Prozess in Landshut
Der tragische Tod im Erlkönig

19.07.2019 | Stand 13.09.2023, 0:18 Uhr
−Foto: Foto: km (

Er wollte seiner zukünftigen Schwiegermutter ihren großen Wunsch erfüllen: Eine gemeinsame Testfahrt im Erlkönig, einem BMW M850i – doch die Spritztour musste sie am Ende mit ihrem Leben bezahlen. Der Angeklagte, ein BMW-Ingenieur und Testfahrer, verlor in einer Kurve die Kontrolle über den Boliden und krachte gegen einen Baum. Die Frau verstarb noch an der Unfallstelle.

LANDSHUT Das Amtsgericht Landshut verurteilte jetzt den 38-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Vom ursprünglichen Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens war das Schöffengericht nach Beendigung der Beweisaufnahme abgerückt. Gleich zu Beginn ließ der Angeklagte die Tat über seinen Verteidiger einräumen, allerdings mit Einschränkungen.

Schon lange habe die Frau, die selbst bei BMW arbeitete, mit ihm mitfahren wollen, wie er sichtlich berührt berichtete: „Sie war extrem stolz auf mich, meine Arbeit und das Auto.“ Nachdem der Angeklagte den BMW über das Wochenende zur Erprobung bekommen hatte, seien sie gemeinsam auf einer Geburtstagsfeier gewesen, bei der ihn seine Schwiegermutter erneut darum bat, eine kurze Testfahrt zu machen. „Sie hat sich total darauf gefreut“, so der Ingenieur. Laut Anklage fuhren die beiden am 9. Juni 2018 gegen 22.40 Uhr auf der Kreisstrasse im Gemeindebereich Bodenkirchen (Landkreis Landshut) in Richtung Michlbach – eine für ihn völlig unbekannte Strecke in einem Waldstück. Unter grober Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sei der 38-Jährige wissentlich und willentlich mit überhöhter Geschwindigkeit von 116 km/h durch eine Linkskurve und eine unmittelbar folgende Rechtskurve gedriftet und soll dabei bewusst die Gegenfahrbahn benutzt haben.

Ein sportlicher Normalfahrer hätte diese Kurvenkombination mit gerade einmal 70 km/h durchfahren, wie auch der Sachverständige erläuterte. Selbst für einen geschulten, professionellen Fahrer sei es laut Anklage nicht möglich gewesen, auf dieser Strecke mit mehr als 95 km/h zu fahren. Der Angeklagte habe daher bewusst ein Driften des BMW veranlasst, um mit dieser Fahrtechnik mit höchstmöglichen Geschwindigkeit die Kurven durchfahren zu können.

Doch diesem Vorwurf widersetzte sich der 38-Jährige: „Es ging nicht darum möglichst schnell zu fahren, sondern darum, ihr einen kleinen Einblick in meine Arbeit zu geben und wie viel Herzblut ich über die Jahre in meine Arbeit gesteckt habe.“ Als BMW-Ingenieur und Testfahrer kenne er das Auto in- und auswendig: „Ich bin zuständig für die Abstimmung des Fahrwerks und war verantwortlich dafür, das Fahrverhalten des Typs zu entwickeln.“ Seit 2010 ist er als Testfahrer tätig, dreht seine Kurven auch auf dem Nürburgring und hatte „noch nie einen Schaden oder Unfall“. Er selbst hat sich bei dem tödlichen Unfall nur leicht verletzt, obwohl er sich „wünsche, es wäre andersrum gewesen“.

„Ich war zu schnell, das muss ich zugeben“, so der 38-Jährige. Nachdem das Auto ausgebrochen war, habe er versucht, dagegen zu lenken und Gas gegeben, um wieder in die Kurveninnenseite zu gelangen. „Dass das Heck ausgebrochen ist, ist geschwindigkeitsbedingt“, erklärte der Sachverständige der Dekra in Landshut. Jedoch habe er aufgrund seines Gutachtens feststellen können, dass es sich – entgegen des Vorwurfs der Staatsanwaltschaft – um „keinen gewollten Driftvorgang gehandelt habe, da ansonsten ein „anderer Lenkeinschlag“ vorliegen würde. „Ich kann zu seinen Gunsten sagen, dass er die Kurve falsch eingeschätzt hat, trotz seines fahrerischen Könnens“,, erklärte er Sachverständige.

Staatsanwalt Gerd Strohner forderte in seinem Plädoyer eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren. Bei der Einlassung des Angeklagten habe er gedacht, es handle sich um eine „Werbeveranstaltung für BMW – tolles Auto, toller Fahrer“. Seiner Meinung nach handelte der Ingenieur aufs „gröbste fahrlässig“. „Man fährt nicht mit hoher Geschwindigkeit in ein Waldstück, dass man nicht kennt, da muss man mit allem rechnen: Wildwechsel, Gegenverkehr, eine sich verengende Kurve“, wie er erklärte. Zudem habe die Sichtweite nachts gerade an die 100 Meter betragen.

„Sie können froh sein, dass nicht noch mehr passiert ist“, betonte Richter Christian Lederhofer bei der Urteilsverkündung. Zusätzlich zur knapp zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilte das Gericht den 38-Jähriger zu einem Fahrverbot von zwei Jahren sowie eine Zahlung von 5000 Euro an das Bayerische Rote Kreuz.

Das Verhältnis zu seiner Verlobten habe sich dadurch aber nicht verändert. Der „Zusammenhalt sei tiefer“ geworden trotz der „ Krise, bei der sie beide jemand verloren haben“, wie der Angeklagte erklärte. Die Hochzeit soll in wenigen Tagen stattfinden.

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