Drogen, Alkohol und Lügen
Das kuriose Doppelleben des Glatzenräubers

26.09.2019 | Stand 31.07.2023, 9:44 Uhr
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Drogen, Alkohol, Geldnöte und viele Lügen – hört man die Erzählungen des 40-jährigen Angeklagten, dann bestand daraus sein Alltag. Am zweiten Prozesstag gab der „Glatzenräuber„ Einblicke in sein Leben, und erntete damit mehr als nur einmal unglaubwürdiges Kopfschütteln bei den Prozessbeteiligten.

LANDSHUT Wie bereits berichtet, muss sich der Angeklagte, ein Familienvater aus München, vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts Landshut wegen schwerer räuberischer Erpressung verantworten: Neun Banküberfälle in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren gehen auf sein Konto. Erbeutet hat er dabei ein stattliches Sümmchen: rund 218.000 Euro. Beim Prozessauftakt am Dienstag räumte er die Überfälle ein.

Schon als Pubertierender habe er sehr „experimentierfreudig“ Drogen konsumiert. Die Realschule schaffte er nicht, weil er zu viel kiffte, dann beendete er die Hauptschule gerade so. Dennoch schaffte er es auf die FOS, lernte erst Schreiner und begann schließlich ein Studium für Baubetriebswesen. Wie er der Sachverständigen Dr. Verena Klein gegenüber erwähnte, nahm er während der Schul- und Studienzeit über Drogen wie Heroin und Amphetamine, am Ende hin sogar täglich, und zwar „exzessiv bis hin zum Kontrollverlust“. „Haben Sie da nicht vielleicht etwas zu dick aufgetragen?“, wollte der Vorsitzende Richter, Ralph Reiter, vom Angeklagten wissen und darüber hinaus auch, wie sich so ein „Hardcore“-Konsum mit einem Studium vertragen würde.

Auch bezüglich des Studium-Abschlusses wollte Richter Reiter mehr Details wissen, worauf der Angeklagte etwas barsch reagierte, so, als würde man den Abschluss anzweifeln. „Sie haben sich als Architekt ausgegeben, als Ingenieur, ihre Frau belogen, berufliche Anstellungen erfunden, wurden als Trickser verurteilt – alles, was wir durch Ermittlungen von ihnen wissen, war gelogen! Da ist es durchaus erlaubt, genauer nachzufragen“, konterte Staatsanwalt Achim Kinsky.

Nach seinem Studium habe er ohne Job nur so „rumgegammelt“ und weiter Drogen und Alkohol konsumiert. Er zog zu seiner Ehefrau nach München in eine gemeinsame Wohnung. „Ich habe von Anfang an meine Frau belogen“, so der Angeklagte. Er hatte immer noch keinen Job, als Bauingenieur habe er nicht arbeiten wollen, seiner Frau spielte er aber vor, als würde er täglich zur Arbeit gehen: „Morgens habe ich mit ihr das Haus verlassen und bin dann in die Stadt oder an die Isar. Das Doppelleben konnte ich aufrecht erhalten“, wie er der Kammer erklärte.

Seine Frau habe einen Großteil bezahlt, er selbst lebte von einem ausgezahlten Bausparvertrag über 100.000 Euro, wovon die Frau aber nichts wusste. Hinzu kam der tägliche Drogen- und Alkoholkonsum. 2015 wurden die gemeinsamen Zwillinge geboren und das Geld war futsch. Dann überfiel er die erste Bank, bei der er 4.655 Euro erbeutete. Er machte damit weiter. Und mit den Überfällen war auch wieder mehr Geld da, um Drogen zu kaufen und zu konsumieren, sagte der 40-Jährige. Zuletzt soll er bis zu zwei Gramm Koks am Tag gebraucht haben, plus Alkohol und Cannabis, „um wieder runterzukommen“. Staatsanwalt Kinsky schätzte die monatlichen Ausgaben für Drogen und Alkohol auf mindestens 2.500 Euro.

Ohne sein Drogenproblem wäre er sicher nicht auf die „Schnapsidee“ mit den Banküberfällen gekommen, erklärte er vor Gericht. Aber wegen der Drogen sei seine Antriebslosigkeit so groß gewesen, dass er sich nicht dazu habe aufraffen könne, sich um einen Job zu kümmern oder täglich zu arbeiten. „Wenn die Antriebslosigkeit so groß ist, dann macht man gar nichts – erst recht keine Banküberfälle“, betonte der Vorsitzende Richter.

Ein Urteil wird am 2. Oktober erwartet.

Landshut