Klimawandel verändert unsere Heimat
Niederbayern wird zur Obstanbauregion der Zukunft

30.08.2018 | Stand 13.09.2023, 2:57 Uhr
Alexander Schmid
−Foto: Foto: Schmid

Der Klimawandel geht nicht spurlos an Niederbayern vorüber. Er wird den Bezirk tief greifend verändern. Wie, das lässt sich zum Teil schon jetzt sehen. Die Fischproduktion wird drastisch zurückgehen. Es bieten sich aber auch Chancen durch die Klimaerwäremung, für den Obstbau zum Beispiel.

LANDSHUT Der Baum hängt voller Äpfel. Es sind so viele, dass sich die Äste nach unten biegen. Nicht viel anders sieht es bei den Birnbäumen wenige Meter weiter aus. Der Extrem-Sommer 2018, er hat seine Spuren in Deutenkofen hinterlassen. „Wir sind eine verkannte Obstanbauregion“, sagt Hans Göding, der den Lehr- und Beispielbetrieb für Obstbau im Landkreis Landshut leitet. Am Mittwoch hatte Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich dorthin zu einer Pressekonferenz geladen. Der Grund: Der Klimawandel wirkt sich mittlerweile erheblich auf die Landwirtschaft in Niederbayern aus. Das bietet Chancen, wie zum Beispiel in der Nische Obstanbau. Es gibt aber auch Schattenseiten. Viele Fischerzeuger streichen angesichts der Wetterextreme die Segel.

„Die Fischproduktion in Niederbayern wird in Zukunft sicher zurückgehen“, sagt Jörg Illing. Er ist der Berater des Fischerzeugerrings Niederbayern und schilderte auf der Pressekonferenz die zum Teil drastischen Auswirkungen des Klimawandels, der sich seit etwa zehn Jahren „schleichend“ bemerkbar mache. Heuer allerdings ist die Situation extrem. Vor allem den Forellen, die in Fließgewässern leben und zu den Salmoniden gehören, machen lange Dürreperioden wie heuer zu schaffen. „Wenn das Wasser immer weniger und immer wärmer wird, dann ist das Gewässer für die Fischart irgendwann nicht mehr tragbar“, so Illing. Den Grund erklärt Dr. Stephan Paintner, Leiter der Fischereifachberatung des Bezirks: „Durch die steigende Temperatur nimmt die Menge an Sauerstoff im Wasser immer weiter ab.“ Den Fischen wird so ihr Lebensraum entzogen.

Die Folge: Viele Flächen werden deshalb stillgelegt, weil einfach kein Wasser mehr vorhanden ist, um sie zu betreiben. Liegen sie aber erst einmal brach, werden sie in den seltensten Fällen reaktiviert.

„Uns fehlt nicht nur der Schnee im Winter, der ins Grundwasser geht“, so Illing. Ein großes Problem sei auch, dass das Wasser immer häufiger schubweise komme. „Das ist kurz da, nimmt die ganzen Fische mit und wenn keins mehr da ist, ist es auch schon egal. Die Fische sind ja dann weg.“

Bei den Karpfen sehe es immerhin noch etwas besser aus. „Da ist der Klimawandel prinzipiell erst einmal nicht schädlich“, so Illing. Die Betriebe, die genügend Wasser zur Verfügung hätten, würden heuer ein „Superjahr einfahren“. Alle anderen hätten zwei große Sorgen: „Entweder die Fische sind sowieso kaputt gegangen oder sie müssen sehr früh abfischen. Das führt dazu, dass die Fische eine „falsche Marktgröße haben und kaum zu vermarkten sind.“ Dazu kommt das Problem, dass das Wasser in den Karpfenteichen viel zu früh warm wird. „Das hat heuer zu großen Ausfällen bei den Laichfischen geführt.“ Die Problematik werde sich noch verschärfen. Illings Prognose für die Zukunft: „Die Forellenproduktion werden wir ganz weit zurückfahren müssen und für die Karpfenproduktion fehlen uns die Flächen.“

Der Klimawandel hat aber nicht nur negative Auswirkungen, sondern bietet vor allem im Obstbau Chancen – wenn man die Wetterextreme in den Griff bekommt. „Meine Bäume haben sich sehr gut entwickelt“, sagt Daniel Dorfmeister aus dem Landkreis Deggendorf. Der junge Landwirt hat heuer mit dem Obstbau begonnen und das Glück, einen eigenen Brunnen zu besitzen, um seine 2.400 Apfelbäume zu bewässern. Die jungen Pflanzen hätten zwar viel Wasser beansprucht, schlussendlich hätten sich die Bäume sehr gut entwickelt. „Ich habe praktisch keine Ausfälle.“ Die Klimaentwicklung sehe „ich mehr als Chance“. Dazu kommt, dass der Einzelhandel verstärkt auf Produkte aus der Region setzt, weil das beim Verbraucher gut ankommt. In Zeiten des Klimawandels legen viele Menschen wert darauf, dass die Transportwege kurz sind. Er sei bereits mit großen Supermarktketten in Verhandlung.

„Das warme Wetter ist eher ein Vorteil, wenn man bewässern kann“, bestätigt auch Alfons Vilser, Bio-Obstbauer aus Alteglofsheim. Der Temperatur-Unterschied zu Meran, dem klassischen Obstanbaugebiet, sei gar nicht mehr so groß. Ein Südtiroler Kollege habe zu ihm bereits gesagt, dass „Niederbayern eine Obstanbauregion der Zukunft ist.“ Ein weiterer Vorteil der trockenen Witterung: Pilzkrankheiten sind heuer praktisch kein Thema. Das Problem seien eher die anderen Effekte des Klimawandels. „Wir haben deutlich mehr Kosten durch die notwendigen Hagelnetze und die Frostschutzberegnung die notwendig wird, weil die Blüte immer früher stattfindet und es trotzdem noch zu Spätfrösten kommt.“

„Der Klimawandel macht sich in den verschiedenen Bereichen bemerkbar und wird das Gesicht Niederbayerns verändern“, so Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich. Dieser Veränderung wolle man nicht nur zusehen, sondern dazu beitragen „die Dynamik etwas zu reduzieren.“ So wurde ein Klimaschutz-Teilkonzept für die eigenen Liegenschaften im Jahr 2017 auf den Weg gebracht, um deutliche Mengen an Kohlendioxid und Energie einzusparen. Bei den 28 Gebäuden des Bezirks – dazu gehört unter anderem der fischereiliche Lehr- und Beispielbetrieb in Lindbergmühle – können jährlich rund 940 Tonnen Kohlendioxid und bis zu 400.000 Euro eingespart werden. „Als Bezirk haben wir eine Vorbildfunktion, der wir nachkommen. Trotzdem müsse sich jeder seiner Verantwortung bewusst sein und dürfe sich von den vielen Negativschlagzeilen nicht lähmen lassen. Heinrich: „Jeder einzelne hat gewaltige Macht als Konsument.“ Soll heißen: In Zukunft darauf achten, dass beim Einkauf Produkte aus der Heimat im Einkaufswagen landen. Äpfel zum Beispiel.

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