Erfolgreicher Artenschutz
Der Waldrapp ist nur noch gefährdet

28.11.2018 | Stand 31.07.2023, 16:04 Uhr
−Foto: n/a

Der auch in Burghausen brütende Zugvogel wurde in der Roten Liste gefährdeter Tierarten von der höchsten Bedrohungsstufe critically endangered auf nur noch endangered herabgestuft

BURGHAUSEN. Zugvögel sind eine der bedrohtesten Tiergruppen der Erde. Durch die jährlichen großräumigen Ortswechsel sind sie in besonderem Maß von Umweltveränderungen, Lebensraumzerstörung und Jagd betroffen. Bereits ein Viertel aller Zugvogelarten ist in seinem Bestand gefährdet und daher in der Roten Liste eingetragen. Dazu gehört auch der Waldrapp (Geronticus eremita), der seit 1994 in der höchsten Bedrohungsstufe critically endangered gelistet war. Das hat sich nach 24 Jahren geändert. Im August 2018 konnte er auf endangered herabgestuft werden.

Der Grund für die Herabstufung war insbesondere die positive Entwicklung der letzten wild lebenden Population in Marokko. In den 90er Jahren sank der Bestand auf nur mehr 59 Brutpaaren. Inzwischen sind es wieder 147 Brutpaare, mit 170 flüggen Jungvögeln in diesem Jahr. Zudem wurden im vergangenen Jahr erstmals Brutversuche außerhalb des Brutareals beobachtet. Dieser Erfolg ist insbesondere den marokkanischen Behörden zu verdanken, die sich sehr für den Schutz der beiden Kolonien einsetzen. Aber es ist auch ein Erfolg verschiedener internationaler NGOs, die sich in Marokko engagieren.

Die marokkanische Population weist allerdings nicht mehr das arttypische Zugverhalten auf. 2013 verschwand das letzte Individuum einer syrischen Brutkolonie, die in Äthiopien überwinterte. Damit war der Waldrapp als Zugvogel in freier Wildbahn gänzlich ausgestorben. Aber auch das hat sich zum Positiven geändert. Im Rahmen eines laufenden Europäischen LIFE Projekts wird der Waldrapp wieder als Zugvogel angesiedelt. Dafür werden Jungvögel aus Zookolonien ausgewildert. Es ist generell der erste Versuch, eine Zugvogelart samt neuer Zugtradition wieder anzusiedeln.

Johannes Fritz, Leiter des LIFE Projektes: „Dreizehn Jahre haben wir uns auf die Wiederansiedlung in Europa vorbereitet. Nun konnte unser Team im Rahmen des LIFE Projektes innerhalb von nur fünf Jahren bereits einen Bestand von mehr als 100 wild lebenden Waldrappen aufbauen und eine neue Zugtradition gründen. Es gibt für den Waldrapp auch in seiner arttypischen Lebensweise als Zugvogel wieder positive Zukunftsaussichten. Das ist ein großartiger Erfolg!“

2018 war ein Rekordjahr für das LIFE Projekt. In den beiden Brutgebieten, Burghausen in Bayern und Kuchl in Salzburg, wurden in diesem Jahr 26 Jungvögel flügge. Weitere 6 Jungvögel aus dem Zoo Zürich und dem Tierpark Rosegg in Kärnten wurden hinzugesetzt, um die genetische Variabilität zu erhöhen. Diese Jungvögel folgten im Herbst ihren Artengossen in den Süden. Zudem wurden 29 Jungvögel aus Zoohaltungen von menschlichen Zieheltern aufgezogen. Sie folgten zwei Ultraleicht-Fluggeräten von Überlingen am Bodensee, Baden Württemberg, aus in das Wintergebiet. Mit diesen 61 Jungvögel ist die wild lebende Population in diesem Jahr auf 105 Tiere angewachsen, trotz erheblicher Verluste.

Projektleiter Johannes Fritz: „Der weltweite Artenschwund ist dramatisch. Gerade wurde mit der Rostkehl-Kampfwachtel eine Vogelart als in Europa ausgestorben gelistet. Umso wertvoller sind Erfolgsnachrichten, wie jene für den Waldrapp. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese Art gefährdet bleibt. Es bedarf weiterer intensiver Bemühungen, um das Überleben der Waldrappe nachhaltig zu sichern, in Marokko, Europa und andernorts.“

Die marokkanische Population ist zu mehr als 95 % auf zwei Kolonien an der Atlantikküste konzentriert. Das birgt die Gefahr, dass der gesamte Bestand durch eine Naturkatastrophe, Krankheiten oder auch als Folge des Klimawandels erlischt, zumal das fehlende Zugverhalten vermutlich auch die ökologische Flexibilität der Population einschränkt.

Die migrierende Population in Europa ist noch nicht selbstständig überlebensfähig. Jedes Jahr müssen noch Jungvögel aus Zoohaltungen ausgewildert werden. Zudem sind Maßnahmen gegen illegale Vogeljagd und Stromtod an Mittelspannungsmasten notwendig, um das Überleben der Population nachhaltig zu sichern. Auch die Wiederansiedlung einer weiteren nicht-ziehenden Waldrapp-Population in Andalusien erfordert noch die jährliche Freilassung von Jungvögeln aus Zoohaltungen.

Das aktuelle LIFE Projekt läuft bis Ende 2019. Das Projektteam arbeitet aktuell am Antrag für eine zweite Förderperiode ab 2020. Bis Mitte der 20er Jahre sind weitere Freilassungen und begleitende Maßnahmen geplant. Dann soll die europäische Population aus eigener Kraft weiter überleben.

Johannes Fritz: „Unser Ziel ist es, diese faszinierende Zugvogelart wieder nachhaltig zum Bestandteil der europäischen Fauna zu machen und sie in der Red List noch weiter herabzustufen. Zudem hoffen wir, dass die beim Waldrapp erfolgreich angewandten Methoden in Zukunft auch die Herabstufung anderer bedrohter Zugvogelarten ermöglicht.“

Altötting