Nazi-Verbrecher tot:
Wie KZ-Wärter Demjanjuk im Nachkriegs-Regensburg untertauchte

06.07.2017 | Stand 26.07.2023, 14:35 Uhr
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Der wegen Beihilfe zum Mord an tausenden Juden verurteilte Kriegsverbrecher John Demjanjuk ist tot. Demjanjuk hatte sich während des Krieges in Konzentrationslagern an Nazi-Greuel beteiligt, nach dem Krieg tauchte er in Regensburg unter und nahm dort eine neue Identität an.

REGENSBURG Der in der Ukraine geborene ehemalige KZ-Wärter starb am Samstag im Alter von 91 Jahren in einem Pflegeheim im Landkreis Rosenheim, wie die Polizei mitteilte. Demjanjuk war im Mai 2011 in München der Beihilfe zum Mord an 27.900 Juden im Vernichtungslager Sobibor schuldig gesprochen und zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

Demjanjuks Geschichte führt direkt in die Wirren der Nachrkriegszeit in Regensburg: Die Stadt war Dank des Einsatzes couragierter Regensburger, die mit ihrem Leben bezahlen mussten, von der Zerstörung durch die anrückenden Aliierten verschont geblieben. Ein Lager wurde eingerichtet, in dem sogenannte „Displaced Persons“, Menschen, die durch die Nazi-Zeit weitab ihrer Heimat kein Dach über dem Kopf hatten, in Baracken hausten. Demjanjuk nutzte offenbar diese Wirrnis und tauchte in Regensburg unter beziehungsweise nahm eine neue Identität an. In Regensburg heiratete Demjanjuk im Jahr 1949 auch seine Frau Wera und fand Arbeit als Lastwagenfahrer der US Truck Company 1049.

Demjanjuk wurde am 3. April 1920 in der Ukraine geboren - damals war sein Name noch Iwan. Die Nazis nahmen ihn im Frühjahr 1942 gefangen und sollen ihn als Hilfskraft in das Konzentrationslager Treblinka geschickt haben. In den Gaskammern von Treblinka wurden 1942 und 1943 etwa 800.000 Juden und Tausende Sinti und Roma umgebracht. 1943 wurde Demjanjuk dann zum Einsatz ins Lager Sobibor geschickt.

Kurz vor Kriegsende wurde Demjanjuk nach Flossenbürg versetzt, das in den letzten Kriegstagen ein Außenlager in Regensburg betrieb. Dann lief er zur Roten Armee über, was es ihm später ermöglichte, eine neue Identität anzunehmen.

Ende der 70er Jahre erkannten ehemalige KZ-Insassen in Demjanjuk "Iwan den Schrecklichen": der berüchtigte SS-Mann, der in Treblinka ihren Aussagen zufolge die Gaskammern bediente. Demjanjuk lebte zu dieser Zeit bereits in die USA. Seinen Vornamen hatte er von Iwan in John geändert. 1958 erhielt er die US-Staatsbürgerschaft.

1981 entzogen die Behörden Demjanjuk die US-Staatsbürgerschaft aufgrund der Vorwürfe zum KZ Treblinka. Einem von Israel gestellten Auslieferungsgesuch wurde 1986 entsprochen. Das Jerusalemer Bezirksgericht verurteilte Demjanjuk 1988 wegen in Treblinka verübter "Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen das jüdische Volk" zum Tode.

Nach sieben Jahren Haft wurde Demjanjuk von Israels Oberstem Gerichtshof aber freigesprochen, weil letzte Zweifel an seiner Identität nicht ausgeräumt werden konnten. Demjanjuk durfte wieder in die USA zurück. Seiner Auslieferung nach Deutschland hatte er sich jahrelang mit juristischen Mitteln widersetzt. Erst 2009 ordnete ein US-Gericht die Auslieferung an.

Das Urteil des Münchner Landgerichts gegen Demjanjuk war bis zu seinem Tod nicht rechtskräftig geworden. 

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