Spendenaffäre
Wer dazugehören wollte, überwies im Wahlkampf Geld – und zwar an SPD und CSU

04.11.2018 | Stand 13.09.2023, 1:57 Uhr
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Das „Who is Who“ der Regensburger Stadtgesellschaft spendete vor der Wahl nicht nur für Wolbergs, sondern auch für die CSU.

REGENSBURG Der Buchhalter der Bayern-SPD war vergangene Woche im Zeugenstand am 13. Tag des Korruptions-Prozesses gegen den suspendierten Oberbürgermeister Regensburgs, Joachim Wolbergs. Alfons Sträußl ist Landesgeschäftsführer, sein Dienstsitz ist in Regensburg. Wolbergs hatte als Bezirksvorsitzender der SPD sogar sein Büro über dem von Sträußl. „Er hat in Regensburg alles abgegrast“, berichtete Sträußl im Zeugenstand. Richterin Elke Escher wollte von dem hauptamtlichen SPD-Mann wissen, ob etwas auffällig war am Spendengebaren der Regensburger an den Ortsverein Stadtsüden, dem Wolbergs vorstand und dessen Kassenprüferin seine Frau Anja war. „Die Spendenliste ist das Who is Who der Regensburger Gesellschaft“, bestätigt Sträußl dem Gericht. Gelesen hatte er den Satz schon vor eineinhalb Jahren im Regensburger Wochenblatt.

Grund genug, sich die Listen der Spender tatsächlich nochmals anzusehen. Sie liegen dieser Zeitung vor. Aber nicht nur diese, sondern auch die Liste der Spender an die CSU im Jahr 2013, dem Jahr vor der Kommunalwahl. Und sie sind durchaus beide interessant. Vor allem werfen sie die Frage auf, warum gegen den SPD-Politiker Wolbergs mit aller Härte ermittelt wurde, bei der CSU aber bei gleichen Indizien erst viele Monate später.

Zunächst die absoluten Zahlen: Der SPD Ortsverein Stadtsüden weist im Jahr 2013 insgesamt 268.000 Euro an Spenden aus. Davon stammen 197.000 Euro von natürlichen Personen, 71.000 Euro von Firmen.

Bei der CSU nahm man im Jahr 2013 insgesamt 253.000 Euro von Firmen ein, 282.000 Euro stammten von Privatpersonen. Insgesamt nahm die CSU also 535.000 Euro in einem Jahr ein. Der Grund ist klar: Man sammelte sowohl für den Wahlkampf von Christian Schlegl um das OB-Amt, als auch für den CSU-Abgeordneten Franz Rieger. Bei der CSU stammen insgesamt 280.000 Euro, die 2013 gespendet wurden, von Privatpersonen oder Firmen aus der Baubranche. Zahlreiche Baufirmen und hinzugehörende Privatpersonen befinden sich auf beiden Listen, sowohl von CSU, als auch von der SPD. Übrigens haben auch bei der CSU die Ehefrauen von Bauträgern gespendet, wie bei der SPD. Es scheint, als wollte sich die Regensburger bessere Gesellschaft im Wahlkampf 2014 generell nicht in die Karten schauen lassen.

Teilweise sind die Spender bei der CSU identisch mit denen auf der SPD-Spenderliste. Wie berichtet, gibt es neun Spenden knapp unter 10.000 Euro, die von Mitarbeitern der Firma BTT stammen. Das sind knapp 90.000 Euro bei der CSU. Bei der SPD spendete der fast exakt identische Personenkreis 108.900 Euro. Auf der kompletten CSU-Spenderliste finden sich nur zwei Spenden über 10.000 Euro: Das Unternehmen Mac-Jeans spendete 30.000 Euro, die CSU musste die Spende auch veröffentlichen. 20.000 Euro stammten von einem Druckunternehmen. Die CSU nahm das Parteiengesetz übrigens wörtlich: 10.000 Euro ist die Grenze, ab 10.001 Euro muss die Spende veröffentlicht werden. Deshalb taucht auch die 10.000-Euro-Spende von Fürst Albert von Thurn und Taxis nur intern auf. Allein 17 Spenden knapp unter 10.000 Euro weist die Liste der CSU auf. Bei der SPD sind es 16 solcher Spenden. Alle in der Spendenaffäre benannten Bauträger, gegen die ermittelt wurde oder wird, sprich Thomas D., Martin und Ferdinand Schmack sowie Volker Tretzel, tauchen in beiden Rechenschaftsberichten für die Jahre 2013 auf.

Quittungen über 60.000 Euro der CSU-Agentur

Was es bei Wolbergs übrigens nicht gibt, bei Christian Schlegl aber schon, ist eine Mail an den derzeit angeklagten Franz W., an welche Adressen er die Spendenquittungen schicken soll. Dafür gibt es den Vorhalt, Wolbergs habe für die Spenden das Baugebiet Nibelungenkaserne an Tretzel vergeben oder dafür gesorgt. Hauptzeuge dafür ist Christian Schlegl. Und bei dem gibt es noch etwas, was erklärungsbedürftig ist: Auf der CSU-Liste taucht der Name Thomas D. nur einmal auf, er spendet 9.900 Euro. Dafür gibt es Rechnungen der Agentur, die für Christian Schlegl den Wahlkampf managte, in Höhe von 60.000 Euro, die D. bezahlte. Die Ermittler prüfen derzeit, ob das Scheinrechnungen waren. Auch hier ist der Vergleich interessant: 2013 spendete D. keinen Cent an Wolbergs. Insgesamt aber waren es 87.000 Euro bis 2016 – durchaus vergleichbar also mit der CSU.

KOMMENTAR

So geht der Rechtsstaat langsam zu Grunde

Wenn in der Türkei ein deutscher Journalist verhaftet wird, gehen hierzulande Journalisten auf die Barrikaden. Wenn sich aber ihre Gespräche mit Politikern in Audiodaten der Polizei wiederfinden, scheint das niemanden zu jucken. Umso erstaunter war allerdings der ein oder andere Kollege, als er seine Stimme im Gerichtssaal 104 des Regensburger Landgerichts wiedererkannte, als kürzlich die Mitschnitte im Wolbergs-Prozess vorgespielt wurden. Doch solange die Ermittlungen der Polizei unter der Überschrift „Korrupter Politiker“ stehen, ist der Rechtsstaat einerlei. „Da wird schon was dran sein“, sagten ja auch viele, als der Oberbürgermeister und mit ihm ein Bauträger und dessen früherer Geschäftsführer im Januar 2017 in Untersuchungshaft g<eworfen wurden. Dass sich die Haftgründe jetzt in Luft auflösen – „so what“? Wer wissen will, woran der Rechtsstaat hapert, der sollte mal das Wolbergs-Verfahren am Landgericht besuchen. Wenn die Ermittlungen die Strafe ersetzen, dann wird es kritisch. Wenn sich Rechtsanwaltskosten auf 400.000 Euro auftürmen, die auch ein Berufspolitiker nie mehr zurückzahlen kann, dann wird es fraglich. Aufhorchen ließ auch die Zeugenaussage einer früheren Mitarbeiterin im SPD-Wahlkampfbüro beim Prozess gegen Wolbergs: Die Polizei habe ihr „das Fürchten gelehrt.“ Antworten seien ins Protokoll diktiert worden. Sogar die Vorsitzende Richterin Elke Escher zeigte sich entsetzt, wie fehlerhaft und einseitig Telefonate von der Polizei protokolliert wurden.

Der Rechtsstaat, er geht so jedenfalls langsam zugrunde ...

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