Liebhaber-Auto

Flatscreen statt Fuchsschwanz: Elektrischer Opel Manta

24.08.2021 | Stand 04.10.2021, 17:50 Uhr

Zurück in die Zukunft: Den Opel Manta GSe Elektromod treibt ein Elektromotor an.- Foto: Enes Kucevic/Opel Automobile GmbH/dpa-tmn

Was Marty McFly und Doc Brown können, das können sie bei Opel auch: Der Hersteller hat den Manta zur Zeitmaschine gemacht. Mit E-Antrieb und Flatscreen geht's «Zurück in die Zukunft». Eine Zeitreise.

Hier ein Ölfleck am Boden, dort ein bisschen Schmierfett an der Wand, und über allem ein wunderbar altmodischer Duft aus Lack, Leder, Politur und Petroleum: Willkommen in der Klassik-Sammlung bei Opel in Rüsselsheim.

Doch irgendetwas ist heute anders hier - und der Star der Show passt nur auf den ersten Blick zu den mehr als 100 Oldtimern, die Opel allein auf dieser Etage der Backsteinhalle herausgeputzt hat.

Denn was da in giftigem Gelb als vermeintlich originaler Manta GT/E im Scheinwerferlicht funkelt, bringt den Zeitstrahl doch gehörig durcheinander. Zwar im Jahr 1974 gebaut, aber 2021 restauriert und dabei gleich mit der Technik von morgen bestückt, ist dieses Einzelstück so etwas wie Opels Antwort auf den DeLorean aus dem Kultfilm «Zurück in die Zukunft» und eine Zeitmaschine auf Rädern.

Flüsterleiser Auftritt

Und die startet ohne das große Getöse, mit dem Marty McFly und Doc Brown im Film ihren DeLorean angeworfen haben. Dieser Manta fährt elektrisch. Wo andere Oldtimer beim Kaltstart gerne stottern, surrt der Manta GSe Elektromod flüsterleise aus der Halle wie ein Corsa-e.

Dumm nur, dass auf dem Werksgelände ein strenges Tempolimit herrscht. Statt der 105 PS des Original-Sportmodells GT/E von einst stehen nun 108 kW/147 PS im Datenblatt. Und die für damalige Verhältnisse schwer vorstellbaren 255 Nm der E-Maschine liegen vom ersten Moment aus an.

Kein Wunder, dass der Wagen mächtig Meter macht und schnell zu schnell ist. Schließlich wird erst jenseits von 130 km/h abgeregelt, und das ungewöhnliche Zusammenspiel von E-Antrieb und Schaltgetriebe hat der Fahrer so schnell raus, dass er dieses Potenzial auch flott ausnutzen kann. Wie gut also, dass der Umbau den Segen des Tüv hat und der Manta wenige Minuten später plötzlich draußen im fließenden Verkehr mitschwimmt und die Akkus für bis zu 200 Kilometer reichen.

Soundtrack aus der Bluetooth-Box

Dabei ist der - genau wie die Lithium-Ionen-Blocks im Kofferraum und unter der Rückbank bei einem Zulieferer eingekaufte - Motor nicht der einzige Teilchen-Beschleuniger auf dem Zeitstrahl. Sondern Opel hat die aktuell bei vielen Tunern, Designern und Restauratoren beliebte Idee vom Restomod, also vom modernisierten Klassiker, ernst genommen.

So trägt der Manta hinter dem Lenkrad das digitale Cockpit Pure-Panel aus dem Modell Mokka, der Soundtrack zur Testfahrt kommt aus einer Bluetooth-Box. Wo früher mal der Kühlergrill war, prangt jetzt ein schwarzes Display, über den mit LED-Technik augenzwinkernde Leuchtbotschaften flimmern.

«Damit schließt sich ein Kreis», sagt Pierre-Olivier Garcia aus dem Design-Team. «Denn es war vor allem der Manta, der uns zum sogenannten Vizor-Gesicht für die neuen Opel-Modelle inspiriert hat. Und hier drehen wir das Rad jetzt eine Runde weiter.»

Mit dem elektrischen Einzelstück verschafft sich Opel nicht nur Gehör unter den vielen Marken des Stellantis-Konzerns. Sondern vor allem feiert Opel damit - nicht zuletzt wegen Corona allerdings ein wenig verspätet - den Start eines seiner bekanntesten Autos vor 50 Jahren.

«Der Manta steht zusammen vielleicht noch mit dem GT als Ikone ganz oben auf dem Opel-Olymp», sagt der Oldtimer-Spezialist Frank Wilke von Classic Analytics. Mit dem Umbau hat der Marktbeobachter kein Problem, sondern er freut sich vielmehr, dass damit vielleicht noch ein paar Fans mehr auf diesen Klassiker aufmerksam werden.

Manta-Premiere 1970 als familientaugliches Coupé

Den Weg auf den Opel-Olymp hat der Manta 1970 begonnen, entwickelt als Antwort auf den erfolgreichen Ford Capri und als kleiner Bruder der Corvette Stingray, die ebenfalls einen Teufelsrochen im Namen und als Logo auf dem Blech hatte. «Das Auto, das wir Ihnen heute präsentieren, stempelt kein anderes Modell zum alten Eisen, sondern gesellt sich zu unserem bisherigen Programm als wirkungsvolle Ergänzung und zur Deckung eines neu entstandenen Bedarfs», so steht es im Pressetext zur Jungfernfahrt im September 1970, die passend zum maritimen Namen am Timmendorfer Strand inszeniert wurde.

Der technisch eng mit dem Opel Ascona verwandte Manta war neu, chic, sportlich und entsprach dem Zeitgeist. «Attraktive, familientaugliche Coupés liegen voll im Trend. Individualismus ist gefragt, die formal eigenständige Linie des Manta kommt diesem Wunsch entgegen», fasst Opel-Klassik-Sprecher Uwe Mertin den Erfolg des Fünfsitzers zusammen.

Schon im ersten vollen Verkaufsjahr 1971 brachte Opel allein in Deutschland 56 200 Manta auf die Straße und baute in nur fünf Jahren exakt 498 553 Exemplare. Dabei deckten die Hessen eine breite Spanne ab - vom bescheidenen 1,2-Liter-Motor mit mageren 44 kW/60 PS an der Basis bis hin zum Topmodell GT/E. Dessen 1,9-Liter-Einspritzmotor mit Bosch L-Jetronic leistete 77 kW/105 PS.

Tiefergelegte Karossen und flache Witze

War der Manta A noch ein vergleichsweise seriöses Auto, wurde die zweite, ab 1975 gebaute Generation durch die Liebe der Fans und vor allem durch wildes 1980er-Jahre-Tuning teils auch zur Witzfigur auf Rädern. Til Schweiger und Tina Ruland setzten ihm im Kinofilm «Manta, Manta» 1991 ein Denkmal.

Seinem Erfolg haben die bisweilen ziemlich wilden Umbauten und mitunter flaue Witze so wenig geschadet wie seinem Ruhm: In beiden Generationen zusammen zwischen 1970 und 1988 wurde der Manta gut eine Million Mal verkauft. Mittlerweile selten geworden auf der Straße, ist der Manta nach wie vor ein Blickfang, und allein sein Name löst bei vielen Opel-Fans eine ehrfürchtige Bewunderung aus.

Hat der Elektromod eine Zukunft?

Dass der Manta Kult ist, wissen sie bei Opel wohl selbst am besten: «Das Auto zeigt, mit welcher Leidenschaft wir Autos bauen und wie begeistert unsere Kunden sind», sagt Opel-Chef Michael Lohscheller. Und seine Mannschaft hofft, dass dieser Kult mit dem Elektromod noch einmal Fahrt aufnimmt. Nicht umsonst wünschen sich die Macher aus der Klassik-Werkstatt, dass dieses Projekt vielleicht sogar ein paar Nachahmer findet oder es gar einen offiziellen Umbausatz geben wird.

Aber sie wissen in Rüsselsheim wahrscheinlich auch, dass sich selbst mit noch so coolen Umrüstungen nur schwer Geld verdienen lässt. «Das ist schon bei Nobelmarken wie Jaguar mit dem nachträglich elektrifizierten E-Type gescheitert», sagt Marktbeobachter Wilke.

«Kaum vorzustellen, dass eine bürgerliche und deshalb deutlich billigere Marke wie Opel damit mehr Erfolg hätte», erwartet der Oldtimer-Spezialist. «Denn wer gibt schon einen hohen fünfstelligen Betrag für die Elektrifizierung eines Oldtimers aus, der selbst im besten Zustand als Original nur einen Bruchteil kostet?» Schließlich sei ein wirklich guter Manta GT/E von 1970 bereits ab 25 000 Euro zu haben, taxiert Wilke die aktuellen Marktpreise.

Der Manta kommt wieder

Also doch nur eine elektrische Eintagsfliege als Dekoration auf der Geburtstagstorte? «Mitnichten,» sagt Lohscheller, der im September als Opel-Chef ausscheidet. Denn kurz bevor er dies angekündigt hat, hat er noch schnell einen neuen Manta versprochen und erste Skizzen vorgelegt. «Wir erfinden den Manta neu», lautet seine Botschaft.

Allerdings wird das neue Auto wohl kein klassisches Coupé mehr, hat Lohscheller bereits angedeutet. Der Klassiker geht diesen ersten Skizzen zufolge mit der Zeit und folgt dem Trend zum SUV. Außerdem fährt der neue Manta wie jeder Opel für Europa von 2028 an ausschließlich elektrisch. Doch zumindest der Name lebt weiter.

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