Warten, warten, warten
Lange Lieferzeiten für Neuwagen

09.12.2022 | Stand 09.12.2022, 13:40 Uhr

Gleich mitnehmen? - Ansehen, Probefahrt und gleich mitnehmen? Nicht immer ist der Neuwagenkauf aktuell in der Form möglich - mit längeren Wartezeiten ist bei einigen Modellen durchaus zu rechnen. - Foto: Sebastian Gollnow/dpa/dpa-tmn

Lieferzeiten von Neuwagen werden immer länger. Dafür gibt es viele Gründe. Kunden haben kaum Chancen das Warten zu verkürzen. Einige Dinge sollten sie aber beachten, wenn es länger als gedacht dauert.

Ein halbes Jahr, manchmal sogar ein Jahr oder zwei Jahre warten: Lieferzeiten bei Neufahrzeugen sind derzeit kaum abzuschätzen und werden gefühlt immer länger. Wer einen Neuwagen oder gar ein E-Auto beim Händler bestellt hat, muss vor allem eins: sich gedulden.

Wer ist von langen Wartezeiten betroffen?

Auf einige Modelle wie den Tesla Model Y oder den Mercedes-Benz EQS warten Kunden ab Bestellung rund fünf Monate, auf andere wie den Ford Explorer bis zu 22 Monate. Einige Modelle sind laut «Mo/ove» (Ausgabe 04/2022) gar nicht bestellbar. Das zeigt eine Übersicht, die das Fachmagazin für Elektromobiliät von «Auto, Motor und Sport» zu den Lieferzeiten von Elektrofahrzeugen und Plug-in-Hybriden erstellt hat. Demnach nehmen etwa Händler für Fiat 500 Elektro, Honda e oder Hyundai Kona Elektro gar keine Bestellungen mehr an.

Probleme bei der Lieferung von Neuwagen - was sind die Ursachen?

Ursachen dafür gibt es viele. Wichtige Teile für die Produktion fehlen, daher können die Autos nicht fertig gebaut werden. In manchen Werken kommt es zum Produktionsstopp. Lieferketten der Autoindustrie sind nicht nur wegen der Pandemie und daraus entstandenen Hafenschließungen nachhaltig gestört.

«Der Mangel an Vor- und Zwischenprodukten sowie die allgemeine Verunsicherung aufgrund des anhaltenden Krieges in der Ukraine wirken sich weiterhin dämpfend auf die Produktion aus», erklärt ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

Als Hauptgründe für die langen Lieferzeiten nennt Professor Stefan Bratzel neben dem Krieg in der Ukraine, auch die anhaltende Chipkrise in Taiwan. Der Direktor des Center of Automotive Management erklärt: «Die Chipkrise bleibt nach wie vor angespannt. Zu der generellen Knappheit gibt es durch zunehmende Vernetzung und deutlich mehr Elektrofahrzeuge einen deutlich höheren Bedarf», sagt Bratzel.

Nun fehlen wichtige Teile. Die Lieferengpässe werden noch eine Zeit lang anhalten. Denn die Ukraine habe bislang viele Bordnetzwerke wie Kabelbäume produziert. Aber auch Zulieferer in Russland versorgten Automobilhersteller in Europa und Asien lange mit Teilen. Gleichzeitig kam die Nachfrage nach E-Fahrzeugen für viele Hersteller schneller als gedacht.

Zudem bevorzugen manche Hersteller laut Bratzel höherpreisige Fahrzeuge bei der Produktion, mit denen sie höhere Margen erzielen können. «Das hat zur Folge, dass Kunden auf preiswertere Autos oder bestimmte Konfigurationen lange warten müssen», sagt Bratzel.

Welche Rechte haben Kunden bei Lieferverzögerungen?

Felix Flosbach, Jurist bei der Verbraucherzentrale NRW, sieht keine Möglichkeiten, die Lieferzeiten von bestellten Neuwagen zu beschleunigen. «Bei einem bereits geschlossenen Kaufvertrag wird meist eine unverbindliche Lieferzeit vereinbart, in seltenen Fällen einen verbindliche», sagt der Syndikusrechtsanwalt.

Der Unterschied: Bei einem verbindlichen Termin legt sich der Händler auf einen festvereinbarten Zeitpunkt fest, bei einer unverbindlichen undatierten Lieferzeit auf einen groben Zeitraum.

Einen gewissen Handlungsspielraum haben Verbraucher dennoch: «Kann der Händler aber auch in dem vereinbarten Zeitraum nicht liefern, kommt er in Verzug und der Kunde kann nach dem Zeitraum dagegen juristisch vorgehen», erklärt Flosbach.

Was nützt es, wenn Kunden Druck auf den Händler ausüben?

Oft weniger als erhofft. «Es ist ja nicht so, dass Händler keine Autos ausliefern wollen», sagt Christian Janeczek, Fachanwalt für Verkehrsrecht. «Auch wenn Kunden Druck auf den Händler ausüben, werden die Autos von den Herstellern nicht schneller gebaut», sagt Janeczek, der auch Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltverein ist.

Wenn die Lieferzeiten nicht eingehalten werden, sollten Kunden aber zumindest ihre Rechte und die dazugehörigen Fristen kennen. Janeczek nennt ein Beispiel: Steht im Kaufvertrag als unverbindlicher Liefertermin März 2023, kann der Kunde sich erst sechs Wochen danach an den Händler wenden. Also Mitte Mai den Lieferverzug feststellen und gleichzeitig dem Händler eine Frist von zwei Wochen setzen.

Die Frist zur Auslieferung setzen Kunden am besten per Einschreiben, rät Flosbach. In dieser Zeit muss der Händler liefern. Lässt er die Frist verstreichen, kann der Kunden je nach Umständen mögliche Schadenersatzansprüche stellen oder vom Kauf zurücktreten. «Der Rücktritt vom Kauf nutzt dem Kunden wenig, der auf das Auto angewiesen ist. Ratsamer ist es daher, den Händler zu fragen, ob ein anderes Fahrzeug früher verfügbar ist», sagt Flosbach.

Was können Autokäufer tun, die auf eine Neubestellung warten?

Die Experten raten vor allem zu Geduld. Felix Flosbach empfiehlt Kunden, Händler expliziert nach einer realistischen Lieferzeit zu fragen - unter Berücksichtigung der angespannten Lieferkette durch den Chipmangel, die Corona-Krise und den Krieg in der Ukraine.

Je spezifischer die Wünsche bei einem Modell zur Motorisierung, Farbe oder Ausstattung sind, desto länger könne es unter Umständen dauern. Professor Bratzel gibt daher zu bedenken: «Schneller geht es, wenn Interessenten zu bereits vorproduzierten Fahrzeugen greifen oder bei der Ausstattung Abstriche machen.»

Außerdem hilft es, wenn potenzielle Autokäufer - insbesondere bei einem unverbindlichen Liefertermin - vorausschauend planen. «Wenn möglich, sollten Autofahrer ihr bisheriges Fahrzeug nicht vor der Auslieferung des neuen Autos verkaufen», rät Fachanwalt Christian Janeczek. Denn Lieferzeiten bleiben derzeit unberechenbar.

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