Ehepaar lädt ein

Gegen Einsamkeit: Erste Plauderbank in Niederbayern

05.05.2022 | Stand 06.05.2022, 10:18 Uhr

Ob kurzes Pläuschchen oder ein ausgiebiger Ratsch, die Plauderbank lädt zum Gespräch ein. Die Initiatoren Klaus Siedenhans und seine Ehefrau Dr. Petra Siedenhans wollen gerne mit gutem Beispiel vorangehen und sich dort oft blicken lassen. −Foto: privat

Von Corinna Mühlehner

Einsamkeit betrifft nicht nur ältere Menschen. Auch junge Menschen leiden darunter. Das Ehepaar Siedenhans startet jetzt eine Initiative in Altdorf (Landkreis Landshut): Die erste Plauderbank Niederbayerns, die gegen Einsamkeit helfen soll.



Einsamkeit – ein Wort, das viele Menschen vor allem mit der älteren Generation in Verbindung bringen. Doch Klaus Siedenhans, Persönlichkeits- und Mental-Coach aus Altdorf, weiß: Das Thema betrifft auch jüngere Menschen. Mit seiner Frau Dr. Petra Siedenhans hat er ein Buch geschrieben, das Wegbegleiter aus der Einsamkeit sein soll – und in Altdorf die erste Plauderbank Niederbayerns initiiert.

Gemeinde sei der Idee gegenüber aufgeschlossen

Die Bank ist ein Platz, der zum Gespräch einlädt. Seit etwa zwei Wochen prangt auf einer Bank bei der Kapelle Gstaudach in Altdorf ein großes weißes Schild mit einem quietschgelben Smiley. Der reckt strahlend den Finger in die Höhe. Daneben steht: „Plauderbank – Setzen Sie sich hier hin, wenn Sie nichts dagegen haben, dass jemand vorbeikommt und Hallo sagt.“ Bänke wie diese gibt es etwa in Amerika oder Kanada schon eine Weile. Jetzt steht auch eine in Altdorf.

„Ich habe dem Bürgermeister in einer Mail ausführlich erklärt, was es mit der Idee auf sich hat, und er war gleich ganz aufgeschlossen“, freut sich Klaus Siedenhans. Den Standort bei der Kapelle habe man gewählt, weil dort viele Wanderer und Ausflügler vorbeikommen – und das Ehepaar in der Nähe wohnt und so selbst oft vorbeischauen kann. „Man muss das auch vorleben“, findet Petra Siedenhans.

Denn vielen Menschen fehle der Mut, andere anzusprechen, sei es aus Ungeübtheit oder Angst vor Zurückweisung. Die Plauderbank soll helfen, diese Unsicherheit abzubauen. „Einsamkeit war schon vorher ein Riesenproblem. Seit Corona ist es aber ein Monsterproblem“, betont Petra Siedenhans. Sie ist Doktorin für Sprachwissenschaften, doch das Aktivwerden gegen die Einsamkeit liegt ihr persönlich am Herzen. „Aktiv“ ist hier das richtige Stichwort, erklärt sie. „Du kannst nicht warten, bis dich jemand aus der Einsamkeit erlöst. Man muss auch selbst die Initiative ergreifen.“

Einsamkeit sei ein Signal, dass etwas fehlt, sagt ihr Mann Klaus Siedenhans. „Ein Signal, dass man sich wieder mit anderen Menschen verbinden muss.“ In seinem Coaching habe er oft Personen, die sich nicht einsam fühlten, aber doch spürten, dass etwas fehlt. Das liege daran, dass vielen der Unterschied zwischen sozialer und emotionaler Einsamkeit nicht bewusst sei.

„Soziale Einsamkeit ist, wenn die Person nicht genügend Kontakte zu anderen Menschen hat“, führt Klaus Siedenhans aus. „Jemand kann aber auch viele Sozialkontakte haben und sich dennoch emotional einsam fühlen, weil einfach die Qualität der Kontakte nicht stimmt.“ Wie viele und welche Beziehungen nötig sind, sei bei jedem Menschen höchst individuell.

Altersklasse 65 plus am wenigsten betroffen

Für die Recherche zu ihrem Buch „Nicht allein auf weiter Flur“ war das Ehepaar mit Wissenschaftlern auf der ganzen Welt in Kontakt. Dabei habe sich herausgestellt: Die Altersklasse 65 plus sei von Vereinsamung am wenigsten betroffen. „Weil sie noch gelernt haben, Sozialstrukturen aufzubauen“, erklärt sich Petra Siedenhans diesen Umstand. Die junge Generation genieße dagegen die Freiheit, wolle möglichst wenig gebunden sein und keine Verpflichtungen eingehen. „ Aber das hat auch seinen Preis, denn wenn ich keine tiefen Verbindungen eingehe, dann unterstützt mich im Notfall vielleicht niemand.“

Ziel ist es, die Menschen aufmerksam zu machen

Sozialkontakte würden immer weiter ins Digitale verlagert. „Die Leute sind heiß auf Likes in den sozialen Medien“, sagt Klaus Siedenhans. „Menschen wollen gesehen werden, wollen Aufmerksamkeit. Das ist ein Grundbedürfnis.“ Das sei auch erst einmal in Ordnung, wenn es für ein gutes Gefühl sorgt. „Man muss sich aber immer bewusst sein, dass es sich, wenn man zum Beispiel einem Streamer zuschaut, immer um eine einseitige Beziehung handelt“, betont Siedenhans.

Gerade in Großbritannien werde von staatlicher Seite viel im Kampf gegen Einsamkeit gemacht – im Gegensatz zu Deutschland, sagt das Ehepaar. Dabei könne Einsamkeit auch auf die Gesundheit schlagen. „Sie macht regelrecht krank durch den Stress, den sie erzeugt“, sagt Petra Siedenhans. Eine mögliche Folge seien Erkrankungen wie Depressionen.

Dass das Thema Einsamkeit im Zuge der Corona-Pandemie wieder mehr in den Fokus der Gesellschaft gerückt ist, freut das Ehepaar aus Altdorf. Auch die Plauderbank soll einen Beitrag leisten. Denn Petra und Klaus Siedenhans sind sich einig: „Es ist gut, wenn andere die Hand reichen.“

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