Mehr Kompromissbereitschaft
„Wasserkraftanlagen dort ermöglichen, wo sie ökologisch verträglich sind“

05.07.2018 | Stand 31.07.2023, 2:47 Uhr
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Die Interessen von Wasserkraftbetreibern und Fischereiverband gehen oft weit auseinander, eine Einigung zu finden, ist deshalb in der Praxis für die beteiligten Behörden nicht leicht. Kürzlich gab Umweltminister Dr. Marcel Huber bekannt, dass die Neuregelung des Mindestwasserleitfadens, an dem das Ministerium gearbeitet hatte, vorerst gestoppt ist – zahlreiche Betreiber von Wasserkraftanlagen waren dagegen Sturm gelaufen.

NIEDERBAYERN Der Grund: Die Neuregelung hätte die Restwassermenge, die im Gewässer zum Schutz der Fische verbleiben muss, fast verdoppelt und für viele Anlagen das wirtschaftliche Aus bedeutet. „Ich begrüße, dass die Neuregelung in dieser Form nicht in Kraft tritt und nochmals darüber verhandelt wird“, so Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, der mit der Fischereifachberatung, die beim Bezirk angesiedelt ist, häufig mit dem Thema konfrontiert ist. Denn Heinrich ist der Ansicht, dass man Wasserkraft nicht „reflexartig“ ablehnen sollte, sondern im Einzelfall die ökologische Verträglichkeit konstruktiv geprüft und ein „gangbarer Weg“ gesucht werden müsse. Durch Modernisierung von alten Anlagen und dort, wo ökologisch verträglich, auch Neubauten, könnten kleine Wasserkraftwerke eine „lokale Wertschöpfung ermöglichen und einen wichtigen Beitrag zu einer ökologischen und dezentralen Stromversorgung leisten – vor allem im Bayerischen Wald“. Schließlich sei die Energiewende ein erklärtes Ziel der Politik, so Heinrich.

Die Zahlen aus allen niederbayerischen Landkreisen belegen hingegen, dass gerade Neubauten eine Seltenheit geworden sind. Insgesamt gibt es rund 800 Wasserkraftanlagen in Niederbayern, die derzeit in Betrieb sind. In den vergangenen 20 Jahren wurden 14 neu gebaut, während 225 den Betrieb eingestellt haben.

Um in der Öffentlichkeit auf moderne, funktionierende Systeme hinzuweisen, bei denen sich Wasserkraft und Gewässerökologie nicht ausschließen, sondern beide Belange gleichermaßen berücksichtigt werden, besuchte Heinrich jüngst zwei Anlagen. Am Stausee Ebenreuth bei Thurmansbang (Landkreis Freyung-Grafenau) hat der 28-jährige Michael Miedl eine neue Wasserkraftanlage gebaut, die mit einem Jahresertrag von 72.000 Kilowattstunden den Stromverbrauch von über 20 Durchschnittshaushalten deckt. Da der Pegel des Stausees unverändert bleibt und nur das Wasser entnommen wird, das am anderen Ende über einen Bach zufließt, unterstützte sogar der örtliche Fischereiverein das Projekt.

Gemeinsam mit Vertretern des Wasserwirtschaftsamtes Deggendorf stand vergangene Woche nun die Besichtigung einer Anlage in Theresienthal (Landkreis Regen) an – auch dort handele es sich laut Heinrich um ein „Musterbeispiel“, wie Energiegewinnung und Naturverträglichkeit gleichermaßen realisiert werden können. Seit sieben Jahren läuft die Anlage nun schon, die der 32-jährige Randolf Ditz als Ersatzbau für das an eine Glashütte angeschlossene Kraftwerk geplant hatte, letztlich aber aufgrund besserer Höhenausnutzung den Standort auf dem Gelände verlegte. Sie produziert 1,2 Millionen Kilowattstunden pro Jahr und kann damit bis zu 300 Haushalte versorgen. Die Eigennutzung unter anderem für das angeschlossene Glasmuseum ist dabei nicht eingerechnet. „Da die Eigennutzung von Wasserkraftstrom bislang noch nicht in die Statistiken einfließt, ist auch das Argument der Wasserkraftgegner, die Wasserkraft würde nur rund 3% der Stromerzeugung in Deutschland betragen und sei deshalb verzichtbar, so nicht korrekt“, betonte Heinrich. In Bayern bildet die Wasserkraft mit über 15 Prozent der Bruttostromerzeugung die stärkste Säule bei den erneuerbaren Energien und der nicht erfasste Eigennutzungsanteil der kleinen Wasserkraft ist dabei noch nicht eingerechnet. Denn gerade die kleinen Anlagen versorgen meist seit jeher einen angegliederten mittelständischen Wirtschaftsbetrieb wie Sägewerke oder Mühlen.

Eine Besonderheit der Anlage in Theresienthal ist die Art des Fischpasses, der den Fischen den Auf- und Abstieg im Gewässer ermöglicht. „Wir haben ihn im Grunde einem natürlichen Bach nachempfunden, mit unterschiedlich großen Steinen und Ruhe- sowie Beschleunigungszonen“, erklärt Planer Christoph Pfeffer. „In dieser Form würde das heute aber nicht mehr genehmigt, denn mittlerweile sind exakt genormte Schlitze in Höhe und Breite für den größten anzunehmenden Fisch anzulegen“, so Pfeffer, der keinen Hehl daraus macht, dass er das für unsinnig hält. „Der Zustand dieses Gewässers ist seit dem Bau der Anlage sogar besser geworden.“ Und Anlagenbetreiber Ditz, der selbst leidenschaftlicher Fischer ist, hebt hervor, dass nach dem Bau des Fischpasses flussaufwärts sogar erstmals der Huchen nachgewiesen wurde. Grundsätzlich stimmt auch der örtliche Fischereivereinsvorsitzende zu, dass die heutige Situation besser ist als vor dem Neubau. „Allerdings hätten wir durchaus noch einige Anliegen gehabt, die leider nicht umgesetzt wurden“, so Markus Denzer, der auch betont, dass er der Linie des Landesfischereiverbandes folgt und strikt gegen neue Anlagen im Allgemeinen ist. „Ein Wasserkraftwerk ist immer ein Eingriff, ohne wär’s uns natürlich lieber.“

Im Falle dieser Anlage am Großen Regen bestätigt der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Deggendorf, Michael Kühberger, dem Gewässer einen nachgewiesenen „biologisch guten Zustand“. Seiner Behörde sei im Genehmigungsverfahren stets an Objektivität und konstruktiver Interessensabwägung gelegen, was auch Olaf Heinrich so sieht. Und auch Michael Miedl lobte die Unterstützung seitens des Wasserwirtschaftsamtes. „Ohne diese Hilfe hätte ich bei all den unterschiedlichen Wasserrechtsanforderungen meine Anlage nicht gebaut.“

Was den künftigen Mindestwasserleitfaden betrifft, gehen die Erwartungen auseinander. „Es waren in dem Entwurf gute Ansätze enthalten, etwa, dass die Struktur der Mindestwasserstrecke berücksichtigt werden soll sowie auch im Einzelfall eine dynamische Gestaltung der Restwassermengen abhängig von den Laichzeiten der Fische ermöglicht wird“, so Dr. Albin Schramm, Abteilungsleiter beim Wasserwirtschaftsamt für die Landkreise Freyung-Grafenau und Regen.

Der Mehraufwand bei Einzelfallprüfungen im Wasserrechtsverfahren sei angesichts der wenigen Anträge zu schultern. Ingenieur Christoph Pfeffer plädiert für die Beibehaltung der alten Restwasservorgaben, die nach Prüfung in einem Naturversuch nach oben oder unten angepasst werden sollten. „Das Ergebnis wird am Ende wohl in der Mitte liegen“, glaubt Michael Kühberger, der aber auf eine baldige Lösung hofft: „Wir brauchen eine konkrete Arbeitsgrundlage.“ Im Moment könnten sich in einem Wasserrechtsverfahren alle Fachstellen zu allem äußern, so dass für den Antragsteller viele unterschiedliche und kaum zu erfüllende Forderungen zusammenkommen. „Besser wäre es, die Zuständigkeitsbereiche besser abzugrenzen.“ Das sieht auch Bezirkstagspräsident Heinrich so. „Vor allem aber brauchen wir bei diesem Thema in Zukunft ein stärkeres Aufeinanderzugehen von beiden Seiten, statt Schwarz-Weiß-Denken.“

Kelheim