Erziehung
Ab wann kann ich mein Kind alleine lassen?

12.05.2022 | Stand 13.06.2022, 17:39 Uhr

Schulkinder - Sind Schulkinder allein zu Hause, sollten Eltern vorab besprechen, wann und wie lange sie wo sind und wie sie oder eine Vertrauensperson erreichbar sind. - Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn/Illustration

Eine Frage, die Eltern entzweit: Die einen trauen ihrem Kind schon mit sechs zu, allein zu bleiben. Andere lassen selbst Teenager nicht unbeaufsichtigt. Eine Expertin gibt Entscheidungshilfen.

Mal eben kurz zum Bäcker, ein Yoga-Kurs oder eine Einladung ins Restaurant: Früher oder später stellt sich für Eltern die Frage, ob sie ihr Kind auch mal alleine zu Hause lassen können.

Sozialpädagogin Dana Mundt von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) kennt die Zweifel verunsicherter Eltern, die über die Onlineberatung der Organisation Hilfestellungen suchen. Und sie hat Antworten.

Frage: Ab wann können Eltern das Kind auch mal alleine lassen und wie lange?

Dana Mundt: Darauf gibt es keine Pauschalantwort. Grundsätzlich gilt ja nach Paragraf 1626, Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eine elterliche Aufsichtspflicht, wonach «Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem, verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen». Dort gibt es aber keine generellen Vorgaben. Aber es gibt gewisse Richtlinien aus Gerichtsurteilen, die eine Groborientierung sein können.

Danach sollte bis zum dritten Lebensjahr kein Kind zu keiner Zeit ohne Aufsicht sein. Ab dem vierten Lebensjahr sollte man immer mal nach 15 bis 30 Minuten in der Wohnung nach dem Rechten schauen, ab dem fünften Lebensjahr nach 30 Minuten auf einem nahen Spielplatz, auf den ich jederzeit ein Auge habe. Ab dem siebten Lebensjahr sind auch schon mal zwei Stunden allein zu Hause als Orientierung möglich.

Doch letztendlich sind Eltern die Experten, die ihr Kind am besten kennen und einschätzen können. Wichtig ist, die kindliche Entwicklung im Blick zu haben.

Eltern können früh die Selbstständigkeit ihrer Kinder fördern. Dazu gehört das Ausprobieren und Austesten und auch den Radius zu erweitern. Kinder sollten sich so schrittweise auch mehr zutrauen und ausprobieren können, um selbstständiger zu werden. Dabei ist jedes Kind anders und hat sein eigenes Tempo.

Frage: An was können Eltern festmachen, ob ihr Kind schon reif genug für den nächsten Schritt ist?

Mundt: Wichtig sind dabei Fragen, etwa ob ich es dem Kind zutraue. Erkennt es schon Risiken oder Gefahren? Wie reagiert es, wenn jemand beispielsweise klingelt oder anruft? Das kann man mit seinem Netzwerk aus Nachbarn, Großeltern, Freunden ausprobieren.

Eine weitere Möglichkeit ist, anfangs die Türklingel auszuschalten oder auch einer Nachbarin einen Ersatz-Sicherheitsschlüssel anzuvertrauen. So kommt das Kind nicht in die Situation, jemand Fremdem öffnen zu müssen.

Auch weitere Punkte sollten Eltern in den Fokus rücken: Wie steht es um das Verantwortungsbewusstsein des Kindes? Holt es Hilfe, wenn es sie braucht? Hält es sich an Absprachen? Sehr wichtig ist auch: Traut sich das Kind es selber zu? Oder hat es Angst und die Eltern würden es mit dem Alleinbleiben überfordern?

Wenn Eltern dann das Gefühl haben: Ja, mein Kind reagiert zum Beispiel sicher daheim und hält sich gut an Absprachen, dann kann ich es mal für einen begrenzten und abgesprochenen Zeitraum allein lassen. Was nicht geht, ist ein siebenjähriges Kind ohne vorherige Anbahnung einfach einen kompletten Abend alleine zu lassen, weil es doch nun Schulkind ist und es die Grobrichtlinie so ausweist. Dies wäre für mich ein absolutes No-Go.

Frage: Wie bereitet man das Kind auf das erste Mal Alleinbleiben vor?

Dana Mundt: Wichtig ist, mit dem Kind genau abzusprechen, wann man wie lange und wo ist. Es sollte durchgegangen werden, wie man erreichbar ist oder gegebenenfalls jemand anderes stellvertretend, etwa Oma, Nachbarin oder eine Bekannte.

Mit Vorschulkindern kann man vorher etwa besprechen: «Wenn der große Uhrzeiger ganz unten ist, bin ich wieder da.» An diese Absprache muss man sich dann aber unbedingt halten.

Wichtig ist auch ein Sicherheitsnetz, das aus Familie, Nachbarn und Freunden besteht. Das soziale Netzwerk sollte in der Nähe und schnell aktivierbar sein, wenn das Kind eine Frage hat. Es sollte auch schnell mal helfen können, wenn doch etwas für das Kind komisch ist oder es Angst bekommt. Für die Erreichbarkeit würde ich eine Schnellwahltaste am Telefon einrichten und das Kind immer fragen, ob es sich das auch zutraut und peu à peu die Zeitspanne vergrößern.

Auch eine Nachbesprechung ist wichtig. Da würde ich die Tochter oder den Sohn fragen, wie es für sie oder ihn war, allein zu bleiben. Ob es schwer fiel und was es gemacht hat. Darauf kann man dann das nächste Mal reagieren. Das gibt dem Kind Sicherheit.

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