Asylbewerber engagieren sich
Integration dank Ehrenamt – das Schwandorfer THW wird zur „zweiten Familie“

02.06.2018 | Stand 13.09.2023, 3:00 Uhr
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Im Schwandorfer THW engagieren sich derzeit sieben Asylbewerber — darunter drei mit abgeschlossener Grundausbildung. Das Ehrenamt ist für sie ein wichtiger Bestandteil bei ihrer Integration, den sie als große Bereicherung erleben. Eine Erfolgsgeschichte.

SCHWANDORF Osama Abbas gerät regelrecht ins Schwärmen, fragt man ihn nach den positiven Aspekten seines neuen Engagements. Der junge Syrer ist seit über einem Jahr beim THW Schwandorf als Helfer aktiv, hat erst kürzlich in Roding seine Grundausbildung erfolgreich abgeschlossen. Das THW ist für ihn „wie eine zweite Familie“. „Wenn man etwas braucht“, sagt er, „bekommt man hier immer Unterstützung und Hilfe.“ Direkt neben ihm sitzt sein jüngerer Bruder Khalil, als angehender Helfer seit drei Monaten ebenfalls beim THW engagiert. Die Geschwister sehen sich für einen Moment gegenseitig in die Augen, halten kurz inne, dann fügt Osama glücklich hinzu: „Das ist, wie wenn ich meinen eigenen Bruder um Hilfe bitte.“

Die beiden Syrer sind zwei von insgesamt sieben Asylsuchenden, die sich derzeit beim Schwandorfer THW engagieren. Drei von ihnen haben die Grundausbildung bereits abgeschlossen, können also theoretisch an Einsätzen teilnehmen. Die übrigen sind auf dem besten Weg, dieselbe Qualifikation zu erwerben. Für Osama und Khalil Abbas war es eine Selbstverständlichkeit, sich als ehrenamtliche Helfer einzubringen. „Ich habe vom Staat und von den Menschen in Deutschland so viel Hilfe bekommen“, erzählt Osama Abbas im Gespräch. „Da möchte ich der Gesellschaft gerne etwas zurückgeben.“

Eine Motivation, die er sich mit seinem Kameraden Khaled Ankour teilt. Der Syrer ist nicht nur als ehrenamtlicher Helfer beim THW aktiv, er hat auch einen hauptamtlichen Arbeitsplatz bei der Regionalstelle in Schwandorf bekommen. Als studierter Elektroingenieur war er genau der richtige Kandidat für den Posten als Sachkundeprüfer Elektro, erzählt die Leiterin der Regionalstelle Ilona Knecht-Jesberger. Er ist damit für die Prüfung sämtlicher elektronischer Geräte verantwortlich, die in den elf angegliederten Ortsverbänden eingesetzt werden.

Ehrenamt als Integrationshilfe

Auf die Stelle wurde er aufmerksam, nachdem er sich dem Schwandorfer THW vor einem Jahr als Ehrenamtlicher angeschlossen hat. Freunde hätten ihm damals von der Möglichkeit erzählt, sich auf diese Weise einzubringen, und Ankour war von der Idee sofort begeistert. Dabei habe er im Rahmen seines Ehrenamtes eher zufällig von einem zweiwöchigen Praktikum erfahren, das die Regionalstelle angeboten hat. Kurzerhand bewarb sich der Syrer auf den Platz — und hinterließ sogleich einen exzellenten Eindruck bei seinen künftigen Kollegen. Im folgenden Bewerbungsprozess hat sich der Elektroingenieur mit seinem Wissen dann klar gegen die übrigen Bewerber durchgesetzt, obwohl er wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien seinen Master nicht beenden konnte.

Seine Chefin Ilona Knecht-Jesberger ist ohnehin begeistert von der Idee, Asylbewerber ins THW zu integrieren. Sie erkennt in dem aktuellen Versuch ein Modell mit Zukunft. „Wir sehen das sehr positiv“, sagt sie im Gespräch. „Ich bin der Meinung, dass wir auch Migranten und Flüchtlingen die Möglichkeit bieten sollten, sich so für die Gesellschaft zu engagieren.“ Für Knecht-Jesberger ist das außerdem eine gute Möglichkeit, die Integration der jeweiligen Menschen aktiv zu unterstützen. „Beim THW finden sie eine gute Gesellschaft und haben regelmäßigen Kontakt zu anderen Menschen“, sagt die Leiterin der Regionalstelle. „Das wirkt sich wiederum positiv auf die Integration aus, weil sie dadurch ein Teil der Gesellschaft werden.“

Im Ortsverband Schwandorf sind die Flüchtlinge als Helfer jedenfalls bestens integriert. „Es waren am Anfang zwar schon einige skeptisch, ob das funktioniert“, sagt der stellvertretende Ortsbeauftrage Andreas Simon, „aber das hat sich schnell gelegt.“ Inzwischen seien die Asylsuchenden ein fester Bestandteil des Teams, würden Hand in Hand mit den anderen Helfern arbeiten. Auch Osama und Khalil Abbas und Khaled Ankour bestätigen das. „Über das Ehrenamt komme ich mit vielen anderen Menschen in Kontakt“, sagt Ankour. „Das gefällt mir sehr gut.“ Und Osama Abbas ergänzt: „Beim THW lerne ich etwas über die deutsche Kultur, das hilft mir sehr bei der Integration.“ Er mache durch sein Engagement viele neue Erfahrungen, die ihm wichtig seien.

Schwandorfer Helfer wirbt für Ehrenamt

Natürlich hat nicht immer alles gleich reibungslos funktioniert, räumt Simon ein. Vor allem die Sprachbarriere sei anfangs eine größere Herausforderung gewesen – zumal bei den unbekannten Fachausdrücken, die für die Arbeit von Relevanz sind. Doch das THW wäre nicht das THW, hätte es keine Lösung für diese Schwierigkeiten gefunden. Dank der Unterstützung der anderen Helfer haben die Flüchtlinge am Ende ohne größere Probleme gelernt, was zunächst noch einige Mühe bereitet hatte. Es war ein Akt des Zusammenhalts und der gegenseitigen Solidarität unter (angehenden) Helfern, der letztlich zum Erfolg geführt hat – ein Akt der Teamarbeit, wie er selbstverständlich ist für eine Hilfsorganisation wie das THW.

Wie erfolgreich der Schwandorfer Ortsverband mit dieser Strategie ist, beweist niemand besser als Sherwan Omer. Der junge Syrer ist angehender Friseur im zweiten Lehrjahr, lebt und arbeitet in Wackersdorf. Seit 2016 engagiert er sich nebenbei beim THW, nachdem er über die Nachbarschaftshilfe von der Möglichkeit erfahren hat. Der zuständige Ortsbeauftragte Martin Liebl war zuvor auf die Organisation zugegangen, um Asylsuchenden ebenfalls diese Chance anzubieten. Nach einem ersten Kennenlernen entwickelte er sich schnell zu einem geschätzten Mitglied des Teams, besuchte am Donnerstag regelmäßig die Aus- und Fortbildungen. Im Mai 2017 absolvierte er schließlich mit Erfolg seine Grundausbildung als Helfer. Mittlerweile ist Omer – seines Zeichens Angehöriger der 2. Bergungsgruppe – sogar offizieller Werbeträger für das Ehrenamt beim THW.

Bei der Kampagne „Doppelt engagiert“ wurde der Asylsuchende unter einer Vielzahl von Bewerbern ausgewählt, um die Organisation mit seinem Gesicht zu repräsentieren. Mit der Aktion will das bayerische Innenministerium Arbeitgebern für ihre Bereitschaft danken, ihre Mitarbeiter für Einsätze und Übungen vom Dienst freizustellen. Auf dem dazugehörigen Plakat ist Omer deshalb mit seiner Chefin Monika Lorenz abgebildet, der Inhaberin des Friseursalons Lorenz in Wackersdorf. Sie schätzt ihren neuen Mitarbeiter, so die Botschaft auf den bayernweit aushängenden Plakaten, gerade weil er sich neben seinem Beruf ehrenamtlich engagiert.

Integration ist in Schwandorf eine Erfolgsgeschichte

Für den Syrer ist es eine große Ehre, dass er das THW bei dieser Kampagne vertreten darf. „Es ist wirklich ein sehr schönes Gefühl“, sagt Omer. „Man macht hier etwas für andere Menschen, lernt immer etwas neues und kann etwas für die Menschlichkeit tun.“ Beim Schwandorfer THW hat Omer inzwischen eine beachtliche Karriere hingelegt. Im Anschluss an die Grundausbildung hat er zusätzlich die Atemschutzausbildung absolviert, außerdem war er bereits an mehreren Einsätzen als Helfer beteiligt. Der Stolz und die Begeisterung für sein Engagement ist ihm während des Gesprächs deutlich anzumerken, immer wieder betont er mit einem Lächeln, welche Möglichkeiten ihm das THW geboten hat und welche Unterstützung er durch die Helfer erfahren hat, auch bei den anfänglichen Problemen bei der Grundausbildung. Umgekehrt gilt er beim Ortsverband längst als ein vollwertiges und hochgeschätztes Mitglied, das den Respekt seiner Kameraden genießt.

Eine Erfolgsgeschichte also? „Auf jeden Fall“, sagt der Ortsbeauftragte Martin Liebl. Von den Asylbewerbern der ersten Generation, die er über die Nachbarschaftshilfe eingeladen hat, ist zwar lediglich Omer als Helfer geblieben. Einige andere hätten im Laufe der Zeit festgestellt, dass das Ehrenamt beim THW nicht ihren Vorstellungen entspricht; wieder andere seien nach einer Weile nicht mehr erschienen. Liebl kennt diese Problematik zu Genüge, sie begegnet ihm unabhängig von der Herkunft der Helfer regelmäßig. Aber die Asylbewerber, die heute in seinem Team engagiert sind, sagt Liebl, auf die könne man sich bedingungslos verlassen.

In der Ausbildung beim THW sieht der Ortsbeauftragte gleich zwei entscheidende Vorteile. Zum einen stünden die Flüchtlinge in Kontakt mit anderen Menschen, müssten die deutsche Sprache lernen und anwenden, ja den Austausch pflegen. Die Integration gelinge so deutlich leichter, als wenn die Betroffenen weitgehend isoliert von anderen Menschen sind, sagt Liebl im Gespräch. „Das THW ist einfach eine gute Möglichkeit, sich zu integrieren und der Gesellschaft etwas zurückzugeben, denn nur so kann die Integration im Endeffekt gelingen — wenn von beiden Seiten etwas kommt.“ Er würde sich wünschen, sagt der THWler, dass viele andere Hilfsorganisationen diesem Beispiel folgen.

Die Tätigkeit beim THW „ist einfach das Beste“

Zum anderen sieht er in der Integration über das THW die Chance, dass die Asylsuchenden nach einer möglichen Rückkehr in ihr Heimatland vor Ort selbst einen aktiven Zivilschutz aufbauen können – ausgestattet mit dem Know-how, das sie beim THW erlernt haben. „Das ist selbstverständlich nicht unser vorrangiges Ziel, wieso wir das machen“, so Liebl, „aber durchaus ein Hintergedanke, den wir dabei mit im Kopf haben.“ Der Plan sei zumindest vorhanden, sollte er denn irgendwann gefragt sein. Auf diese Weise könne die Bundesregierung dann Entwicklungshilfe mit erfahrenen Helfern leisten, die ihrerseits mit den örtlichen Strukturen vertraut sind.

Und Osama und Khalil Abbas, Khaled Ankour und Sherwan Omer? Für sie ist das alles noch in weiter Ferne. Ein baldiger Frieden in Syrien, befürchtet Omer, sei leider nicht absehbar. Für sie zählt daher der jeweilige Moment, ihr Engagement beim THW und der Einsatz für andere Menschen. Von dessen Möglichkeiten sind die vier Helfer so begeistert, dass sie bei anderen fleißig die Werbetrommel für die Hilfsorganisation rühren. „Ich empfehle das immer meinen Freunden“, sagt Khaled Ankour. „Die Tätigkeit, die das THW ausübt, die Unterstützung für Menschen in Not – das ist einfach das Beste.“ Es ist eine spürbare Faszination, die in seinen Worten mitschwingt, eine reale und freudige Begeisterung, von der letzten Endes die Gesellschaft als Ganzes profitiert.

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