Landgericht Regensburg
Freispruch im Prozess wegen möglicher Wahlmanipulation in Geiselhöring – im Zweifel für den Angeklagten

18.06.2020 | Stand 03.08.2023, 10:01 Uhr
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Wegen Unaufklärbarkeit der näheren Umstände seiner möglichen Tatbeteiligung und daraus resultierenden Zweifeln an der Strafbarkeit des Angeklagten hat das Landgericht Regensburg im Strafverfahren wegen Verdachts der Wahlmanipulation in Geiselhöring auf Freispruch erkannt.

Geiselhöring. Nach zwölf Hauptverhandlungstagen und umfangreichen Beweiserhebungen gelangten die Richter der 5. Strafkammer in ihrem Urteil vom 18. Juni 2020 zu der Auffassung, dass aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse zwar vom Vorliegen zumindest eines Teils der in der Anklage umschriebenen Manipulationshandlungen auszugehen sei, aber nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, ob und gegebenenfalls wie der Angeklagte daran mitgewirkt habe. Sie sprachen ihn daher nach dem im Strafrecht geltenden Zweifelsgrundsatz vom Vorwurf der Wahlfälschung, der Urkundenfälschung, der falschen Versicherung an Eides Statt und des Verleitens zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt frei.

Dem Angeklagten war zur Last gelegt worden, bei der Geiselhöringer Kommunalwahl 2014 unter Mithilfe seiner früheren Mitbeschuldigten die Stimmzettel mehrerer Hundert von ihm beschäftigter Erntehelfer selbst ausgefüllt bzw. die Erntehelfer in nicht mehr zulässiger Weise zur Stimmabgabe in seinem Sinne veranlasst zu haben. Die Anklage hatte ferner angeführt, dass zur Erlangung der Wahlmöglichkeit für Erntehelfer fingierte Wohnsitzanmeldungen vorgenommen worden seien. Da bei einer Stimmabgabe im Wege der Briefwahl auch ein Wahlschein ausgefüllt und dabei vom Wahlberechtigten an Eides Statt versichert werden muss, die beigefügten Stimmzettel persönlich gekennzeichnet zu haben, war dem Angeklagten und seinen mutmaßlichen Komplizen schließlich angelastet worden, dies teilweise anstelle der Erntehelfer getan oder sie hierzu ohne deren Wissen verleitet zu haben. Der An-geklagte hatte angegeben, die Wahlteilnahme der Erntehelfer in der Annahme einer bestehenden Wahlberechtigung forciert und Wahlempfehlungen ausgesprochen, dabei jedoch zu keinen unlauteren Mitteln gegriffen zu haben. In der Hauptverhandlung hatte sich das Gericht neben der Vernehmung von 22 Zeugen und einem Sachverständigen für die Untersuchung von Handschriften mit einer Vielzahl von Urkunden und sonstigen Sachbeweisen auseinandergesetzt. Unter anderem waren Vernehmungsprotokolle von über 90 im Ermittlungsverfahren verhörten Erntehelfern und schriftlich dokumentierte Aussagen von früheren Mitbeschuldigten einführt worden, die sich inzwischen auf Aussageverweigerungsrechte berufen und deshalb für eine Befragung im Prozess nicht zur Verfügung gestanden hatten. Das graphologische Gutachten hatte ergeben, dass bei der Wahl sowohl des Kreistags als auch des Stadtrats mit hoher Wahrscheinlichkeit jeweils mehr als 200 Stimmzettel von maximal fünf Schreibern ausgefüllt worden waren. Um dieses Phänomen auf ein strafbares Verhalten des Angeklagten zurückführen zu können, hätte es allerdings weitergehender Erkenntnisse bedurft, für die es auf Zeugenaussagen angekommen wäre. Letztere vermittelten der Kammer aber keine hinreichenden Aufschlüsse.

Von zentraler Bedeutung für die Beweiswürdigung des Gerichts waren vor allem die Aussagen der vormaligen Mitbeschuldigten des Angeklagten gewesen, denen zufolge auf sein Betreiben Briefwahlunterlagen für Erntehelfer angefordert und eine Rumänienfahrt zur Ermöglichung der Wahlteilnahme von zum Zeitpunkt der Wahl nicht in Deutschland aufhältlichen Erntehelfern organisiert worden sein sollten. Aus den Berichten der früheren Mitbeschuldigten war zudem hervorgegangen, dass die Erntehelfer eine von ihnen übermittelte Einweisung in die Art und Weise, wie die Wahlunterlagen auszufüllen seien, erhalten, sich die Vorgänge dann aber mehr oder weniger verselbständigt hätten. Eine Entscheidung, ob überhaupt und wenn ja welche Manipulationshandlungen dem Angeklagten zuzurechnen gewesen wären, konnte aus Sicht der Kammer auf dieser Grundlage nicht getroffen werden. Durch die fehlende Rückfragemöglichkeit bei den nicht mehr aussagebereiten vormaligen Mitbeschuldigten ließ sich die Situation auch nicht weiter aufklären. Die Aussagen in den Vernehmungsprotokollen der Erntehelfer stellten sich nach Einschätzung der Richter ebenfalls als zu uneinheitlich und lückenhaft dar, als dass aus ihnen auf eine Strafbarkeit des Angeklagten zu schließen gewesen wäre. In das Bild einer vom Angeklagten allein oder gemeinschaftlich zu verantwortenden Wahlmanipulation passte letztlich ebenso wenig, dass nach den Feststellungen der Kammer in einem Stimmbezirk, in dem lediglich ein rumänischer Erntehelfer gewählt hatte, 34 Stimmzettel wegen eines vermeintlichen Musters bei der Stimmvergabe als auffällig bewertet worden waren.

Die Staatsanwaltschaft hat die Möglichkeit, innerhalb einer Woche ab Verkündung Revision einzulegen. Zuständiges Revisionsgericht ist der Bundesgerichtshof.

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