Prozess in Landshut
Zehn Jahre und Unterbringung für Mord an Heimleiterin (54)

16.05.2018 | Stand 28.07.2023, 11:08 Uhr
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Keine Spur von Reue oder Mitgefühl mit den Angehörigen, im Gegenteil: „Das war für mich akzeptabel, ich hatte Vernichtungswillen. Mir tut es heute wie damals nicht leid“, so das Statement des 51-jährigen Frührentners Markus M. vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Landshut, wo er wegen heimtückischen Mordes an der damals 54-jährigen Elke K., Heimleiterin des Eggenfeldener Wohnstifts, in dem er damals lebte, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und gleichzeitig seine Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet wurde.

LANDSHUT Den Ruf eines „Messis“ hatte der an Multipler Sklerose leidende Frührentner im Wohnstift und immer wieder hatte es Ärger gegeben, weil sich in seinem Zimmer haufenweise Papier, Kartons und vergammelte Lebensmittel häuften. Versuche des Heimpersonals, aufzuräumen, scheiterten. „Ich habe zuletzt drei Personen rausgeschmissen, es war schließlich meine Wohnung“, so der 51-Jährige dazu vor Gericht.

Am Vormittag des 6. Oktober wurde er dann an der Rezeption wegen des wieder einmal völlig vermüllten Zimmers von der Heimleiterin zur Rede gestellt, die ihm mitteilte, dass sein Zimmer am Nachmittag geräumt werde. Wenn ihm das nicht passe, könne er das Heim verlassen.

Als sich die Heimleiterin danach in ihr Büro begab, so die von Staatsanwalt Achim Kinsky vertretene Anklage, erhob sich der 51-Jährige aus seinem Rollstuhl, mit dem er wegen einer Multiplen Sklerose meist unterwegs war und nur wenige Meter ohne Hilfsmittel selbstständig gehen konnte, holte ein Messer mit einer Klingenlänge von 20 Zentimeter, das er immer mit sich führte, unter dem Sitzkissen hervor.

Damit näherte er sich von hinten der am Schreibtisch vor ihrem PC sitzenden Heimleiterin und sagte: „So geht das nicht, Frau K.“ Als die, ohne ihren Blick vom Monitor abzuwenden, äußerte: „Herr M., mit Ihnen diskutiere ich nicht“, stach er zu: Zweimal in den Rücken seines arg- und wehrlosen Opfers. Bereits der erste Stich, der in einer Tiefe von 15 Zentimeter den Herzbeutel eröffnet und die Körperhauptschlagader sowie die Lungenarterie durchtrennte, war tödlich, sofort eingeleitete Reanimationsversuche vergeblich.

Der 51-Jährige wurde von der Rezeptionistin und engsten Mitarbeiterin der Heimleiterin, die das Geschehen durch die offene Tür beobachtet hatte, sowie einem Praktikanten überwältigt und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten.

Zum Prozessauftakt berichtete der Frührentner, der u.a. jahrelang in der Leistungsabteilung eines Münchner Arbeitsamtes tätig war, dass er wegen seiner MS-Erkrankung früh verrentet worden sei. 2006 dann sei er dann einer Gewalttat eines Wohnungsnachbarn geworden, habe dabei ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und bekämpfe seitdem die chronischen Schmerzen mit Fentanaylpflastern.

Vor ein paar Jahren sei er dann mit seiner pflegebedürftigen Mutter in das Wohnstift gezogen. Dort gab es dann, wie im Prozessverlauf bekannt wurde, schon einmal erheblichen „Stress“ mit ihm: Er hatte einer Pflegerin gedroht, sie abzustechen, wenn er seine Fentanylpflaster nicht aufs Zimmer bekomme. Im Anschluss daran landete er kurz im Bezirkskrankenhaus Mainkofen, außerdem wurde ihm ein Betreuer zur Seite gestellt.

Skurril dann die Einlassung des Frührentners zum Tatgeschehen: Er habe sich wegen der Aufforderungen, sein Zimmer aufzuräumen, vor allem über die Heimleiterin geärgert: „Schließlich habe ich für das Zimmer bezahlt.“ Dann sei ihr die Bemerkung gekommen, dass „ich am Monatsende verschwinden kann, dass ich am 30. draußen bin.“ Deshalb sei es zur Eskalation gekommen: „Ich habe überlegt, was das für mich bedeutet, dass ich am Monatsende wohnungslos bin. Danach habe ich das Messer unter dem Sitzkissen herausgezogen und dann war Ruhe, ich habe sie abgestochen.“ Er würde, so der 51-Jährige, durchaus wieder zum Messer greifen, „wenn jemand mein Leben kaputtmacht, mache ich ihn auch kaputt.“

Der psychiatrische Gutachter Dr. Bernd Weigel bescheinigte dem Frührentner eine schwere organische Persönlichkeitsstörung, durch die zwar seine Einsichtsfähigkeit erheblich vermindert, das Unrechtbewusstsein aber nicht völlig aufgehoben gewesen sei. Er traue dem 51-Jährigen durchaus eine erneute derartige Tat zu. Seine Äußerung dazu sei keinesfalls einem Geltungsbedürfnis geschuldet, vielmehr sei sie Ausdruck seines krankhaften Gerechtigkeitsbedürfnisses: „Wer ihm was aufdrängt, was er nicht will, hat mit Strafe zu rechnen.“

Die Schwurgerichtskammer verhängte, wie von Staatsanwalt Kinsky gefordert, für den Heimtücke-Mord eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Er habe selbst mehrfach deutlich bestätigt, mit Tötungsvorsatz zugestochen zu haben, so Vorsitzender Richter Markus Kring. Das Missverhältnis zwischen Anlass und Tat habe mit seiner Krankheit zu tun und die sei auch der Grund dafür gewesen, dass nicht eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verhängt, sondern eine Strafrahmenverschiebung vorgenommen worden sei.

Dass er auch weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich sei, liege auf der Hand. Deshalb werde er nach menschlichem Ermessen auch eine nicht absehbare Zeit in der Psychiatrie bleiben, so der Vorsitzende Richter vor allem auch an die Adresse der Angehörigen, insbesondere der Mutter, die als Nebenklägerin das Prozessgeschehen verfolgte.

Die Verteidiger des 51-Jährigen hatten auf Schuldunfähigkeit plädiert, für das Tötungsdelikt Freispruch, aber auch die Unterbringung in einer Psychiatrie beantragt. Dazu fand Vorsitzender Richter Kring deutliche Worte: „Seine volle Schuldfähigkeit lag wesentlich näher als Schuldunfähigkeit.“

Im Übrigen wies Kring auch eine Anmerkung von Verteidiger Markus Wutscher zurück, der in seinem Plädoyer von einem „Beigeschmack“ gesprochen hatte, weil nach dem ersten Bedrohungsvorfall vom zuständigen Amtsrichter auf den Gefahrenhinweis nicht entsprechend (mit einer Unterbringung) reagiert worden sei. „Eine solche Möglichkeit besteht in unserer Rechtsordnung nicht, für eine Unterbringung muss eine konkrete Fremd- oder Selbstgefährlichkeit bestehen, strafrechtlich hätte es einer entsprechenden Anlasstat bedurft.“ Das, so der Vorsitzende Richter, sei er Preis der freiheitlichen Rechts- und Gesellschaftsordnung, man könne nur reagieren, wenn etwas passiert sei.

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