Für Individualisten
Ein Wohnmobil gebraucht kaufen

05.08.2021 | Stand 02.09.2021, 15:30 Uhr

Was brauche ich genau? Reicht mir zum Beispiel ein kleiner «Bulli» für Gelegenheitsübernachtungen oder brauche ich eine großes Wohnmobil mit hohem Komfort?- Foto: Florian Schuh/dpa-tmn

Camping liegt seit Jahren im Trend. Neue Wohnmobile bieten Platz und Komfort, sind aber meist ziemlich teuer. Gebrauchte Fahrzeuge sind günstiger - dafür aber nicht ganz unproblematisch.

Unabhängig sein, von Ort zu Ort reisen, dabei immer im selben Bett schlafen und sich irgendwie zu Hause fühlen: Mit dem eigenen Wohnmobil ist das komfortabel möglich. Nicht erst, aber besonders seit Corona sind die fahrbaren Wohnungen beliebt. Neufahrzeuge kosten viel Geld, günstiger sind gebrauchte. Ganz einfach ist so ein Kauf aber nicht. Experten geben Tipps, wie Suchende ihre rollendes Traumzuhause finden.

Axel Sülwald rät Suchenden von Wohn- oder Reisemobilen, kurz Womos, zu einem Blick in lokale Tageszeitungen, Annoncenblätter, in die Fachpresse oder ins Internet. «Auch ein Tipp eines Bekannten, der schon ein Womo besitzt, hilft häufig bei der Suche», sagt der Redaktionsleiter von «Auto Bild Reisemobil». Vor dem Kauf sollten sich Interessenten erst einmal ein Wohnmobil mieten und es ausprobieren.

«Bevor jemand mehrere Zehntausend Euro für ein Fahrzeug ausgibt, sollte er sicher sein, dass ihm diese Art des Reisens und so ein Fahrzeug gefällt», so Sülwald. Neben professionellen Anbietern wie McRent bieten auch Privatpersonen auf Plattformen wie Paul Camper rollende Wohnungen zum Mieten an.

Was brauche ich überhaupt?

Und: Künftige Weltenbummler sollten sich überlegen, wohin sie mit ihrem Wohnmobil überhaupt fahren wollen. «Wer damit Städtereisen plant, sollte eines mit einer grünen Umweltplakette kaufen, sonst muss er Umwege in Kauf nehmen», sagt Thorsten Rechtien vom Tüv Rheinland. Ausgenommen sind Oldtimer mit einem historischen Kennzeichen - sie dürfen auch ohne Plakette in Umweltzonen fahren.

Für Daniel Rätz vom Caravaning Industrie Verband (CIVD) steht bei der Suche die richtige Größe des Fahrzeugs an erster Stelle. «Große Wohnmobile wiegen häufig mehr als 3,5 Tonnen und benötigen den Führerschein C1, wenn das Fahrzeug bis zu 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht aufbringt.» 85 Prozent aller in Deutschland zugelassenen Wohnmobile wiegen aber weniger als 3,5 Tonnen, dafür reicht der Führerschein der Klasse B.

Bei Händlern in der Umgebung werden Suchende seiner Einschätzung nach häufig fündig. Die Profis bieten eine große Auswahl, können als Experten beraten und eine Gebrauchtwagengarantie sowie weitere Serviceleistungen bieten. Oft verkaufen die Händler am Ende einer Saison auch ehemalige Mietfahrzeuge.

Das Wohnmobil wie eine Wohnung auswählen

Steht die Entscheidung, ein Fahrzeug zu kaufen fest, gilt es Anzeigen zu vergleichen, ein Gefühl für die Preise zu bekommen und sich bei einem passenden Angebot auf den Weg zu machen. Interessenten sollten die Mobile wie eine Wohnung aussuchen und besichtigen, rät Daniel Rätz. Stimmt die Aufteilung und gefällt die Inneneinrichtung? Auch die Sicherheit spiele eine Rolle: Bei vielen älteren Fahrzeugen kann es etwa sein, dass kein Beifahrer-Airbag und kein ESP verbaut ist.

«Je älter die Fahrzeuge, desto häufiger befinden sie sich im schlechten Zustand», sagt Axel Sülwald. Bei Fahrzeugen aus den 1990er-Jahren mit weit mehr als 150 000 Kilometern Laufleistung und unter 15 000 Euro sollten Interessenten genau hinschauen. Er rät dazu, einen Fachmann zur Besichtigung mitzunehmen oder das Fahrzeug bei einer Prüforganisation kontrollieren zu lassen. «Wie beim normalen Auto zählt auch bei Wohnmobilen die Kontrolle von Papieren und der Technik zur Pflichtaufgabe», so Sülwald. Die Historie müsse nachvollziehbar sein, Rechnungen, HU-Protokolle und andere Belege wie etwa Prüfprotokolle einer Gasanlage vorliegen.

Ein genauer Check steht an

Bei einem Kontrollrundgang ums Wohnmobil gelten ähnliche Vorgaben wie bei Autos. «Anhand einer HU-Checkliste lassen sich die einzelnen Baugruppen kontrollieren», sagt Thorsten Rechtien. Dazu zählen grob Beleuchtung, Auspuff, Bremsen, Elektrik, Fahrgestell, Motor, Fahrwerk, Lenkung, Reifen, Scheiben und Spiegel. Interessenten sollten mit einer Taschenlampe auch einen Blick unter die Motorhaube werfen, dort auf Undichtigkeiten achten.

Bei Wohnmobilen komme außerdem die Kontrolle von Aufbauten, Gasanlage und des Innenraums hinzu. «Entscheidend beim Kauf kann auch der Gesamteindruck im Innenraum sein. Wie sieht das Mobiliar aus, schließen noch alle Türen und Klappen? Ein modriger Geruch deutet auf Feuchtigkeit und eventuell dadurch entstandenen Schimmel hin», sagt Rechtien. Feuchtigkeit entstehe häufig über die Luftfeuchtigkeit beim Überwintern, wenn im Winterlager keine Lufttrockner verwendet wurden. Der Geruch lässt sich anschließend nur schwer entfernen. Generell rät er zur sorgfältigen Prüfung, schließlich wollen Besitzer mit einem Wohnmobil möglichst viel Zeit verbringen und damit viel erleben.

Feuchtes Sandwich

Rost am Unterboden und den Radläufen sei bei älteren Fahrzeugen ein großes Problem, ebenso wie Anfahrschäden an der Karosserie und Feuchtigkeitsschäden. «Wenn Fensterdichtungen porös oder falsch eingebaut sind oder Unfallschäden nicht sachgemäß repariert wurden, kann in die Karosserie Feuchtigkeit eindringen», sagt Axel Sülwald.

Bei älteren Womos bestehen die isolierten Wände aus einem Sandwich von Verkleidung, Holz und Styropor. Dringt in den Zwischenraum Wasser ein, kann das Holz faulen und die ganze Seitenwand muss getauscht werden. Je nach Alter des Fahrzeugs gleicht das einem wirtschaftlichen Totalschaden. Neuere Fahrzeuge mit Sandwichplatten-Bauweise bieten mehr Dichtigkeit und sind daher unproblematischer.

Auf zur Probefahrt und zum Expertencheck

Bei vielen Flickstellen, schwarz gestrichenem Unterboden, Basteleien an der Elektrik, geändertem Fensterformat sowie Schimmel an Matratzen und Verkleidung sollten Interessenten weiterziehen. «Gefährlich wird es außerdem, wenn an der Gasanlage gepfuscht wurde. Da darf nur ein Experte ran», sagt Sülwald. Unkundige können auch während der Probefahrt eine Prüfstelle für einen Gebrauchtwagen-Check anlaufen. Der Besitzer muss damit jedoch einverstanden und ein Termin mit der Prüfstelle im Vorfeld vereinbart worden sein.

Aber: Da viele Fahrzeuge weitgehend von Hand gebaut wurden und nicht die Qualität einer Großserie besitzen, unterscheidet sich die Qualität stark. «Ein bisschen klappern gehört bei Reisemobilen dazu», sagt Axel Sülwald. Daran sollten sich künftige Besitzer während der Urlaubstour gewöhnen.