Bogen

Hochsensibel und humorvoll: Sophia Alvarez ermittelt wieder in Bogen

25.09.2021 | Stand 25.09.2021, 13:42 Uhr

Auch im Urlaub in Italien hat Autorin Nicole Lingen die Gedanken an das niederbayerische Bogen im Gepäck. Ihr neues Buch „Finsteres Donautal“ erscheint am 23. September. −F.: Manfred Lingen

Von Corinna Mühlehner

Es wird wieder düster in Bogen: Am 23. September erscheint „Finsteres Donautal“, der zweite Band der Krimi-Reihe rund um die Ermittlerin Sophia Alvarez.

Ihr Buch lässt Autorin Nicole Lingen in Bogen spielen. Im Interview erzählt sie, warum.

Frau Lingen, Ihr Krimi rund um die Ermittlerin Sophia Alvarez spielt in Bogen, der Eingangspforte zum Bayerischen Wald. Warum ausgerechnet dort?


Nicole Lingen: Das geht auf den ersten Band zurück. Ich interessiere mich sehr für Bräuche und bin so auf den „Suppenbrunzer“ gekommen, der Namensgeber für das erste Buch. So nennt man eine Heiliggeistkugel aus Glas, die früher an Pfingsten über dem Esstisch aufgehängt wurde. Drunter stellte man den Suppentopf und der Dampf tropfte als Kondenswasser von der Kugel zurück in den Topf. Der erste Band spielt genau zur Pfingstzeit und die Wallfahrt zum Bogenberg, die im Buch eine wichtige Rolle spielt, fand ich so spannend – da war es naheliegend, das Polizeirevier gleich nach Bogen zu verlegen.

Haben Sie denn auch persönlich einen Bezug zu Bogen?

Lingen:Ich bin in Kelheim an der Donau geboren, aber die Familie meiner Schwägerin hatte ein Haus im Bayerischen Wald. Da bin ich schon als Kind oft dort gewesen.

Sophia Alvarez – Ihre Protagonistin hat portugiesische Wurzeln. Warum das?

Lingen: Weil es die Figur einfach noch lebendiger macht. Sophia ist im Bayerischen Wald als Tochter einer Bäuerin und eines portugiesischen Wanderarbeiters geboren worden. Das hat für viele Probleme gesorgt, weil ihre Mutter sehr niederbayerisch pragmatisch denkt, ihr Vater aber eher der melancholische, leidenschaftliche Poet ist. Sophia verbindet beide Eigenschaften. Deshalb sind ihre Lieblingsgetränke zum Beispiel auch portugiesischer Kirschlikör – und bayerisches Bier.

Manchmal merkt man in Büchern ja ganz genau, dass Autoren ihren Protagonisten einiges von sich selbst mitgegeben haben. Wie viel Nicole Lingen steckt in Sophia Alvarez?

Lingen: Das ist eine gute Frage, hm... Meine Familie stammt ursprünglich aus Tschechien, meine Eltern mussten als Kinder im zweiten Weltkrieg nach Deutschland fliehen. Ich bin hier geboren, aber ich kenne auch dieses Gefühl des „Nicht-ganz-verwurzelt-Seins. Meine Urgroßmütter waren Slawinnen, sie hatten auch ein bisschen dieses schwere, melancholische Denken, wie Sophias Vater − vielleicht sind da also doch einige Parallelen (lacht).

Hat Ihnen Ihre Erfahrung als Drehbuchautorin auch bei den Krimis geholfen?

Lingen: Ja, auf jeden Fall! Ich bin sehr dankbar für die Jahre als Drehbuchautorin. Da habe ich die Dramaturgie und das Handwerk gelernt, so dass ich es aus dem Effeff beherrsche und weiß, wie ich eine Geschichte in den Griff kriege. Das hilft mir beim Krimischreiben kolossal. Bei diesen habe ich mehr Freiheit, das schätze ich sehr. Besonders mag ich die Möglichkeit, die Befindlichkeiten der Charaktere durch den inneren Monolog zu zeigen. Das geht beim Drehbuch nur über andere Charaktere.

Wie hat es Sie denn überhaupt zu den Krimis verschlagen?

Lingen:Meine Liebe für Krimis habe ich von meiner Mutter geerbt, sie hat auch welche geschrieben und die anderer Autoren übersetzt. Unter dem Namen Nicole Walter schreibe ich auch Romane, in denen es um Frauen in Grenzsituationen geht, für die sich das ganze Leben von einem Tag auf den anderen ändert. Es gibt aber auch Themen, die lassen sich einfach besser in Krimis verarbeiten.

Wo wir gerade bei Themen sind: Im neuen Band „Finsteres Donautal“ geht es um den Mord an einer schwerbehinderten Frau. Niederbayern-Krimis spielen ja gerne mit Humor, auch Ihre Protagonistin bringt viel davon mit. Wie schwer ist es da, die Balance zwischen Humor und Ernst zu finden?

Lingen: In beiden Büchern ist der Fall selbst ernst und ohne Humor. Die Psychologie ist die Grundlage, alles setzt sich wie ein Mosaik zusammen und oft sind es die Umstände, die zur Tat führen. Für mich ist es wichtig, den Menschen zu zeichnen und da gehört Humor dazu. Den hole ich aus Sophia heraus, die ein Mensch mit Ecken und Kanten ist. Das ist nicht überzeichnet, kein Slapstick. Aber im Leben liegen Tränen und Lachen oft eng beieinander, selbst in tieftraurigen Situationen gibt es manchmal auch ein Lächeln. Ich möchte nicht nur düster schreiben, sondern das Leben erzählen.

Das Thema Behinderung und Pflege von Menschen mit Behinderung ist dennoch kein einfaches Thema für ein Buch, oder?

Lingen:Für mich war es tatsächlich gar nicht so schwer, weil ich viele Jahre eine Freundin begleitet habe, die vom Hals ab gelähmt war. Da habe ich viel Einblick in die Not von Angehörigen und Betroffenen bekommen. Auch meine Mutter habe ich die letzten Jahre mitgepflegt und kenne die Nuancen dieses hochsensiblen Themas. Ich muss sagen, hätte ich diese Einblicke nicht gehabt, hätte ich das Thema nicht aufgegriffen.

Und der dritte Band um Sophia Alvarez? Ist der schon geplant?

Lingen: Momentan schreibe ich an etwas ganz anderem: einem Familienroman, der in den französischen Pyrenäen spielt und sehr humorvoll ist. Aber die Idee für den dritten Band um Sophia habe ich bereits im Kopf. Immerhin gibt es da noch ein großes Geheimnis um Sophias Vater, das es zu lüften gilt.

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