Elektrisches Leichtfahrzeug
Autotest: Kann sich der Microlino im Stadverkehr behaupten?

25.08.2021 | Stand 10.11.2021, 11:44 Uhr

Kleiner als ein Smart und trotzdem nicht zu übersehen: Wegen des Miniformats und des charmanten Designs dürfte der Microlino einige Blicke auf sich ziehen.- Foto: Micro Mobility Systems AG/dpa-mag

Design von gestern, Technik für morgen - als Microlino feiert die legendäre Isetta ein Comeback als Elektroauto. Wer ihn fährt, muss zwar auf manche Standards anderer Kleinwagen verzichten, bekommt dafür aber ein Extra, das mit Geld kaum aufzuwiegen ist.

In den 1950er Jahren hat sie die Wirtschaftswunder-Welt mobil gemacht, und jetzt soll sie uns vor dem Mobilitätskollaps bewahren. Nach mehr als einem halben Jahrhundert feiert die Isetta bald ein Comeback als elektrischer Stadtflitzer:

Microlino heißt die wiedererweckte Knutschkugel, die eine Schweizer Familie auf der IAA in München zeigen und kurz darauf zu Preisen ab etwa 12.500 Euro gegen Autos wie den Smart oder den Mini-Mobile ins Rennen schicken will.

Knutschkugel statt Blechkoloss

Obwohl die Idee simpel klingt, war sie offenbar schwer umzusetzen. Die erste Studie des Microlino stand schon 2016 auf dem Genfer Salon. Doch bis der richtige Produktionspartner gefunden und die Konstruktion serienreif war, hat es volle fünf Jahre gedauert.

Dabei wollen die Schweizer dem Überfluss mit einem charmanten Minimalismus begegnen. Denn der Microlino sieht nicht nur aus wie eine mit LED-Scheinwerfern und Mattlack modernisierte Isetta, sondern ist mit seinen 2,50 Metern Länge und 1,50 Metern Breite auch ähnlich knapp bemessen. Auch beim Antrieb halten sich die Macher zurück: Als Leichtkraftwagen aus der Kategorie L7e beschränkt sich der Microlino auf 20 kW/27 PS und maximal 90 km/h. Mehr braucht es nicht, um im urbanen Umfeld mobil zu sein, sind die Schweizer überzeugt.

Champion in der City

Und solange man in der Stadt bleibt, reicht der Microlino tatsächlich völlig aus. Der Verzicht erweist sich sogar als Gewinn: Mit rund 500 Kilo Leergewicht nicht einmal halb so schwer wie ein Smart, ist nämlich auch der kleine Zweisitzer überraschend flott unterwegs. Er beschleunigt wie alle E-Autos beim Ampelstart angenehm spritzig. Und die Zeit, die er bei Vollgas vielleicht verliert, holt er beim Rangieren und in der Rushhour lässig wieder rein. Im Stau surft er durch jede Lücke, und die Parkplatzsuche wird im Microlino, der nicht viel mehr Platz braucht als ein Kinderwagen, ein Leichtes. Mit über 200 Litern Kofferraum ist er zudem ein mindestens so praktischer Einkaufshelfer wie der VW Up oder Toyota Aygo.

Selbst dass der Akku auch beim Topmodell nur 14,4 kWh hat, fällt kaum ins Gewicht. Denn erstens kommt man mit einer Laufleistung von bis zu 200 Kilometern in der Stadt eine Weile aus. Und zweitens ist so eine kleine Batterie auch schnell geladen und sogar an der Haushaltssteckdose nach vier Stunden wieder voll. Erst über Land wird es ausgesprochen zäh, und es erfordert die Rücksicht und den Abstand der Anderen, damit man sich auf der Straße nicht ganz so bedrängt fühlt.

Lifestyle an der Ladesäule

Zwar sparen die Schweizer beim Antrieb, aber nicht beim Ambiente. Anders als Citroen Ami oder Renault Twizy ist der Microlino keine triste Kunststoffkiste, sondern so hübsch eingerichtet wie der rund doppelt so teure Smart: Es gibt digitale Instrumente und einen kleinen Touchscreen statt vieler Tasten. Die Oberflächen sind bunt bezogen, für den Sound sorgt eine Bluetooth-Box, und die bequeme Sitzbank ist sogar beheizt. Nur bei der Sicherheitsausstattung wird gegeizt: Anders als ausgewachsene Autos hat der Microlino als L7e-Modell weder Airbags noch ABS und erst recht kein ESP. Jedoch wollen die Schweizer auch da bald nachlegen.

Warum die Isetta als Knutschkugel in die Auto-Geschichte eingegangen ist, wird einem auch beim Microlino schnell klar: Erstens, weil einem beim Anblick warm ums Herz wird. Und zweitens, weil man sich in dem Auto schon ziemlich mögen muss, so nah wie sich Fahrer und Beifahrer auf der kleinen Sitzbank kommen. Und ein bisschen Gelenkigkeit kann übrigens auch nicht schaden. Der Einstieg durch die vorn angeschlagene Tür ist etwas ungewohnt. Danach muss sich der Fahrer auch noch mühsam um die aufrecht stehende Lenksäule herum auf seinen Platz manövrieren.

Fazit: Selbstbeschränkung ohne Spaßverzicht

Natürlich ist der Microlino kein vollwertiger Pkw. Doch als ebenso preiswerter wie pfiffiger Stromer ist er ein ideales Transportmittel für die Stadt. Dank seiner freiwilligen Selbstbeschränkung bleiben die Kosten selbst ohne Umweltbonus überschaubar. Und nicht zu vergessen: Sein charmantes Design und der Nostalgie-Effekt machen einfach gute Laune. Möglich, dass der Kleine damit - mal wieder - eine große Zukunft hat.

Datenblatt: Microlino

Motor und Antrieb:Elektroantrieb
Max. Leistung:20 kW/27 PS
Max. Drehmoment:100 Nm
Antrieb:Heckantrieb
Getriebe:Eingang-Getriebe
Maße und Gewichte:
Länge:2500 mm
Breite:1500 mm
Höhe:1450 mm
Radstand:k.A.
Leergewicht:513 kg
Zuladung:k.A.
Kofferraumvolumen:200 Liter
Fahrdaten:
Höchstgeschwindigkeit:90 km/h
Beschleunigung 0-50 km/h:5,0 s
Durchschnittsverbrauch:k.A.
Reichweite:200 km
Batteriekapazität:14,4 kWh
CO2-Emission:0 g/km
Kraftstoff:Strom
Schadstoffklasse:k.A.
Effizienzklasse:A+
Kosten:
Preis des Microlino:ca. 12.500 Euro
Typklassen:k.A.
Kfz-Steuer:0 Euro/Jahr
Wichtige Serienausstattung:
Sicherheit:keine
Komfort:Digitale Instrumente, Sitzheizung

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke