Wenn die Rente nicht reicht
Gewerkschaft NGG warnt vor Altersarmut – mehr Rentner auf Stütze vom Amt angewiesen

17.10.2019 | Stand 03.08.2023, 1:41 Uhr
−Foto: Foto: NGG

Wenn die Rente nicht reicht: Immer mehr Menschen im Landkreis Schwandorf sind neben ihren Altersbezügen auf staatliche Stütze angewiesen. Die Zahl der Empfänger von „Alters-Hartz-IV“ stieg innerhalb von zehn Jahren um 34 Prozent. Gab es im Kreis Schwandorf 2008 noch 995 Bezieher von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, so waren es im vergangenen Jahr bereits 1.334. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mit.

LANDKREIS SCHWANDORF Die NGG beruft sich hierbei auf Angaben des Statistischen Landesamtes. Danach erhielten in ganz Bayern zuletzt rund 125.000 Rentnerinnen und Rentner Grundsicherung – 43 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor.

Rainer Reißfelder, Geschäftsführer der NGG-Region Oberpfalz, sieht den Trend mit Sorge – und fordert eine „rentenpolitische Kurskorrektur“. Insbesondere die von der Bundesregierung angekündigte Grundrente müsse rasch angepackt werden, um ein Ausufern der Altersarmut im Landkreis zu verhindern. „Die amtlichen Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Denn sehr viele Menschen, die wegen Mini-Renten eigentlich einen Anspruch auf die Grundsicherung haben, schrecken aus Scham vor einem Antrag zurück“, sagt Reißfelder. So sind nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bundesweit aktuell bereits 16,8 Prozent der Rentner von Armut bedroht. Ohne die Einführung einer Grundrente könnte das Armutsrisiko laut DIW bis zum Jahr 2039 auf 21,6 Prozent steigen – selbst bei einer weiterhin positiven Konjunkturentwicklung. „Eine entscheidende Ursache für dürftige Renten sind niedrige Einkommen. Auch wer Jahrzehnte in einer Bäckerei oder einem Restaurant gearbeitet hat, landet im Alter oft unter der Armutsschwelle. Das liegt auch an der Praxis vieler Unternehmen, aus Tarifverträgen auszusteigen und so die Löhne zu drücken. Hinzu kommt der Trend zu Teilzeit und Minijobs“, erklärt Gewerkschafter Reißfelder. Hier setze die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil geplante Grundrente an: Danach sollen die Bezüge von Menschen, die mindestens 35 Jahre lang gearbeitet haben und bei der gesetzlichen Rente trotzdem unter die Grenze von 896 Euro kommen, um bis zu mehrere Hundert Euro im Monat aufgebessert werden. „Das Modell wäre ein wichtiger Beitrag für mehr Gerechtigkeit im Rentensystem. Es würdigt die Leistung von denen, die ein Leben lang in die Rentenkasse eingezahlt haben“, betont Reißfelder. Ausschlaggebend sei aber, dass es dabei keine Bedürftigkeitsprüfung gebe. „Wer eine solche Prüfung fordert, trifft die Falschen, weil es in den allermeisten Fällen um Haushalte mit kleinen Einkommen geht. Eine Bedürftigkeitsprüfung steht auch dem Rentenprinzip entgegen, nach dem Beitragszahler einen individuellen Leistungsanspruch erwerben“, so Reißfelder.

Die NGG fordert die Große Koalition auf, bei dem Thema jetzt „ernst zu machen“. Wer Jahrzehnte gearbeitet habe, habe mehr verdient als die bloße Grundsicherung. Am Ende stehe ein Stück des gesellschaftlichen Zusammenhalts auf dem Spiel. „Für Tausende Beschäftigte allein im Kreis Schwandorf stellt sich die Frage, ob ein würdiger Lebensabend in Zukunft noch möglich ist“, warnt Reißfelder. Diese Sorge dürfe die Politik nicht ignorieren. Sie müsse jetzt die nötigen Mittel aufbringen, um Altersarmut im großen Stil zu stoppen.

Das Bundesarbeitsministerium geht bei der Grundrente von jährlichen Kosten von etwa fünf Milliarden Euro aus. Rainer Reißfelder: „Allein die Bankenrettung im Jahr 2008 hat den Steuerzahler rund 60 Milliarden Euro gekostet.“

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