Auf Streife in Krisenzeiten
Die Polizei im Ausnahmezustand

02.04.2020 | Stand 13.09.2023, 0:37 Uhr
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Die Polizei in Niederbayern ist angesichts der Corona-Krise im Ausnahmezustand. Nichts ist, wie es sonst ist: Es gibt weniger Einbrüche, weniger Gewalt und Diebstähle. Massiv zurückgegangen ist auch die Zahl der Unfälle. Dafür wird auf den freien Straßen mehr gerast.

Niederbayern. „Normalerweise haben wir 100 bis 120 Unfälle am Tag. Mittlerweile sind es um die 40“, sagt Maximilian Bohns, Sprecher des Polizeipräsidiums in Niederbayern. „Wenn weniger Menschen unterwegs sind, passiert einfach auch weniger“, so die Erklärung des Oberkommissars. Doch nicht nur auf den Autobahnen, Bundes-, Staats- und Kreisstraßen ist es fast schon unheimlich ruhig. Auch die Zahl der leichten und schweren Straftaten gehen angesichts der Krise massiv zurück.

Einen Teil dazu beigetragen haben sicherlich die Grenzschließungen. Einbrecherbanden und organisierte Autoknacker aus dem Osten Europas können nicht mehr auf Beutezug gehen und dann über die Grenze verschwinden. Und überhaupt: Wo will man schon einbrechen, wenn jeder zu Hause sitzt und Home-Office macht? Im Polizeibericht von Landshut sieht das dann so aus: ein Parkrempler, zwei Drogenfahrten, ein verklebtes Türschloss und einmal Alkohol am Steuer – die relevanten Vorfälle von Samstag bis Mittwoch, Verstöße gegen die Allgemeinverfügung einmal ausgenommen.

Auch würde jetzt normalerweise die Zeit der Fahrraddiebstähle beginnen. Doch die sucht man im Polizeibericht ebenfalls vergebens wie die klassischen Schlägereien zu später Stunde vor Diskotheken oder Kneipen. Es hat einfach nichts mehr geöffnet, wo man sich betrinken könnte. Gegen private öffentliche Trinkgelage geht die Polizei ebenfalls sofort vor. Kein Alkohol, keine Aggressionen. Alles ist ruhig.

„Unser Einsatzschwerpunkt hat sich mittlerweile auf die Kontrollen des Ausgehverbotes verlagert“, erzählt Daniel Prinz, Sprecher der Polizei in Landshut. Ob das die positive Seite der Virus-Epidemie ist? „Wenn man das so sehen, will: Ja!“

Trotzdem wäre es den niederbayerischen Beamten wohl lieber, sie hätten es nicht mit dem unsichtbaren Feind zu tun, dem Virus. Auch ihr Arbeitsalltag hat sich durch die Corona-Krise massiv verändert. Wenn es geht und die Arbeit es zulässt, werden Beamte ins Home-Office geschickt. Dumm nur, dass das nur in Ausnahmefällen geht, weil der bayerischen Polizei dafür die Ausstattung fehlt.

„Alle Dienststellen wurden zudem mit Schutzausrüstungen versorgt“, sagt Bohns. Dazu gehören Gesichtsschutzmasken, aber auch Anzüge und Brillen. Man habe es aber den Dienststellen selbst überlassen, konkrete Maßnahmen zu treffen, damit sich Polizisten im Einsatz nicht anstecken und dann ausfallen.

In Landshut sieht das zum Beispiel so aus: Weil man im Streifenwagen, die grundsätzlich mit zwei Beamten besetzt sind, schlecht den geforderten Sicherheitsabstand einhalten kann, würden jetzt nur noch „feste Teams“ auf Streife gehen, wie Prinz erklärt. So soll verhindert werden, dass ein erkrankter Beamter viele andere Polizisten ansteckt. Zeigt ein Polizist Symptome, dann werden er und sein Kollege abgezogen und ein anderes Team übernimmt. Lässt es sich im Einsatz nicht vermeiden, dass der Mindestabstand zu anderen eingehalten werden kann, bei Widerstandshandlungen zum Beispiel, dann kommt die Schutzausrüstung zum Einsatz.

Eines hat sich aber dann doch nicht verändert: Es wird mehr gerast auf den freien Straßen. „Offenbar fahren die Raser jetzt noch rücksichtsloser“, heißt es im Pressebericht vom Mittwoch. Fast keine Messung vergehe, egal ob innerorts oder auf Landstraßen, ohne gemessene Geschwindigkeiten weit über dem Limit. „Die sonst eher seltenen Spitzenwerte überholen sich aktuell fast täglich“, so die Polizei. 172 Stundenkilometer auf der B 388 bei Bodenkirchen statt 100. Auf der B 15 bei Ergolding wurden statt der erlaubten 100 Kilometer pro Stunde 164 gemessen und in Saal an der Donau raste ein Autofahrer mit Tempo 143 durch eine Tempo-70-Zone. Auch innerorts werden Spitzengeschwindigkeiten gefahren. Mit 113 Stundenkilometern raste ein Fahrer durch Obersüßbach und 94 Stundenkilometer waren es in Dietrichstetten. In Gottfriedingerschwaige (erlaubte 50) raste ein Fahrer, er hatte einen Anhänger am Auto, mit 116 Stundenkilometern in die Radarfalle. Die Polizei: „Die Fahrzeugführer müssen in naher Zukunft nicht nur mit einem Ausgehverbot, sondern auch mit einem Ausfahrverbot bis zu 3 Monaten rechnen.“

Landshut