Demo am 27. Januar in Passau
„Wir haben es satt!“ – Es geht auch um unsere Gesundheit!

24.01.2018 | Stand 24.07.2023, 15:06 Uhr
−Foto: Foto: Bund Naturschutz

Interview mit Grünen-Gründungsmitglied Halo Saibold

PASSAU/ALDERSBACH „Wir haben es satt! – der Agrarindustrie die Stirn bieten“ lautet das Motto einer Demo des Bund Naturschutz gegen Massentierhaltung am Samstag, 27. Januar (11 Uhr – Info unter www.bn-passau.de), im Passauer Klostergarten, mit der der Agrarindustrie die Stirn geboten werden soll. Die PaWo sprach vorab mit Halo Saibold. parteifreie Kreisrätin und Grünen-Gründungsmitglied.

Was genau kritisieren Sie an der Agrarpolitik?

Die Agrarpolitik – die EU gibt jährlich 60 Milliarden Euro für den Agrarsektor aus – befriedigt in erster Linie die Interessen der Großbetriebe, der Nahrungsmittel- und Agrarkonzerne und subventioniert diese, anstatt auf die bäuerlichen Betriebe Rücksicht zu nehmen und deren Überleben zu sichern. Der Grundfehler besteht darin, dass die gleichen Anforderungen wie an einen Industriebetrieb auch an einen landwirtschaftlichen Hof gestellt werden, d. h. immer mehr Masse erzeugen und nur der Preis/Einkommen zählt. Dabei ist ein Hof – anders als ein Industriebetrieb – abhängig von Wetter, Bodenqualität, Jahreszeiten usw. Hier geht man mit lebendigen Wesen, Tieren und Pflanzen, um, die besondere Bedingungen an Haltung, Fütterung, Zuwendung und Umwelt stellen. Es kann nicht einfach „das Band schneller geschaltet werden“, damit die Rendite stimmt! Außerdem sollen die Bauern mit ihrer Arbeit gleichzeitig unsere Kulturlandschaft pflegen und erhalten – so wie unsere Kulturlandschaft, auf die wir alle stolz sind, geschaffen wurde. Dafür brauchen sie Anerkennung und finanzielle Belohnung.

Stichwort Massentierhaltung: Haben Sie Details?

Laut dem neuen Fleischatlas wurden 2017 in der Bundesrepublik 27,1 Millionen Schweine, 12,4 Millionen Rinder, 1,8 Millionen Schafe und 41 Millionen Legehennen gehalten. Dabei entstanden 208 Millionen cbm Gülle, Jauche und Gärreste, die dann auf Weiden und Äcker ausgebracht wurden! Bei uns ist z. B. in Ortenburg eine Geflügelanlage für 360000 Hennen geplant – doppelt so viel wie bisher! Das ist Massentierhaltung, die unter keinen Umständen mehr zeitgemäß ist und deshalb von Tier- und Umweltschützern und von großen Teilen der Bevölkerung strikt abgelehnt wird. „Quälfleisch“ und Eier aus tierquälerischer Massentierhaltung gibt es bei uns in den Supermärkten schon genug!

Glyphosat fand sich schon in Menschenblut

Wie gefährlich ist Glyphosat?

Glyphosat ist ein Totalherbizid, d.h. es vernichtet jede Pflanze – und ist deshalb so beliebt gegen Unkraut! Aber es vernichtet nicht nur die Pflanzen, sondern auch die Bodenlebewesen und entzieht damit auch den Tieren – vor allem den Bienen und Vögeln – die Existenzgrundlage, weil sie nichts mehr zum Fressen finden.

Die Meinungen der Wissenschaftler über die Gefährlichkeit gehen auseinander – aber das war beim DDT, Asbest und Atrazin nicht anders. Jahrelanges Verlangen nach einem Verbot der gefährlichsten Stoffe führte – viel zu spät! – zum Verbot. Das DDT war dann schon in der Muttermilch (!), das Atrazin im Grundwasser und Glyphosat fand sich jetzt bereits im Blut von Menschen – da gehört es wirklich nicht hin!

Und genau deshalb muss es endlich verboten werden.

Die Politik sollte Bescheid wissen, warum tut sie nichts gegen Glyphosat?

Weil es dabei um sehr viel Geld und Geschäft geht und Regierungen bei uns und woanders nicht den Mut haben, gegen die Interessen von weltweit tätigen Konzernen zu handeln. Darauf wird Rücksicht genommen, anstatt die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt zu schützen! Außerdem sind die politischen Förderkriterien nur auf „Wachstum“ ausgerichtet. In Ausbildung, Lehre und Forschung wird seit vielen Jahren hauptsächlich die Betriebswirtschaft gelehrt – da spielt das Einkommen eine größere Rolle als das Befinden von Tieren und Pflanzen oder die Bodenfruchtbarkeit und das Grundwasser. Deshalb glauben viele Landwirte eben, dass es nicht „ohne“ geht!!! Der Bioanbau, der ja zeigt, dass mit der Natur besser gearbeitet werden kann, wird immer noch verteufelt und ist, angeblich, nur eine Sache von „Spinnern“!

Industriekost: Welche Gefahren birgt sie?

Wir Menschen sind Lebewesen, die frische, natürliche Lebensmittel zur Gesunderhaltung brauchen. Die heute meist angebotenen Nahrungsmittel sind hochbearbeitet und lange lagerfähig, denn darauf kommt es dem globalen Handel an – nicht auf unsere Gesundheit! Leichte Handhabbarkeit, gute Lagerfähigkeit und leichte Zubereitung – um unseren Hang zur „Bequemlichkeit“ entgegenzukommen – sowie niedrige Preise sind wichtiger als unsere Gesundheit. Das sieht man an der steigenden Zunahme an resistenten Keimen und von Zivilisationskrankheiten, die trotz dem zunehmenden Lebensalter der Menschen nicht verschwiegen werden dürfen.

„Unser Bemühen zeigt langsam Erfolge“

Was hat sich bereits zum Guten gewendet und wo ?

Ernährung ist inzwischen in fast aller Munde – bis hin zu den Kindergärten! Das ist sehr erfreulich. Der Biolandbau, der Naturkosthandel, aber auch die Bauernmärkte und Direktvermarkter zeigen, dass es anders geht. Die wachsende Nachfrage stärkt diese Wirtschaftszweige und die regionalen Betriebe und Geschäfte. Unser jahrelanges Bemühen, ein Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Anbau, Verarbeitung, Ernährung und Gesundheit zu schaffen, zeigt allmählich Erfolge! Allerdings muss sich noch das Bewusstsein durchsetzen, dass gesund erzeugte Lebensmittel eben auch einen etwas höheren Preis erzielen müssen.

Was kann der Einzelne tun?

Den Unmut über die ganze Situation kundtun – in Leserbriefen, Schreiben an Bauernverband/Ministerien und auf die Demo „Wir haben es satt – auch in Niederbayern“ am 27. Januar gehen! Ansonsten jeden Tag nach Möglichkeit bio, regional, fair und saisonal Gemüse, Obst und sonstige Produkte kaufen und weitgehend selber kochen. Es macht Spaß und stärkt das Selbstbewusstsein!

Passau