Meinungsäußerung oder Tatsache
Xavier Naidoo als „Antisemit“ bezeichnet – jetzt klagt der Sänger vor dem Regensburger Landgericht!

26.06.2018 | Stand 13.09.2023, 0:17 Uhr
Verena Bengler
−Foto: Foto: vb

Großes Erstaunen macht sich unter den Zuschauern breit, als Xavier Naidoo höchstpersönlich am Dienstag, 26. Juni, den Gerichtssaal betritt. Der berühmte deutsche Soul- und R‘n‘B-Sänger klagt gegen eine Bildungsreferentin auf Unterlassung, weil diese ihn am 5. Juli in Straubing öffentlich als „Antisemit“ bezeichnet hatte.

REGENSBURG Die Referentin hielt im Rahmen eines Projekts der Stadt Straubing den Vortrag „Reichsbürger – Verschwörungsideologie mit deutscher Spezifik“. Nach ihrem Vortrag hatte sich dann eine Diskussionsrunde entwickelt, in der sie gefragt wurde, wie sie den Sänger in diesem Kontext einschätzen würde. Wie die Straubinger Rundschau vergangenes Jahr berichtete, antwortete die Referentin: „Ich würde ihn zu den Souveränisten zählen, mit einem Bein bei den Reichsbürgern. Er ist Antisemit, das darf ich, glaube ich, aber gar nicht so offen sagen, weil er gerne verklagt. Aber das ist strukturell nachweisbar“. Xavier Naidoo, dem das anschließend zu Ohren gekommen war, erwirkte noch im August 2017 eine einstweilige Verfügung gegen sie, die diese aber nicht anerkannte.

Bei dem Prozess vor dem Regensburger Landgericht ging es nun um die Frage, ob die Aussage der Referentin eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung ist. „Antisemitismus ist für mich eine bestimmte Form der ideologischen Verschwörungstheorie, bei der die Geschicke der Welt von einer kleinen Gruppe gelenkt werden“, erklärt die Beklagte ihre Ansichten. Xavier Naidoo hingegen hat eine ganz andere, weniger theoretische Definition des Begriffs: „Antisemitismus ist für mich, wenn man aktiv Menschen semitischer Herkunft diffamiert, zum Beispiel durch Videos und Internetauftritte. Das habe ich nicht getan. Ich propagiere Liebe und Frieden zwischen den Völkern und Religionen“, stellt der Sänger unmissverständlich klar.

„Ich propagiere Liebe und Frieden“

Von antisemitischen Codes, die er teilweise in seinen Liedern verwendet haben soll, weiß der Sänger nichts. Vor allem die beiden Lieder „Raus aus dem Reichstag“ und „Marionetten“ waren aufgrund verwendeter Begriffe wie „Schmock“, „Keinherzbank“ oder „Totschild“ negativ aufgefallen. „Codes sind mir gar nicht bekannt. Ich nutze einfach die Sprache, die mir gerade einfällt“, versichert Xavier Naidoo. „Mir ist es egal, wo der Mensch herkommt. Mein Konzertveranstalter ist Jude, ich habe jüdische Freunde und mein Sohn trägt einen hebräisch-jüdischen Namen“, erzählt der Sänger weiter. In seinem Lied „Raus aus dem Reichstag“ geht es laut Xavier Naidoo um Bankenkritik und Korruption und in seinem Lied „Marionetten“ um den Lobbyismus.

Am Ende der Verhandlung ist dem Vorsitzenden Richter eines klar: Die beiden Parteien haben unterschiedliche Auffassungen von Antisemitismus. Obwohl er die Äußerung der Referentin als Einschätzung sieht und damit die Meinungsfreiheit für die Referentin spricht, ist sich der Richter der negativen Besetzung des Wortes bewusst. „Es ging nie um eine Diskreditierung. Ich sehe das als zulässige Meinungsäußerung“, stellt die Anwältin der Referentin klar. „Für den Betroffenen ist das unerträglich“, entgegnet daraufhin Naidoos Anwalt erbost.

Die Entscheidung des Richters wird am Dienstag, 17. Juli, verkündet.

Regensburg