Zweite Amtszeit

Mit großer Mehrheit: Steinmeier als Bundespräsident wiedergewählt

13.02.2022 | Stand 13.02.2022, 20:57 Uhr

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) steht nach der Verkündung des Ergebnis der Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung mit Blumen im Paul-Löbe-Haus neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l), während die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, r) ihm gratuliert. −Foto: Britta Pedersen/dpa

Kontinuität in einer aufgewühlten Zeit: Der bisherige Bundespräsident ist auch der neue. Die Bundestagspräsidentin nutzt die Gelegenheit für einen Appell für mehr Mut und Respekt in der Krise.



Frank-Walter Steinmeier bleibt deutscher Bundespräsident. Die Bundesversammlung bestätigte den 66-Jährigen am Sonntag mit großer Mehrheit gleich im ersten Wahlgang im Amt. Steinmeier, der von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP sowie von der CDU/CSU-Opposition nominiert wurde, kam auf eine Zustimmung von rund 73 Prozent. Er erhielt 1045 von 1425 gültigen Stimmen und nahm die Wahl direkt im Anschluss an die Verkündung des Ergebnisses an. Zwölf Stimmen waren ungültig. Steinmeier ist damit erst der fünfte Bundespräsident mit einer zweiten Amtszeit.

Die Kandidaten der anderen Parteien blieben wie erwartet chancenlos. Auf den von der Linken aufgestellten Mediziner Gerhard Trabert (65) entfielen 96 Stimmen, der von der AfD nominierte CDU-Politiker und Ökonom Max Otte (57) erhielt 140 Stimmen. Für die von den Freien Wählern ins Rennen geschickte Physikerin Stefanie Gebauer (41) stimmten 58 Delegierte.

Steinmeier: Werde keine Kontroverse scheuen

Der wiedergewählte Bundespräsident will der Auseinandersetzung mit radikalen und gewaltbereiten Gegnern der Corona-Politik nicht aus dem Weg gehen. „Denen, die Wunden aufreißen, die in der Not der Pandemie Hass und Lügen verbreiten, die von ,Corona-Diktatur‘ fabulieren und sogar vor Bedrohung und Gewalt nicht zurückschrecken, gegen Polizistinnen, Pflegekräfte und Bürgermeister, denen sage ich: Ich bin hier, ich bleibe“, kündigte Steinmeier in der Rede nach seiner Wiederwahl am Sonntag in Berlin an.

„Ich werde als Bundespräsident keine Kontroverse scheuen, Demokratie braucht Kontroverse. Aber es gibt eine rote Linie, und die verläuft bei Hass und Gewalt. Und diese rote Linie müssen wir halten in diesem Land“, sagte Steinmeier. Er warnte davor, die Herausforderungen für die Demokratie zu unterschätzen. „Gegner der Demokratie, von außen und von innen, säen in der Pandemie Zweifel an unserer Handlungsfähigkeit und unseren Institutionen, an der freien Wissenschaft, den freien Medien.“

Steinmeier betonte aber auch: „Die Pandemie hat tiefe Wunden geschlagen in unserer Gesellschaft. Und ich möchte dabei helfen, diese Wunden zu heilen.“ Nach zwei Jahren Pandemie gebe es Frust und Gereiztheit. Es habe Fehler und Fehleinschätzungen gegeben. „Aber, meine Damen und Herren, man zeige mir ein autoritäres System, das besser durch diese Krise gekommen wäre.“ Der entscheidende Durchbruch im Kampf gegen die Pandemie, die rasche Impfstoff-Entwicklung, sei in der freien Wissenschaft in Deutschland, mit Partnern in Europa und den USA geschehen. „Wir sollten, bei aller Selbstkritik, die notwendig ist, unser Licht nicht unter den Scheffel stellen.“

Appell für mehr Mut und Respekt

SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU stellten zusammen 1223 der 1472 Mitglieder der Bundesversammlung - also weit mehr als die im ersten Wahlgang notwendige absolute Mehrheit. Im Vorfeld war mit Spannung erwartet worden, wie viele Delegierte für Otte stimmen würden. Die AfD allein stellte 151 Wahlleute. Die Kandidatur des CDU-Politikers auf AfD-Ticket war im Vorfeld extrem umstritten. Die CDU entzog ihm deswegen die Mitgliederrechte und leitete ein Parteiausschlussverfahren ein.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) nutzte die Bundesversammlung zu einem Appell für mehr Mut und Respekt angesichts der aktuellen Krisen. Sie rief Bürger und Politiker in ihrer Eröffnungsrede auf, auch unter den erschwerten Bedingungen von Corona-Pandemie, Ukraine-Konflikt, Klimawandel und Preissteigerungen nicht die Nerven zu verlieren. „Jede Zeit stellt neue Aufgaben. Mit jedem Schritt vorwärts sind Risiken verbunden“, sagte sie und forderte: „Trauen wir uns dennoch Veränderung und Fortschritt zu!“

Mut, Zuversicht und ein respektvoller Ton

Bas beschrieb die polarisierte Stimmung im Land: „Scheinbar unversöhnlich stehen Menschen sich gegenüber, die unterschiedliche Einstellungen haben. Die Stimmung im Land, in Familien und Freundeskreisen leidet darunter. Dagegen hilft kein Impfstoff.“ Deshalb seien Mut, Zuversicht und ein respektvoller Ton im Umgang mit Andersdenkenden jetzt so wichtig. „Die Mehrheit hat nicht automatisch Recht - die Minderheit aber auch nicht“, betonte sie. Alle müssten sich bewegen und aufeinander zugehen.

SPD-Chef Lars Klingbeil hatte vor der Wahl betont, in einer so polarisierten Zeit brauche Deutschland einen Bundespräsidenten, „der in der Lage ist, Brücken zu bauen, der in der Lage ist, Menschen zusammenzubringen, auch eine Sprache zu finden, die das Land zusammenhält und vereint“. Das sei Steinmeier. Er gehe davon aus, dass sich Steinmeier in einer zweiten Amtszeit noch stärker in gesellschaftlichen Kontroversen einmischen und dem Land stärker Orientierung geben werde. Auch CSU-Chef Markus Söder bescheinigte ihm Souveränität in schwierigen Zeiten.

Der 66-Jährige, der seine Parteizugehörigkeit zur SPD als Staatsoberhaupt ruhen lässt, ist seit 2017 Bundespräsident. Zuvor war er von 2005 bis 2009 und dann wieder von 2013 bis 2017 Außenminister. Bei der Bundestagswahl 2009 scheiterte er als SPD-Kanzlerkandidat.

Größtes parlamentarisches Gremium in Deutschland

Die Bundesversammlung ist das größte parlamentarische Gremium in Deutschland. Seine einzige Aufgabe ist die Wahl des Staatsoberhaupts alle fünf Jahre. Die Versammlung setzt sich zusammen aus den Abgeordneten des Deutschen Bundestags und einer gleich großen Zahl von Mitgliedern, die die 16 Landtage entsenden.

Mit dabei war am Sonntag auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel, die vor der Wahl langen Applaus erhielt. Auf der Liste der Wahlleute standen außerdem Prominente wie Bundestrainer Hansi Flick, Fußballer Leon Goretzka oder Musiker Roland Kaiser und Wissenschaftler wie Astronaut Alexander Gerst, Virologe Christian Drosten und die Biontech-Mitgründerin und Impfstoff-Entwicklerin Özlem Türeci.

Da der Bundestag derzeit 736 Abgeordnete zählt, bestand die Bundesversammlung aus 1472 Wahlfrauen und -männern - so viele wie nie zuvor. Wegen der Corona-Pandemie kamen sie diesmal nicht im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes zusammen, sondern im benachbarten Paul-Löbe-Haus, wo mehr Platz ist. Mehr als 70 Nachrücker kamen zum Zuge - unter anderem, weil Delegierte mit positiven Coronatests ausfielen.

− dpa


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