Prozess am Landgericht
Tod eines Häftlings in der JVA – junger Arzt steht vor Gericht

09.04.2019 | Stand 13.09.2023, 0:14 Uhr
−Foto: Foto: Kroiss

In der JVA ist ein Häftling an Herzversagen gestorben. Der behandelnde Anstaltsarzt steht jetzt wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Er soll medizinische Warnsignale nicht erkannt haben. Sein Anwalt macht der JVA schwere Vorwürfe. Der junge Mediziner „ohne Facharztausbilung“ sei überfordert gewesen.

LANDSHUT Erst klagte der Gefangene der JVA Landshut im Februar vergangenen Jahres über Schmerzen in der Wade, dann in der Brust. Ein paar Tage später, am 28. Februar 2018, fand man ihn bewusstlos in seiner Zelle – noch am selben Abend starb der Mann an akutem Herzversagen. Auslöser war eine unbemerkte Lungenembolie. Dafür muss sich jetzt der behandelnde Anstaltsarzt, ein 34-jähriger Landshuter, vor dem Amtsgericht Landshut wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verantworten.

Der Beschuldigte war ausgebildeter Arzt und seit dem 15. Februar 2018 als Anstaltsarzt der Justizvollzugsanstalt Landshut tätig. Laut Anklage hätte dem Mediziner aufgrund der Krankenakte bekannt sein müssen, dass der Häftling bereits am 11. Februar 2018 über Schmerzen in der Wade geklagt hatte. Am 17. Februar 2018 habe er den 34-jährigen Arzt wegen Schmerzen in der Brust aufgesucht, ebenso am 22. Februar – spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Angeklagte laut Staatsanwältin Nina Wittig „weiterführende diagnostische Untersuchungen zur Abklärung einer eventuellen Lungenembolie einleiten müssen“, was aus Sicht der Staatsanwaltschaft „medizinisch absolut indiziert gewesen wäre“. Stattdessen habe der Mediziner dem Strafgefangenen „lediglich“ ein schmerzstillendes und entzündungshemmendes Medikament verabreicht. Der Einsatz von blutverdünnenden Medikamenten hätte den Verstorbenen mit „98,4 prozentiger Sicherheit retten können“, sagt die Staatsanwältin.

Zu den Vorwürfen wollte der Angeklagte keine Angaben machen. Verteidiger Dr. Thomas Krimmel bezeichnete seinen Mandanten als „blutigen Berufsanfänger“ und erklärte, dass der Tattag der sechste Arbeitstag des Angeklagten in der JVA gewesen sei. Der Beschuldigte verfüge über keine Facharztausbildung und „konnte keine praktische Erfahrung vorweisen“. Seiner Meinung nach, hätte der Angeklagte als Arzt in der JVA ordnungsgemäß eingearbeitet und „anfangs mehrere Wochen zwingend kontrolliert und begleitet werden müssen“, was jedoch nicht passiert sei. Krimmel sah die Schuld im „Personalmangel und in der Arbeitsüberlastung“ und sprach von einem „Organisationsverschulden seitens der JVA“. Sein Mandant sei regelrecht „ins kalte Wasser geschmissen worden“.

Der Verteidiger stellte daher den Antrag, die führende JVA-Ärztin und den JVA-Leiter als Zeugen zu laden. Ebenso müsse das Gutachten eines Allgemeinarztes eingeholt werden, anstelle des Sachverständigen der Rechtsmedizin.

Für Richter Michael Pichlmeier stellte sich anschließend die Frage, was man von einem Berufsanfänger erwarten könne und „ob er die spezielle Erkrankung erkennen hätte können und müssen“. Er setzte die Verhandlung aus, um den Beweisanträgen der Verteidigung nachzukommen. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

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