Nahezu in allen Bundesländern fehlen Lehrkräfte. Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger sind vielerorts gefragt. Doch wie qualifiziert man sich dafür und für wen ist das eigentlich etwas?
Bundesweit fehlt an vielen Schulen gut ausgebildetes und engagiertes Lehrpersonal. Der Quereinstieg - einst als Notlösung gedacht - ist da mancherorts schon fast zum Normalfall geworden. Wer im eigenen Beruf unzufrieden ist oder mit einem Fachstudium keine Anstellung findet, kann Lehrerin oder Lehrer werden.
Doch wann bietet sich dieser Weg wirklich an? Welche Voraussetzungen müssen Quereinsteiger mitbringen? Und welche Fachrichtungen sind gesucht? Was Interessierte wissen müssen.
Quer- oder Seiteneinstieg - was ist der Unterschied?
Quer- und Seiteneinstieg sind nicht das Gleiche, auch wenn manche Bundesländer die Begriffe synonym verwenden. Quereinsteiger haben ein für das Lehramt relevantes Fach studiert, aber nicht auf Lehramt. Sie müssen einen Vorbereitungsdienst (Referendariat) absolvieren, um als Lehrkraft arbeiten zu können. „Mit der zweiten Staatsprüfung erhalten sie dann die volle Lehrbefähigung“, sagt Prof. Kai Maaz, Geschäftsführender Direktor des DIPF Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main.
Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger überspringen den Vorbereitungsdienst. „Sie erhalten eine berufsbegleitende Einstiegsqualifizierung und haben dabei einen Mentor an ihrer Seite“, erläutert Maaz.
Welche Voraussetzungen müssen Quer- wie Seiteneinsteiger mitbringen?
„Sie müssen in aller Regel einen Abschluss als Master of Science oder Master of Arts vorweisen können“, erklärt Sven Christoffer, Landesvorsitzender im Lehrkräfteverband lehrer nrw e.V. In Ausnahmefällen wird zumindest in Nordrhein-Westfalen auch ein Diplom-Abschluss akzeptiert. Soweit die formalen Voraussetzungen. Daneben sind aber auch andere Faktoren wichtig. Quer- wie Seiteneinsteiger müssen in der Lage sein, pädagogisch und psychologisch gut zu agieren. „Es geht darum, Kindern und Jugendlichen Wissen zu vermitteln und dabei einfühlsam vorzugehen“, sagt Christoffer.
Ist ein Quereinstieg an allen Schulformen möglich?
Ob und in welchem Umfang ein Quereinstieg möglich ist, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Interessierte können sich beim jeweiligen Kultus- oder Bildungsministeriums in ihrem Bundesland informieren. „Vor allem Grundschulen, teils auch Berufsschulen, suchen aktuell Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger“, sagt Maaz.
Dem Bildungsforscher zufolge kommen Quereinsteiger generell erst dann zum Zuge, wenn an einer Schule in einem der Fächer nicht genügend ausgebildete Lehrkräfte vorhanden sind. Jedes Jahr gibt es andere sogenannte Mangelfächer in den einzelnen Ländern. Oft sind die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) betroffen, teilweise sind es aber auch die Fächer Kunst oder Musik.
Wer einen Quereinsteig anstrebt, kann sich zum Beispiel auf dem Portal „Lehrer*in werden“ informieren, in welchen Bundesländern Bedarf an Lehrkräften für welche Schulen besteht. Das Angebot der Webseite „bildungsserver.de“ nutzt dafür eigenen Angaben zufolge Daten aus einer Erhebung der Kultusministerkonferenz (KMK).
Wie läuft ein Quereinstieg üblicherweise ab?
Am einfachsten finden Interessierte Informationen zum Quereinstieg auf der Website des Kultus- oder Bildungsministeriums des jeweiligen Bundeslandes. Dort sind in der Regel Links zu den Voraussetzungen und den Anträgen hinterlegt.
Wie lange dauert der Quer- oder Seiteneinstieg ins Lehramt?
Auch das unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. „Die Einstiegsqualifizierung für Seiteneinsteiger umfasst oft nur ein paar Wochen“, sagt Bildungsforscher Maaz. Das Referendariat dauert je nach Bundesland zwischen einem Jahr oder zwei Jahren. In vielen Ländern sind es anderthalb Jahre.
Wie sehen die Verdienstmöglichkeiten nach einem Quer- oder Seiteneinstieg aus?
Wer berufsbegleitend ein Referendariat absolviert hat, verdient nach dem Abschluss das Gleiche wie andere ausgebildete Lehrkräfte - abhängig vom Bundesland, der Schulform und der Berufserfahrung.
Angestellte Lehrkräfte werden in der Regel nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt. Laut Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit verdienen Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen im Mittel etwa 4600 Euro, an Gymnasien sind es 5549 Euro und an beruflichen Schulen 5410 Euro. Angegeben ist jeweils der Median - also der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt.
„Seiteneinsteiger verdienen deutlich weniger“, sagt Sven Christoffer. Der Grund ist, dass sie aufgrund fehlender Voraussetzung keine volle Lehrbefähigung haben. Oft kommen sie zum Beispiel nur als Vertretungslehrkräfte zum Einsatz.
Wie häufig kommen Quer- und Seiteneinsteiger bei der Besetzung von Lehrerstellen zum Zuge?
Nach der jüngsten Statistik der Kultusministerkonferenz (KMK) aus dem Mai 2023 wurde 2022 jede zehnte ausgeschriebene Stelle im Schuldienst mit einer Seiteneinsteigerin oder einem Seiteneinsteiger besetzt. Die Quote für den Seiteneinstieg belief sich deutschlandweit auf 9,4 Prozent. Bei Quereinsteigern betrug im Jahr 2022 die Quote 4,5 Prozent. Hier gibt es ebenfalls große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern.
Fachleute sehen den Seiten- und Quereinstieg bei Lehrkräften durchaus auch skeptisch. „Damit darf keinesfalls eine Deprofessionalisierungsspirale im Schuldienst einhergehen“, sagt Bildungsforscher Maaz. Fachlich und menschlich qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer seien wichtiger denn je, um junge Leute gut aufs Leben vorzubereiten.
© dpa-infocom, dpa:240208-99-911134/2
Artikel kommentieren