Umwelt
Kampf den Blaualgen – „Runder Tisch Eixendorfer See“ auf Fachexkursion am Bautzener Stausee

13.06.2019 | Stand 29.07.2023, 10:18 Uhr
−Foto: n/a

Ein Bautzener Ansatz als Vorbild für Eixendorf? Dieser Frage ging eine Oberpfälzer Delegation des „Runden Tisches Eixendorfer See“ um Regierungspräsident Axel Bartelt bei einem Vorort-Termin im sächsischen Bautzen nach.

OBERPFALZ Der dortigen Landestalsperrenverwaltung (LTV) gelang in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Institut für Umweltforschung/Department Seenforschung im vergangenen Jahr ein erster Erfolg: Mit dem gezielten Ableiten von Oberflächenwasser aus dem See durch eine im Herbst 2017 neu errichtete Ableitungsvorrichtung im Entnahmeturm konnte die Blaualgenblüte deutlich reduziert und bis in den Spätsommer verzögert werden.

„Dieser erste Erfolg im Vorjahr ist das Ergebnis einer gelungenen Zusammenarbeit von vielen Leuten aus verschiedenen Fachrichtungen über mehrere Jahre hinweg“, betont Sebastian Fritze, Betriebsleiter der LTV, der zusammen mit Karin Freier (Referatsleiterin Wassergüte), Mike Härtelt (Projektverantwortlicher), Vinzenz Neumann (Betriebsführung) und Elisa Brode (Wassergütebewirtschaftung), die Oberpfälzer Teilnehmer begrüßte. Das Helmholtz-Institut vertrat Dr. Karsten Rinke, der das Pilotprojekt wissenschaftlich intensiv begleitet.

„Wir freuen uns sehr, bei Ihnen zu Gast in Bautzen zu sein und von Ihnen lernen zu dürfen“, bekräftigte Regierungspräsident Axel Bartelt. „Bereits unsere erste Exkursion in das Fränkische Seenland an den Altmühlsee brachte dem ‚Runden Tisch‘ viele Erkenntnisse. Mit der Reise ins Lausitzer Seenland und dem Einblick in Ihr Pilotprojekt erhoffen wir uns weitere wichtige Impulse. Denn unser Ziel ist klar. Wir wollen die Wasserqualität im Eixendorfer See verbessern und die Blaualgenproblematik eindämmen.“ Es freue ihn ganz besonders, dass neben der Regierung der Oberpfalz sowie den Wasserwirtschaftsämtern Weiden und Regensburg auch eine ganze Reihe weiterer Oberpfälzer Interessenvertreter den langen Weg ins Herz der Oberlausitz gefunden hatten, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Darunter Vertreter der Anliegergemeinden des Eixendorfer Sees, Bürgermeister der Stadt Neunburg vorm Wald, Martin Birner, Bürgermeister der Gemeinde Bodenwöhr, Georg Hoffmann, zweiter Bürgermeister der Stadt Rötz, Wolfgang Spieß, sowie Vertreter von Fischereiverbänden, Luitpold Edenhard (Ehrenpräsident Fischereiverband Oberpfalz), Michael Throner (1. Vorsitzender Fischereiverein Neunburg vorm Wald) und Rudolf Deml (Vorsitzender Fischereigenossenschaft Schwarzach). „Daran sieht man nicht nur, wie wichtig es uns allen ist, einer Lösung für den Eixendorfer See näher zu kommen. Man sieht auch unser gutes und offenes Miteinander, das für genau diesen Weg einer gemeinsamen, partnerschaftlichen Lösungsfindung nötig ist.“

Wie der Eixendorfer See, so erlebte auch der Bautzener See bislang eine alljährlich wiederkehrende, starke Blaualgenblüte. Mit seinen knapp 580 Hektar Wasserfläche ist das sächsische Gewässer zwar fast um das Sechsfache größer als der Eixendorfer See (100 Hektar). Dennoch verfügen beide Stauseen neben ihren eigentlichen wasserwirtschaftlichen Funktionen, wie insbesondere dem Hochwasserschutz, über einen hohen Freizeitwert, der durch die Blaualgenblüte beeinträchtigt wird.

Um die Blaualgen im Bautzener Stausee einzudämmen, wurden bereits einige Maßnahmen erfolgreich etabliert, insbesondere wurde der Nährstoffeintrag aus dem Einzugsgebiet soweit möglich unterbunden. Ein zentraler Schritt, wie Dr. Karsten Rinke betont. Denn: Phosphor, das u.a. die durch landwirtschaftliche Nutzung im Einzugsgebiet über die Spree in den See gelangt, sich dort im Sediment festsetzt und anreichert, ist der ideale Nährboden für Blaualgen. Steigt in den warmen Sommermonaten zudem noch die Wassertemperatur, ergeben sich beste Bedingungen für ein Wachstum der hautreizenden Einzeller, der Cyanobakterien.

Von der LTV Sachsen wurde im Kampf gegen die Blaualgen gemeinsam mit dem Helmholtz-Institut ein neuer, wissenschaftlich kontinuierlich begleiteter Ansatz erarbeitet. Damit dieser Ansatz funktioniert, müssen vor allem zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Hauptquelle für die Phosphorbelastung darf nur noch die Rücklösung von Phosphor aus den Seesedimenten sein, d. h. der Phosphoreintrag aus dem Zulauf (von landwirtschaftlich genutzten Flächen und Siedlungsgebieten) muss minimiert sein. Der Stausee muss thermisch geschichtet sein, also vereinfacht ausgedrückt oben warm und unten kalt. Solange diese thermische Schichtung stabil bleibt, wird kein Phosphor aus dem Tiefenwasser in die oberen warmen Schichten transportiert. Somit fehlt den Blaualgen die für eine massenhafte Vermehrung limitierende Nahrungsquelle. Umgekehrt führt eine Durchmischung des Wasserkörpers zu einem Transport von Phosphor in die oberen Wasserschichten, so dass sich die Blaualgen auch infolge der höheren Wassertemperatur und der Sonneneinstrahlung optimal vermehren können. „Unser Ansatz war es, eine Durchmischung der Wasserschichten im Sommerhalbjahr so lange wie möglich hinauszuzögern“, erklärt Elisa Brode. Während an der Bautzener Talsperre bislang üblicherweise ausschließlich kaltes Wasser aus der Tiefe am Seegrund abgelassen wurde, ermöglicht der Bau der neuen Wasserentnahmekonstruktion am bestehenden Entnahmeschacht nun das Ableiten des warmen Oberflächenwassers. Dies habe sich stabilisierend auf die Schichtung ausgewirkt, so die Expertin. Trotz des außergewöhnlich heißen Sommers und des Niedrigstandes im Bautzener Stausee kam es erst Ende August 2018 zu einer Blaualgenblüte – deutlich später als bislang. Für die Experten der LTV Sachsen ein Grund für vorsichtigen Optimismus.

Dr. Karsten Rinke warnte die Oberpfälzer Delegation jedoch vor zu hoch gesteckten Erwartungen. Der Bautzener Stausee sei vorab jahrelang intensiv untersucht worden. Daher seien die Investitionen in die neue Entnahmeeinrichtung gerechtfertigt und sinnvoll gewesen. Die fehlende thermische Schichtung und die Phosphorquellen im Eixendorfer See müssten in jedem Fall vor einer Entscheidung, ob ein Entnahmeturm Sinn mache, noch genauer untersucht werden.

„Der Bau einer Entnahmevorrichtung zum Ableiten von Oberflächenwasser ist sicherlich kein Allheilmittel und auch kein Patentrezept“, so Projektleiter Fritze. „Jedes Gewässer ist anders. Sind die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Oberflächenwasserentnahme die Blaualgen auch nicht stoppen. Und selbst wenn, gibt es immer ein Restrisiko, dass es nicht klappt. Das muss der Bevölkerung auch gesagt werden.“ Ob das Pilotprojekt in Bautzen auch heuer erfolgreich laufen werde, könne man nicht absolut zuverlässig vorhersagen, da das Gesamtsystem sehr komplex sei. 2018 konnte man in Bautzen die ersten Früchte einer jahrelangen, intensiven Forschungsarbeit ernten. Für ein weiteres Gelingen des Ansatzes ist ein ständiges Monitoring notwendig, wie engmaschige Temperaturmessungen in den einzelnen Wasserschichten, eine akribische Datenerfassung zur Wasserqualität über einen längeren Zeitraum hinweg sowie ein genaues Beobachten der Wetterprognosen. „Nur so können wir die Abgabe des warmen Oberflächenwassers gut steuern.“ Wichtig sei dies insbesondere auch, um Sauerstoffmangel im Wasser zu vermeiden, der wiederum für Fische gefährlich werden könne.

Regierungspräsident Axel Bartelt bedankte sich für die beeindruckenden und fundierten Einblicke in die Praxis des Bautzener Lösungsansatzes. Er lud die Experten aus Sachsen ein, sich selbst am Eixendorfer See ein Bild zu machen, um den fachlichen Austausch wertvollen Wissens fortzusetzen. „Wir nehmen eine ganze Reihe von Hausaufgaben mit nach Hause in die Oberpfalz“, betonte der Regierungspräsident. „Für uns heißt es nun ‚Auf zum Handeln‘.“ Aus beiden Fachexkursionen an den Altmühlsee und den Bautzener Stausee gelte es nun, bis zum nächsten Runden Tisch die Erkenntnisse aufzuarbeiten und genau zu analysieren, ob und gegebenenfalls mit welchen Änderungen ein andernorts funktionierender Ansatz für den Eixendorfer See übernommen werden könne. Letztendlich müssten derartige Investitionen fachlich gegründet werden können, da sie voraussichtlich mehrere Millionen Euro kosten und aus Steuergeldern finanziert und verantwortet werden. „Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, ob die Voraussetzungen am Eixendorfer See stimmen oder gegebenenfalls geschaffen werden können“, so Bartelt. „Es gibt keinen schnellen Weg, wenn man eine Lösung bekommen will, die dauerhaft Sinn macht.“

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