielen eh schon hinten und vorne nicht zum Leben reicht?

Altötting