Job-Protokoll
Wie arbeitet eigentlich ein Suchtberater?

28.08.2024 | Stand 28.08.2024, 0:12 Uhr |

Jens Klie, Sozialarbeiter und Suchttherapeut - Jens Klie ist Sozialarbeiter und Suchttherapeut in Ausbildung beim Caritasverband Südniedersachsen. - Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-tmn

Wenn das Warten auf den nächsten Drink das Leben bestimmt, können Suchtberater helfen, Auswege aus der Abhängigkeit zu finden. Dafür braucht es viel Empathie und einen guten Umgang mit Frust.

Wo das Leben zur Jagd nach dem Rausch wird, helfen sie: Suchtberater. Ob Drogen, Alkohol, Glücksspiele oder Medien – wenn der Konsum zur Gewohnheit wird, kann er gravierende Schäden anrichten. Suchtberater helfen dabei, Wege aus der Abhängigkeit aufzuzeigen. Und sie klären darüber auf, wie man sich vor Suchtkrankheiten schützen kann. 

Jens Klie ist Sozialarbeiter und Suchttherapeut in Ausbildung beim Caritasverband Südniedersachsen. Von der Prävention bis zur Therapie unterstützt er Menschen auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben. Im Job-Protokoll erzählt der 27-Jährige, warum es in seinem Beruf nicht nur auf Einfühlungsvermögen und Offenheit ankommt, sondern auch auf einen langen Atem.

Der Weg in den Beruf

In meiner Jugend habe ich einige Menschen kennengelernt, die anfingen, Substanzen zu konsumieren und beobachtet, was mit ihnen passiert. Ich begann, mich für die Menschen, ihre Geschichten und Hintergründe zu interessieren. Ich wollte wissen, wie Subkulturen funktionieren oder auch, wie Kriminalität und Substanzgebrauch zusammenhängen - und ich wollte der Frage nach dem Warum nachgehen. 

Dadurch bin ich zunächst zur sozialen Arbeit gekommen und habe ein Studium absolviert. Danach wollte ich mich weiterbilden und habe die Stellenausschreibung der Caritas entdeckt. Gerade mache ich eine dreijährige suchttherapeutische Weiterbildung. Solche berufsbegleitenden Weiterbildungen sind der klassische Weg in den Beruf. Es gibt aber vereinzelt auch zweijährige Masterstudiengänge, die auf Studienabschlüsse in sozialer Arbeit oder Pädagogik aufbauen.

Der berufliche Alltag

Einen klassischen Arbeitsalltag gibt es bei uns nicht, was ich super finde. Die Tage sind sehr abwechslungsreich – wie ein bunter Blumenstrauß. Wir beraten Klienten, Angehörige oder Firmen und schauen ganz individuell, welcher Bedarf besteht. 

Manchmal unterstützen wir zum Beispiel beim Erstellen von Reha-Anträgen. Oder wir legen weitere Gesprächstermine fest und machen mit den Klienten eine Suchttherapie. Dabei versucht man die Konsumgeschichte aufzuarbeiten. Man ergründet die Faktoren, die zur Suchterkrankung geführt haben könnten und schaut gemeinsam, wie man die Bedürfnisse des Klienten künftig anderweitig befriedigen kann.

Die Präventionsarbeit ist ein weiterer großer Teil unseres Arbeitsalltags. Wir gehen an Schulen oder Kindergärten und bieten Schulungen und Hilfestellung zu Themen wie Abhängigkeitserkrankungen oder psychischen Belastungskrisen an.

Schöne und weniger schöne Seiten

Sucht betrifft alle, unabhängig von sozialen, kulturellen oder finanziellen Hintergründen. Ich lerne eine Vielfalt unterschiedlicher Menschen kennen, das finde ich cool. Dabei lerne ich auch viel von meinen Klienten. Ich habe zwar viel theoretisches Wissen, aber die Theorie funktioniert nicht bei jedem gut. Dann muss man schauen, wie man mit den einzelnen Klienten arbeiten kann. Dabei nehme ich auch immer etwas für mich selbst mit.

Ich mag es, die Menschen in ihrem Entwicklungsprozess zu begleiten. Dabei lerne ich von ihrer Lebenserfahrung, bekomme aber auch Wertschätzung für meine Arbeit. Das schätze ich sehr an meinem Beruf.

Weniger gut gefällt mir das hohe Maß an Dokumentation und Schreibarbeit. Außerdem braucht es manchmal Ausdauer mit den Klienten. Ein Symptom der Suchterkrankung ist, dass die Menschen unsere Betreuung nicht immer akribisch wahrnehmen, sondern nur sporadisch erscheinen, da sie häufig fremdmotiviert in die Beratungsstelle kommen. Das zu akzeptieren, kann manchmal sehr herausfordernd sein.

Besondere Herausforderungen

Als Suchttherapeut erfahre ich viel von den Schattenseiten des Lebens meiner Klienten. Dazu gehören schwierige Themen wie sexuelle oder häusliche Gewalt. Es ist wichtig, darüber zu sprechen, um den Klienten bei der Verarbeitung des Erlebten zu helfen.

Aber das geht nicht spurlos an einem vorbei. Man sollte sich seiner eigenen Grenzen bewusst sein und gut für die eigene Psychohygiene sorgen. Als Suchttherapeut sollte man gut zuhören können, emphatisch und offen sein. Außerdem fordert der Beruf eine gewisse Ausdauer und Frustrationstoleranz.

Der Blick in die Zukunft

Der Beruf des Suchtberaters wird auch künftig relevant sein, denn konsumiert wird immer. Aber wir stehen neuen Fragestellungen gegenüber. So wird sich zum Beispiel zeigen, welche Folgen die Legalisierung von Cannabis haben wird. Ich bin außerdem gespannt, wie sich Verhaltenssüchte, etwa im Umgang mit Medien und Computerspielen, verändern werden.

Was die Finanzierung angeht, stehen wir ebenfalls vor Herausforderungen. Suchtberatungsstellen sind keine festgeschriebenen Leistungen in einem Sozialgesetzbuch. So müssen die Wohlfahrtsverbände immer wieder die Politik überzeugen, dass das Angebot weitergeführt wird. Leider werden suchtkranke Menschen noch immer stigmatisiert. Es wird behauptet, sie seien eigentlich selbst schuld an ihrer Lage. Der Kampf gegen diese Stigmatisierung gehört mit zu meinem Beruf.

Info-Kasten: Verdienstaussichten

Wie viel Suchtberaterinnen und Suchtberater verdienen, ist aber immer abhängig von Faktoren wie Arbeitgeber, Ausbildung und der Region. Die Bundesagentur für Arbeit gibt im Entgeltatlas für den Beruf Suchtberater/in ein mittleres monatliches Vollzeit-Bruttoentgelt (Median) von 4.222 Euro an. Das Gehalt von Suchtberatern liegt dabei in der Regel etwa auf dem Niveau von Sozialpädagogen, manche werden auch auf dem Niveau von Psychologen eingruppiert.

© dpa-infocom, dpa:240827-930-214937/1

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