Nächtliches Dauerleuchten

Energiesparen als Chance für den Artenschutz

20.01.2023 | Stand 20.01.2023, 13:24 Uhr

Lichtkonzept Fulda - Der Dom zu Fulda wird aus Energiespargründen nicht angeleuchtet. - Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Licht aus in der Nacht - das spart nicht nur Geld, sondern hilft auch beim Artenschutz, sagen Experten. Von den Maßnahmen gegen hohe Strom- und Gaspreise könnten auch viele Tierarten profitieren.

Funkelnde Sterne über den Wäldern und Wiesen der Rhön - für Sabine Frank gibt es kaum etwas Schöneres. Seit vielen Jahren hat sich die 51-Jährige dem Schutz der natürlichen Nacht verschrieben und kämpft gegen die Lichtverschmutzung durch künstliche Beleuchtung.

Dass es in diesem Winter angesichts der Energiesparvorgaben der Bundesregierung in den Städten durch weniger angestrahlte Gebäude und das nächtliche Abschalten von Werbeanlagen etwas dunkler bleiben wird, hält Frank für überfällig. Auch dauerhaft wünscht sie sich mehr Bewusstsein für den Wert der natürlichen Dunkelheit. Denn die erlaube nicht nur einen besseren Blick auf den Sternenhimmel und fördere den gesunden Schlaf der Menschen - für viele Tierarten sei sie überlebenswichtig.

Frank ist Koordinatorin des Sternenparks Rhön im Dreiländereck Hessen, Thüringen und Bayern. Auf Antrag einer länderübergreifenden Arbeitsgemeinschaft verlieh die International Dark-Sky Associationder Region 2014 den Titel Sternenpark. Dabei geht es allerdings nicht um einen abgegrenzten Erlebnispark mit Ein- und Ausgang, sondern um die in der Rhön besonders schützenswerte natürliche Nachtlandschaft mit wenig störendem künstlichen Licht, die das Mittelgebirge auch dank der relativ dünnen Besiedlung aufweist.

Insgesamt vier davon gibt es in Deutschland, darunter auch der Naturpark Westhavelland, der Nationalpark Eifel und die Winkelmoosalm in Bayern. Hinzu kommen Fulda als bundesweit erste Sternenstadt sowie die beiden Nordseeinseln Pellworm und Spiekeroog, die im vergangenen Jahr als Sterneninseln ausgezeichnet wurden.

Eine Hauptursache des globalen Artensterbens

Doch warum ist Lichtverschmutzung eigentlich ein so großes Problem? Die Chronobiologin Stefanie Monecke, Gastwissenschaftlerin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, sieht sie sogar als eine der Hauptursachen des globalen Artensterbens. Offensichtlich wird das vor allem, wenn Insekten in Sommernächten weit abstrahlende Straßenlaternen umschwirren, ermüden, sich im Gehäuse verfangen oder an den Laternen verbrennen. Dadurch kommt es zu Lücken in der Nahrungskette, die etwa Fledermäuse treffen.

Doch es gibt noch weitaus gravierendere Effekte: Kunstlicht in der Nacht bringt die innere Uhr vieler Wildtiere und damit auch ihre Reproduktion aus dem Takt. Manche Arten wie der Feldhamster bekommen erst später im Jahr Nachkommen, eine Reproduktionsphase pro Jahr wird ganz ausgelassen, so dass die sonst im Frühjahr geborene Generation für die Fortpflanzung ausfällt.

Studien legten einen engen Zusammenhang zwischen Lichtverschmutzung und dem Rückgang der Feldhamster-Population nahe, sagt Monecke. Auch bei Fröschen und sogar Korallen seien schon massive Auswirkungen von künstlichem Licht auf die Fortpflanzung nachgewiesen worden.

Weniger Lichtverschmutzung durch Energiesparen

Dass in vielen Städten in diesem Herbst und Winter Fassaden und Werbetafeln nachts dunkel bleiben, sieht Monecke als großen Gewinn. «Das wird ziemlich sicher unser Artenschutzproblem sehr vereinfachen», sagt die Wissenschaftlerin. Sie schätzt, dass durch weniger Lichtverschmutzung etwa der Hälfte der vom Aussterben bedrohten Tierarten auf der Welt geholfen werden könnte - und das ganz einfach, «mit einem Knipser», sagt Monecke.

Schon durch Beschattungen ließe sich viel erreichen - etwa bei Gewächshäusern, durch deren transparente Wände künstliches Licht oft die ganze Nacht hindurch nach außen dringt.

Auch den Umweltverband Nabu treibt das Problem der Lichtverschmutzung um. Kritisch sieht der Verband beispielsweise auch Solarlichter in Privatgärten, die zwar selbst für ihren Strom sorgen, dafür aber die ganze Nacht hindurch brennen. Gärten seien oft wichtige Lebensräume für Insekten und Vögel, deshalb sei eine zunehmende nächtliche Erhellung mit Punkt- und Solarleuchten problematisch, sagt Berthold Langenhorst vom Nabu Hessen.

«Wer Tiere im Garten schützen möchte, sollte auf solche Leuchten verzichten und der Natur dunkle Nächte gönnen.» Nicht zuletzt seien auch die Folgen für die Menschen gravierend, da nur bei Dunkelheit der Botenstoff Melatonin produziert werde, der für einen erholsamen Schlaf sorgt.

Dauerhaftes Umdenken wichtig

Aus all diesen Gründen sollten die jetzt auf den Weg gebrachten Energiesparmaßnahmen keine einmaligen Aktionen sein, sondern ein dauerhaftes Umdenken in Gang setzen, mahnen die Nacht- und Umweltschützer. Dafür kämpft Frank als Sternenpark-Koordinatorin. Schon bei der Planung neuer Wohn- und Gewerbegebiete sollte auf nachhaltige Beleuchtungskonzepte geachtet werden, sagt sie.

In Fulda beispielsweise wird nicht nur der Dom nachts nicht mehr angestrahlt - auch die Leuchten an der Pauluspromenade seien so umgerüstet worden, dass ihr Licht nachts nicht mehr in umliegende Baumkronen, sondern auf den Boden fällt. «Dadurch können die Bäume nun wieder im natürlichen Rhythmus ablauben», sagt Frank.

Zusammen mit dem Physiker Andreas Hänel hat Frank eine «Muster-Lichtleitlinie» für gewerbliche, öffentliche und private Außenbeleuchtung entwickelt. Damit könnten Kommunen den Umgang mit Beleuchtung rechtssicher und zugleich nachhaltig steuern und sie in ihrer Bauleitplanung integrieren.

Um das Thema auch über den Landkreis Fulda hinaus voranzutreiben, hat Frank zusammen mit ehrenamtlichen Mitstreitern das hessische Netzwerk gegen Lichtverschmutzung gegründet, das auch Vertreter aus Politik und Wirtschaft ins Boot holt und bei zahlreichen Städten und Gemeinden in- und außerhalb Hessens auf Interesse stößt.

Besonders unverständlich findet Frank, dass bei der Beleuchtung oft mit einer vermeintlichen Sicherheit argumentiert werde. Dabei belegten auch kriminologische Studien, dass mehr nächtliches Licht weder Kriminalität noch Unfälle verhindere. Trotzdem schürten beispielsweise TV-Krimis gerade auch bei Frauen immer wieder die Angst vor der Dunkelheit. «Diese Stigmatisierung und Kriminalisierung der Nacht ist völliger Unsinn», sagt Frank.

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