Down Under
Queenslands Norden ist Australien im Kleinformat

16.05.2022 | Stand 03.06.2022, 14:28 Uhr

Undara-Volcanic-Nationalpark - Der Undara-Volcanic-Nationalpark liegt im Landesinneren von Queensland. Undara bedeutet «langer Weg». - Foto: Verena Wolff/dpa-tmn

Hier finden Touristen alles, was Australien so spannend macht: Im Norden von Queensland gibt es Outback, Regenwald, das Great Barrier Reef und Ureinwohner, die die Heilkräfte der Natur erklären.

Aaron Port steht unter dem dichten Blätterdach. Seine dunklen Augen suchen nach Nestern in den Ästen, in denen sich grüne Ameisen niedergelassen haben. Kaum hat er sie gefunden, krabbelt es auch schon auf seinen Händen und Armen.

Aaron fängt eine der stattlichen Ameisen ein und bietet sie zum Probieren an: «Rein in den Mund damit und runterschlucken», sagt er. «Sie schmecken zitronig.» Doch viel wichtiger als ihr Geschmack ist die erhoffte Wirkung: Die grünen Ameisen sollen Halsschmerzen und Erkältungssymptome vertreiben.

Der Mann gibt auf dieser Tour das Wissen weiter, das er von Generationen seiner Vorfahren gelernt hat. Er gehört zu den Kuku Yalanji, den Aborigines, die im tropischen Norden Queenslands leben - dort, wo der jahrtausendealte Regenwald auf das Meer trifft.

Palmenblatt gegen Kopfweh

Aaron, der in der Sprache seines Volkes Kalkadudu heißt, kennt viele Pflanzen, die bei der Behandlung verschiedener Leiden helfen.

«Sea Lettuce», Meersalat, heißt ein meterhoher Busch mit großen hellgrünen Blättern, der direkt am Wonga Beach nördlich von Port Douglas wächst. Seine Blätter kühlen sonnenverbrannte Haut.

Das schmale, längliche Blatt einer Schraubenpalme, das auf der Innenseite rau ist, bindet man mit einer Schnur um den Kopf und geht seinen normalen Aufgaben nach. «Diese raue Textur wirkt wie eine Massage, Kopfweh verschwindet dadurch.»

Der Regenwald sei voller Pflanzen, die bei Leiden und Erkrankungen helfen können, sagt Aaron. Die Walkabout Tours, die in der Umgebung von Port Douglas von Ureinwohnern geleitet werden, bieten einen guten Einblick in die Heilkraft der Büsche, Bäume und Sträucher, die in dem Tropenklima so üppig wachsen.

Per Gondel durch den ältesten Regenwald der Welt

Besonders gut können Besucher die satte Natur sehen, wenn sie mit dem Skyrail von Cairns aus unterwegs sind - einer Gondelbahn, die über den Baumwipfeln des Regenwalds entlang schwebt.

Er soll vor 135 Millionen Jahren entstanden sein und gilt als ältester tropischer Regenwald des Planeten. Die Unesco hat ihn aus diesem Grund schon in den achtziger Jahren zum Welterbe erhoben.

Am Red Peak, der ersten Station der Gondel, führt ein Pfad durch den dichten Wald. Alles scheint in alle Richtungen zu wachsen. Im Kampf ums Sonnenlicht suchen sich die Pflanzen eben ihren Weg. «Jeder muss sehen, dass er Wachstumssieger wird», sagt Marni Cadd von Skyrail.

Am zweiten Halt bietet sich ein grandioser Ausblick auf die Barron Falls. «Din Din» heißen sie bei den einheimischen Djabuganydji und gelten schon seit Jahrtausenden als heilige Stätte. In der Regenzeit zwischen Dezember und März schwellen die Barron Falls zu einem üppigen Wasserfall an. Den besten Blick haben Besucher vom Boardwalk, der von der Gondel zur Schlucht führt.

An der letzten Seilbahnstation in Kuranda spielt nicht mehr der Regenwald die Hauptrolle, sondern der eklektische Ort selbst: eine Mischung aus Hippie-Oase und Instagram-Spot.

Jahrtausendealte Lavatunnel in Undara

Im Landesinneren, 250 Kilometer südwestlich von Cairns, herrscht das Kontrastprogramm zum Regenwald.

Hier wartet der Undara-Volcanic-Nationalpark, oder auch: das «Undara-Erlebnis». So bewerben es jedenfalls die Landbesitzer. Und ein Erlebnis ist es, von der Fahrt von Mareeba über viele Kilometer durchs Nichts bis hin zu den Lava-Höhlen, die sich hier vor Jahrtausenden gebildet haben.

Der Wald verschwindet, stattdessen sind nur noch vereinzelte Eukalyptusbäume, Gräser, karge Büsche und riesige Termitenhügel zu sehen. Die Erde wird sandiger und röter - so, wie im lebensfeindlichen Outback.

Sonya Fardell geht mit Besucherinnen und Besuchern auf Erkundungstouren, denn die sandigen Wege durch die Savanne sind nicht öffentlich. Und in den Höhlen sollte man sich auch auskennen. «Sie sind entstanden, als die letzten Vulkane hier ausgebrochen sind.»

190 000 Jahre ist das her. Die Lava floss durch die Flussbetten, darunter entstanden Höhlen, durch die der heiße Stein weiterfloss. Entstanden ist ein 160 Kilometer langes Höhlensystem. Nur in Undara ist der Zugang zu einigen Teilen so gut erschlossen, dass man wenige Hundert Meter in verschiedene Höhlenabschnitte spazieren kann.

Richtig spannend ist das, wenn sich die Nacht über die Savanne gelegt hat. «In den Höhlen leben Tausende Fledermäuse, die in der Dunkelheit aktiv sind», sagt Sonya. Sie ernähren sich von den Insekten, die hier rumschwirren - und sind wiederum Futter für Pythons und Braunschlangen, die um die Höhlen herum leben.

Beuteltiere auf dem Weg zum Frühstück

Früh am Morgen beginnt der Tag mit einem Bush-Brekkie, einem rustikalen Frühstück über offenem Feuer, so wie es die ersten Siedler mit ihren Rindern und Planwagen Mitte des 19. Jahrhunderts jeden Tag hatten. Der Kaffee kommt aus einer Blechkanne, fürs Toast ist jeder selbst zuständig. Die Scheiben werden in einem Metallgestell über dem Feuer gebräunt. Eine echte Herausforderung um sieben Uhr morgens.

Auf dem Weg aus dem Urlauber-Dorf zum Frühstücksplatz stehen die Chancen gut, das eine oder andere Känguru, Wallaby oder Filander im hohen Gras zu sehen. Immer wieder strecken die Beuteltiere neugierig die Köpfe. Und die Mamas haben nicht nur ein Jungtier im Schlepptau, sondern oft auch ein «Joey», ein Baby, im Beutel.

«Die Beuteltier-Mamas sind eigentlich dauerschwanger», sagt Margit Cianelli. Ihr gehört die Lumholtz Lodge in Upper Barron, gelegen auf dem Weg von Undara durch die Atherton Tablelands in Richtung Küste.

Wo kleine Beuteltiere aufgepäppelt werden

Die Schwäbin ist vor 50 Jahren nach Australien ausgewandert. Sie empfängt in ihrer Lodge Naturbegeisterte, die nah dran sein wollen an den Tieren. Direkt vor ihrer Terrasse beginnt der Regenwald.

Der scheint anders als im Norden um Port Douglas und Cairns. Riesige Bäume, kreuz und quer wachsende Äste, Ranken, die sich zwischen allem durchfädeln. Baumkängurus. Und: Jede Menge bunte Vögel, die es sich auf den Ästen vor der Terrasse gemütlich machen und gelegentlich an der Futterstation vorbeifliegen, um ein paar Kerne zu knabbern.

Auch in Margits Küche ist immer etwas los, denn die gelernte Tierpflegerin hat regelmäßig tierische Gäste da. In der Ecke neben der Küchenzeile stehen zwei warm gefütterte Säckchen mit weißen Punkten, in denen mehrere Filander- und Wallaby-Kinder leben.

An der Tür hängt eine weitere Stofftasche mit Loch, die aussieht wie Großmutters alter Klammerbeutel. Auch darin wachsen Tiere, die teils erst ein paar Tage alt sind. Sie alle sind entweder verletzt oder Waisenkinder, derer Margit sich angenommen hat.

Margit päppelt die Waisenhüpfer auf, die bei ihr im Haus unterwegs sind und gern von der Terrasse aus die Umgebung erkunden. «Wenn sie groß und stark genug sind, werden sie ausgewildert.»

Bei ihren Regenwald-Touren kommt den Tieren gelegentlich ein entfernter Verwandter unter, den es nur hier gibt: das Baumkänguru, auch Boongarry genannt. Erstmals beschrieben hat es der norwegische Naturforscher Carl Sofus Lumholtz vor etwa 100 Jahren.

Das Great Barrier Reef macht schwere Zeiten durch

Deutlich länger kennen die Aborigines an der Küste schon das Great Barrier Reef, das sich auf 2300 Kilometer Länge von Papua-Neuguinea bis nach Queensland erstreckt: Es besteht aus ungefähr 2900 einzelnen Riffen und 900 Inseln und gilt mit seinen zahlreichen Lebensräumen als eines der komplexesten Ökosysteme der Erde.

Das Riff durchlebt aber eine schwere Zeit. «Teile der Korallen sterben oder bleichen aus», sagt die Meeresbiologin Tess Concannon, die an Bord eines Schiffs über das Leben im Riff erzählt. Doch trotz der akuten Bedrohungslage ist einiges los im 27 Grad warmen Wasser in der Nähe von Green Island vor der Küste von Cairns, auch wenn es über Wasser Bindfäden regnet und der Wind für heftige Wellen sorgt.

Die verschiedensten Fische schwimmen in aller Ruhe von Koralle zu Koralle, allerdings ist das Wasser zu aufgewühlt, um ihnen in Ruhe zuschauen zu können. «Rund zehn Prozent aller auf der Welt bekannten Fische leben hier im Great Barrier Reef», sagt Tess.

Die Ureinwohner und das Meer

Schnorcheln oder Tauchen kann man im Riff an genau ausgesuchten Plätzen. Tess arbeitet beim einzigen Anbieter von Rifftouren, der von Aborigines geführt wird: «Dreamtime Dive and Snorkel».

Das Team ist gemischt, Ureinwohner und weiße Australier. Die gesamte Crew hat Spannendes zu erzählen. Über das Riff und die Bedrohungen des einzigartigen Ökosystems. Über traditionelle Techniken der Ureinwohner, etwa Feuer zu machen oder Körper zu bemalen.

Das Riff ist ein fester Bestandteil in der jahrtausendealten Geschichte der Ureinwohner, die hier am Südpazifik leben. So holt Brian Connolly, einer der Aborigines in der Crew, beim Schnorcheln ein dunkles Etwas aus dem Wasser. Es ist eine Seegurke. Nach denen haben die Ureinwohner hier getaucht und sie mit anderen Stämmen getauscht - gegen Nahrungsmittel, die das Land hergibt.

Denn in Queensland gibt es Dutzende Stämme der Ureinwohner. Sie alle leben nach eigenen Traditionen in und mit dem Land.

© dpa-infocom, dpa:220513-99-272521/2