Optimale Vorsorge

Infos für Retter: Notfalldaten digital oder analog?

23.05.2023 | Stand 03.07.2023, 15:05 Uhr

Infos für Retter - Für die Retter sind Allergien, Medikation und Vorerkrankungen die wichtigsten Daten. Und wichtiger als die Frage, ob sie auf einem Zettel stehen oder elektronisch gespeichert sind, ist ihre Aktualität. - Foto: Benjamin Nolte/dpa-tmn

In einem Notfall zählt jede Sekunde. Einsatzkräfte sollten also die wichtigsten Patientendaten schnell parat haben. Wie funktioniert das in der digitalen Welt am besten? Oder muss es analog sein?

Ein Mensch liegt regungslos am Boden. Für Einsatzkräfte wie Marco König ist es jetzt wichtig, nicht nur das Leben dieses Menschen zu retten, sondern auch so viele Informationen wie möglich über ihn oder sie zu erhalten. Könnte derjenige verbluten? Trägt sie einen Herzschrittmacher?

«Die Notaufnahme braucht später ebenfalls jedes Detail. Je mehr wir den Ärzten sagen können, desto besser», erklärt König, Vorstand des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst. «Die wichtigsten Daten sind Allergien, Medikation und Vorerkrankungen.»

Notfallpass auf dem Smartphone

Manch einer hat genau diese Informationen zu Hause nebst Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht in einem Notfallordner abgeheftet. Soweit vorbildlich. Aber geht das heutzutage nicht digital auf dem Smartphone, das man sowieso so gut wie immer bei sich hat?

Tatsächlich kann man bei Betriebssystemen wie Android und iOS eine Art Notfallpass anlegen mit Daten etwa zu Erkrankungen, Blutgruppe, Allergien und einem zu alarmierenden Notfallkontakt.

Bei iOS dient dazu die Health-App, bei Android die App Notfallinformationen. Alle Angaben lassen sich im Sperrzustand anzeigen. «Wenn sie von Nutzen sein sollen, müssen die Hinweise auf dem Handy stets aktuell gehalten werden», sagt König. Einen Blick auf das Smartphone würden König und seine Kolleginnen und Kollegen jedoch eher nicht werfen, entweder aus Zeitmangel oder weil sie nicht hoffen, dort etwas Sinnvolles zu finden.

Notfalldaten auf der Gesundheitskarte

Doch es gibt einen digitalen Ort, an dem bequem alle wichtigen Fakten für den Notfall gespeichert werden können. Mutmaßlich tragen die meisten Menschen diesen «Ort» ebenfalls stets bei sich: die elektronischen Gesundheitskarten der Krankenkassen. Schon jetzt können darauf Notfalldaten gespeichert und abgerufen werden. Letzteres können Ärztinnen und Ärzte im Ernstfall auch ohne Zustimmung des Patienten tun, etwa wenn dieser bewusstlos ist.

Die Notfalldaten werden von Ärzten und Ärztinnen angelegt, beispielsweise wenn chronische Erkrankungen oder eine Schwangerschaft vorliegen, heißt es seitens des für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständigen Unternehmens Gematik, deren Hauptgesellschafter das Bundesgesundheitsministerium ist. Die Notfalldaten werden auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert, eine Kopie kann in die elektronische Patientenakte.

Persönliche Erklärung als Ergänzung

Als einen Teil des Notfalldatensatzes kann man eine persönliche Erklärung hinzuzufügen, etwa die Information, ob und wo eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung vorliegen. Allerdings: Die elektronische Patientenakte war 2021 als freiwilliges Angebot für die 74 Millionen gesetzlich Versicherten gestartet, wird bisher aber nur von einem Bruchteil genutzt.

Um einen Durchbruch zu erreichen, wird deshalb eine Opt-out-Lösung geprüft. Heißt: Alle bekommen die E-Akte und müssen im Zweifel aktiv widersprechen, statt wie derzeit aktiv einzuwilligen. Wenn es so kommt, müsste das aber gesetzlich festgeschrieben werden.

«Eigentlich wäre dieser Weg der einfachste», sagt König. Allerdings können Notfallsanitäter wie er auf diese Daten momentan gar nicht zugreifen, selbst wenn sie vorlägen. Bisher können nur verkammerte Berufe im Gesundheitswesen einen Ausweis beantragen, der ihnen den Zugriff ermöglicht, also beispielsweise Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten oder Apotheker.

In einem Pilotbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen ist das seit dem vergangenen Jahr testweise Pflegekräften, Hebammen und Physiotherapeuten erlaubt - nicht aber Einsatzkräften.

Ausgabe noch in diesem Jahr geplant

Zunächst können Beschäftigte, die ihre Berufserlaubnis in Nordrhein-Westfalen erhalten haben, den elektronischen Ausweis beantragen. Pflegekräfte, Hebammen und Physiotherapeuten aus anderen Bundesländern sollen dann nach und nach Zugang zum Register erhalten.

«Wir hoffen, dass die Retter demnächst mitberücksichtigt werden», sagt König. Ziel sei es, noch in diesem Jahr die Ausgabe der Ausweise an Notfallsanitäter möglich zu machen, teilt die Gematik mit. Bis dahin und bis alle den elektronischen Notfalldatensatz auch nutzen, gebe es keine Präferenz, wo die Informationen bereit gehalten werden, meint König. Wichtiger sei deren Aktualität.

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