Prozess gegen Beamten
Asylbewerber randalierte auf der Wache, Polizist tickt aus – Disziplinarverfahren!

14.03.2019 | Stand 13.09.2023, 0:33 Uhr
−Foto: n/a

Am Höhepunkt der Flüchtlingskrise verlor ein Hauptkommissar offenbar die Nerven – er hat einen Afghanen hart angefasst. Verurteilt ist er strafrechtlich bereits, jetzt geht es auch um seinen Dienstgrad.

REGENSBURG Für einen bayerischen Polizeibeamten hat die sogenannte Flüchtlingskrise im Herbst 2015 ganz persönliche Konsequenzen. Nach einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Körperverletzung eines afghanischen Flüchtlings wurde der heute 51-jährige Polizeihauptkommissar zunächst sogar vom Dienst suspendiert. Am kommenden Montag, 18. März, wird sich die zehnte Kammer des Verwaltungsgerichts Regensburg als Disziplinarkammer mit dem Fall befassen müssen.

Der Freistaat Bayern will den ehemaligen Dienstgruppenleiter degradieren – dabei müssen die Verwaltungsrichter allerdings erst einmal zustimmen.

Folgendes ist im August 2015 passiert: Zwischen Januar und August 2015 waren bereits mehr als 310.000 Migranten illegal nach Deutschland eingereist. Nur die wenigsten hatten Pässe dabei. Der Rechtsstaat war an seine Grenzen geraten. Eine Einreisekontrolle, eine ordentliche Erfassung von Einreisenden – all dies fand im Chaos des Jahres 2015 faktisch nicht mehr statt.

Und dennoch mussten sich Beamte der Bundespolizei und der Landespolizei immer wieder mit Migranten auseinandersetzen. Da geschah es, dass drei afghanische Jugendliche aus ihrer Unterkunft in Landau ausrissen und mit dem Zug ohne Ticket nach Landshut gefahren waren. Die Bundespolizei griff die Jugendlichen damals auf, brachte sie in die Landshuter Wache. In den Räumen der Landshuter Polizei weigerten sie sich dann nicht nur, ihre Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung abzugeben, sondern randalierten, setzten sich mit Händen und Füßen zur Wehr, so dass die Streifenbeamten u.a. vom Dienstgruppenleiter und anderen Kollegen unterstützt wurden.

Als der Scanner streikte, packte der Polizist ihn

Dem Dienstgruppenleiter scheinen da die Sicherungen durchgebrannt zu sein. Denn zu allem Überfluss streikte dann auch noch der Scanner, die drei Jugendlichen sollten deshalb zur Abnahme der Fingerabdrücke in den ersten Stock in die Räume des Kriminaldauerdienstes gebracht werden. Dabei packte der Polizeihauptkommissar einen auf dem Boden sitzenden, mit Handschellen und Klettfesseln an den Beinen fixierten 17-Jährigen an der Verbindungskette der Handschellen und zog die Arme des jungen Afghanen bis zum Anschlag der Schultergelenke nach oben, so dass sich der Oberkörper zeitweise in der Luft befunden habe, wie es in der Anklage hieß. Der 17-Jährige habe vor Schmerz geschrien und der Dienstgruppenleiter erst von ihm abgelassen, als er von Kollegen lautstark aufgefordert worden sei, aufzuhören. Der Polizeibeamte wurde nach dieser Tat sofort vom Dienst suspendiert. In einem ersten Verfahren vor dem Amtsgericht hatte er seine Schuld nicht eingestanden und war zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht Landshut verurteilte ihn dann in der Berufung zu 150 Tagessätzen – 9.000 Euro musste der Polizist bezahlen.

Er habe den 17-Jährigen, von dem aktiver Widerstand ausgegangen sei und der Kollegen verletzt habe, keinesfalls quälen bzw. verletzen wollen, sagte sein Verteidiger damals vor Gericht. Doch jetzt geht es um die weiteren Folgen seines Handelns: „Der Freistaat hat beantragt, seinen Dienstgrad zurückzustufen“, sagte ein Sprecher des Verwaltungsgerichts auf Anfrage. Die Richter müssen entscheiden, ob ein Polizist die Nerven verlieren darf – oder bis zu seinem Lebensende Einschnitte wegen einer solchen Tat, beispielsweise bei der Pension, erleiden muss.

Regensburg