Berufungs-Prozess in Landshut
Keine Gnade mehr für den Todesfahrer

22.11.2019 | Stand 03.08.2023, 4:30 Uhr
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Als „reine Lustfahrt“ bezeichnete der Vorsitzende Richter Peter Pöhlmann die Spritztour des Angeklagten aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck mit dem Erlkönig, einem BMW 850i. Die Fahrt endete mit einem Horror-Crash, bei dem eine damals 53-jährige Frau noch an der Unfallstelle verstarb. Todesfahrer war ihr Schwiegersohn in spe, ein BMW-Ingenieur und Testfahrer. Wegen fahrlässiger Tötung wurde der 39-Jährige bereits im Juli vom Amtsgericht Landshut zu einer 22-monatigen Bewährungsstrafe und einer zweijährigen Führerscheinsperre verurteilt. Doch Staatsanwalt Gert Strohner wollte keine Gnade walten lassen und legte Berufung ein. Und er bekam Recht: Die Bewährung wurde nun im Berufungsprozess aufgehoben und der Ingenieur wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zur Haftstrafe verurteilt.

LANDSHUT Es war laut Aussage des Angeklagten ein „lang gehegter Traum“ der ehemaligen BMW-Mitarbeiterin, einmal mit ihm mitfahren zu dürfen. „Sie hat es geliebt, schnelle Autos zu fahren, und war extrem stolz auf mich, meine Arbeit und das Auto“, erklärte der 39-Jährige mit tränenerstickter Stimme. Auf einer gemeinsam besuchten Geburtstagsfeier habe man dann den Entschluss gefasst, eine Runde mit dem 530 PS-starken BMW M850i zu drehen. Wie bereits berichtet, raste er gegen 22.40 Uhr über die Kreisstrasse im Gemeindebereich Bodenkirchen (Landkreis Landshut) in Richtung Michlbach – eine für ihn völlig unbekannte Strecke in einem Waldstück. Bei einer Links-Rechts-Kurvenkombination verlor er mit 116 Stundenkilometern die Kontrolle über den Boliden. Er kam von der Straße ab, krachte gegen einen Baum und blieb auf dem Dach liegen. Die Verletzungen der Frau waren so schlimm, dass sie noch an der Unfallstelle verstarb.

Laut Jürgen Groß, Sachverständiger der Dekra, hätte ein „sportlicher Normalfahrer diese Kurvenkombination mit gerade einmal 70 km/h durchfahren, ein professioneller Fahrer mit nicht mehr als 95“.

„Ich bin in dieser Kurve zu schnell gefahren, das geht voll auf meine Kappe“, gestand der Unfall-Verursacher. Nachdem das Auto ausgebrochen war, habe er noch versucht, dagegen zu lenken und leicht Gas zu geben, um wieder in die Kurveninnenseite zu gelangen. Doch es gelang ihm nicht.

Als BMW-Ingenieur fahre er bis zu 30.000 Kilometer im Jahr und kenne den Fahrzeugtyp „in- und auswendig“, seit 2010 ist er als Testfahrer tätig, dreht seine Kurven auch auf dem Nürburgring. „Ich wünschte, ich hätte ihr diesen Wunsch nicht erfüllt. Ich habe viel Leid über die ganze Familie gebracht und versuche täglich mit der Schuld zu leben“, wie der Angeklagte erklärte. Deswegen befinde er sich auch in psychiatrischer Behandlung.

„Der Angeklagte handelte grob fahrlässig und stellte sich mit seiner Rennfahrermanier auch noch über alle geltenden Verkehrsregeln“, so Staatsanwalt Strohner. Er forderte daher in seinem Plädoyer, das Urteil aus erster Instanz abzuändern und die Strafe nicht zur Bewährung auszusetzen.

Dem folgte die Kammer und verurteilte den 39-Jährigen nun zu der Haftstrafe. „Der Angeklagte wollte demonstrieren, was das Auto kann. Gerade von einem Profi-Fahrer kann man umso mehr erwarten, dass er solche Situationen richtig einschätzen kann“, wie der Vorsitzende Richter Peter Pöhlmann das Urteil begründete. Man könne zudem nicht bei Dunkelheit bewusst die Gegenfahrbahn verwenden, um noch schneller durch die Kurve zu kommen. Und ebenso wenig „Vollgas fahren“ auf einer unbekannten und unübersichtlichen Strecke, wo eine Vollbremsung hätte nötig sein müssen. „Auch wenn ich so ein Auto fahre, muss man sich an die Straßenverkehrsordnung halten“, betonte Pöhlmann.

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