Anwalt im lockeren Outfit
Im Sommerhemd vor Gericht zum Vergewaltigungs-Prozess

18.08.2018 | Stand 13.09.2023, 2:06 Uhr
−Foto: n/a

Im Prozess um eine Vergewaltigung taucht ein Verteidiger im Sommeroutfit auf – ziemlich respektlos eigentlich. Aber in Bayern dürfen Verteidiger das. Den Mandanten bewahrte das allerdings nicht vor einer hohen Haftstrafe.

REGENSBURG Das Landgericht hat einen 41-jährigen Finanzmakler bereits vergangenen Freitag zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und die Unterbringung in einer Entzugsklinik verurteilt. Vorsitzender Richter Georg Kimmerl sah es in seiner Urteilsbegründung als erwiesen an, dass der Mann seine damalige Lebensgefährtin nach einem Streit im November 2017 in seiner Wohnung einsperrte, brutal geschlagen und anschließend vergewaltigt hatte. Erst in den frühen Morgenstunden gelang es der Frau, die Wohnung zu verlassen. Sie ging zur Polizei, Ärzte fanden massive Verletzungen bei ihr. Nach der Verhaftung des Regensburgers fand die Polizei zudem ein Bild seiner damals zweijährigen Tochter auf dem Computer, das sie nackt und sexuell aufreizend zeigte. Dieser Vorwurf wurde allerdings nach Paragraph 154 der Strafprozessordnung eingestellt, nachdem die zu erwartende Strafe für diese Tat im Vergleich zu den weiteren Vorwürfen zu vernachlässigen sei.

Für Aufsehen dorgte derweil ein prominenter Anwalt während des Prozesses: Der Strafrechtler Hubertus Werner aus Landshut. Dieser Auftritt vor dem Landgericht in Regensburg dürfte Prozessbeobachtern ebenso im Gedächtnis bleiben wie dem Vorsitzenden Richter der Strafkammer Georg Kimmerl und seinen Beisitzern. Der Anwalt kam angesichts der hohen Temperaturen letzten Mittwoch nicht nur locker gekleidet in den Schwurgerichtssaal – seine Kleidung, ein knallgelbes kurzärmliges Hemd, erinnerte eher an einen Strandaufenthalt auf Mallorca als an eine adäquate Anwaltskleidung.

Dabei war der Fall, in dem Werner neben dem – völlig korrekt mit Schlips und Hemd gekleideten – Helmut Mörtl einen 41-Jährigen vertat, sehr pikant. Beim Prozessauftakt am Mittwoch schwieg der 41-jährige Finanzmakler zunächst, seine Anwälte stellten dafür noch vor der Anklageverlesung zahlreiche Anträge, unter anderem auf Aussetzung des Verfahrens. So habe der Mann in der Untersuchungshaft einen Herzinfarkt erlitten. Zwar sei er anschließend stationär in einem Regensburger Krankenhaus behandelt worden, allerdings sei ihm dann „die notwendige Heilbehandlung versagt worden“, so sein Rechtsanwalt Hubertus Werner. Auf den Einwand der Staatsanwaltschaft, in der Justizvollzugsanstalt werde er wohl weder mit Alkohol und Drogen konfrontiert, erwiderte der zweite Anwalt des Angeklagten, Rechtsanwalt Helmut Mörtl: „Ich wüsste nicht, wie sich mein Mandant angesichts seiner gesundheitlichen Lage in der JVA ernähren kann, wenn ihm Currywurst mit Pommes angeboten werden.“ Zudem habe man ihm in der JVA Regensburg verwehrt, sich am Gang des Gefängnisses auf und ab zu bewegen.

Eklat mit Angehöriger bei Anklage-Verlesung

Die Landgerichtskammer unter Richter Georg Kimmerl lehnte den Antrag ab. Einem Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit gab das Gericht teilweise statt: So wurde zwar die Anklage gegen den 41-Jährigen verlesen, die Öffentlichkeit aber während der Aussage des Opfers und allen weiteren Verhandlungstagen ausgeschlossen. Klar wurde aber vorher, dass der Angeklagte zumindest die Vergewaltigungsvorwürfe abstreitet. „Die Vorwürfe aus der Anklage geben im Prinzip das wieder, was sexuelle Praktiken zwischen dem Angeklagten und dem mutmaßlichen Opfer waren“, so die Anwälte. Dem Mann wurde zudem vorgeworfen, ein kinderpornographisches Bild seiner eigenen Tochter angefertigt zu haben. Zu einem Eklat im Gerichtssaal kam es, als eine Frau bei Verlesung der Anklage eine Drohgeste in Richtung des Angeklagten machte. Das Gericht ordnete die Aufnahme der Personalien an.

Dass Richter Kimmerl keine Einwände gegen Hubertus Werners knallgelbes Hemd unter der Robe hatte, ist nicht selbstverständlich. Erst kürzlich weigerte sich ein Düsseldorfer Richter zu verhandeln, weil ein Anwalt keine Krawatte trug. Landgerichtssprecher Thomas Polnik sagte dieser Zeitung, dass Anwälte in Bayern lediglich zum Tragen einer Robe verpflichtet sind. Es gebe aber Gerichtsurteile, „die von einer gewohnheitsrechtlichen Pflicht zum Tragen einer weißen Halsbinde und eines weißen Hemdes ausgehen“, so Polnik weiter. Doch es gebe auch Kritik an dieser Rechtsprechung.

Während des Prozesses wurde die Öffentlichkeit nach einem Beschluss der Landgerichtskammer ausgeschlossen. Begründet wurde das damit, dass auch über die Sexualpraktiken des früheren Paares gesprochen werden musste. Die Verteidiger des 41-Jährigen hatten ins Feld geführt, dass das Paar eine Beziehung geführt habe, in der Fesselspiele und Gewalt Teil gewesen seien. „Die Vorwürfe aus der Anklage geben im Prinzip das wieder, was sexuelle Praktiken zwischen dem Angeklagten und dem mutmaßlichen Opfer waren“, so einer der Anwälte des Mannes, der Strafverteidiger Hubertus Werner. Der Mann wurde zu fünf Jahren verurteilt, der Vorwurf der Kinderpornographie wurde allerdings fallen gelassen. Ferner wurde die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. „Dem Urteil ging eine Verständigung voraus“, teilte ein Gerichtssprecher mit. Anwälte, Staatsanwalt und verhandelnde Kammer hatten sich also auf ein Strafmaß geeinigt, wenn der Angeklagte die Taten einräumt und dafür dem Vergewaltigungsopfer eine Aussage erspart. Statt der anberaumten sieben Verhandlungstage fand der Prozess schon nach zwei Verhandlungstagen ein Ende. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Regensburg