Unfalltod eines stadtbekannten Polizeibeamten
Witwe entsetzt über mildes Gerichtsurteil gegen Raser

24.04.2018 | Stand 21.07.2023, 7:32 Uhr
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Vor fast genau zwei Jahren starb „Boxer“, ein stadtbekannter Musiker und Polizeibeamter, bei einem schweren Unfall. Der Raser, der den schweren Crash verursacht hatte, wollte das Urteil gegen ihn nicht akzeptieren. Jetzt fand eine Revisions-Verhandlung statt. Ergebnis: Der junge Mann muss seinen Führerschein nur für zwei Monate abgeben. Boxers Witwe und dessen Anwältin sind entsetzt.

LANDSHUT Das Leid der Familie des bei einem Verkehrsunfall im Mai 2016 tragisch ums Leben gekommenen stadtbekannten Polizeibeamten Anton H. (+57) einerseits – die herbe Kritik des Verteidigers des wegen fahrlässiger Tötung verurteilten Ergoldinger Angestellten (24) an den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Polizei andererseits: Für Zündstoff war auch im Berufungsverfahren vor der 5. Strafkammer des gesorgt, obwohl es letztlich nur noch um eine Nebensächlichkeit ging: der Dauer des Fahrverbots für den verurteilten 24-Jährigen.

Emotionsgeladen war im Herbst vergangenen Jahres der Prozess vor dem Amtsgericht über die Bühne gegangen. Der Unfallverursacher, ein 24-jähriger Angestellter, wurde wegen fahrlässiger Tötung des unter seinem Spitznamen „Boxer“ stadtbekannten Polizeibeamten zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und einem Fahrverbot von drei Monaten verurteilt. Außerdem wurde gegen ihn eine Geldauflage von 3.000 Euro verhängt.

Laut dem Urteil war der 24-Jährige am 21. Mai 2016 gegen 19.35 Uhr mit einem rund 320 PS-starken BMW 235i auf der Kreisstraße LA 6 von Mirskofen in Richtung Altheim unterwegs. Und zwar mit einer Geschwindigkeit zwischen 125 bis 147 Stundenkilometer, obwohl nur 100 km/h zulässig gewesen seien.

In einer lang gezogenen Linkskurve war das Neufahrzeug dann aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit mit den rechten Rädern ins Bankett geraten, der Angestellte verlor die Kontrolle über das Fahrzeug und übersteuerte nach links. Der Wagen stellte sich schräg, geriet auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit dem Porsche von Anton H. Der Polizeibeamte erlitt dabei so schwere Schädel- und Brustverletzungen, dass er noch an der Unfallstelle starb.

Bei seiner ersten Befragung vor Ort hatte der 24-Jährige die Schuld am Unfall auf sich genommen und erklärt, dass er beim Beschleunigen die Kontrolle verloren habe. Bei späteren Vernehmungen hatte er dann allerdings erklärt, derartige Äußerungen nicht gemacht zu haben. Vielmehr sei ein entgegenkommendes Fahrzeug auf seine Fahrspur geraten und er habe ausweichen müssen. Das wurde dann durch ein unfallanalytisches Gutachten widerlegt.

Gegen das Amtsgerichts-Urteil hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Verteidiger Jeromin, der für den Angeklagten einen Freispruch beantragt hatte, Berufung eingelegt. Der Staatsanwaltschaft ging es vor allem um einen Führerscheinentzug, nachdem im Ersturteil lediglich ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt worden war.

Bei der Neuauflage vor der 5. Strafkammer kam es zunächst zu Rechtsgesprächen hinter verschlossenen Türen, die, wie Vorsitzender Richter Klaus Kurtz im Anschluss berichtete, mit einer Verständigung endeten. Danach bleibe es bei der Bewährungsstrafe von einem Jahr und der Geldauflage von 3.000 Euro. Das Fahrverbot werde allerdings auf zwei Monate verkürzt.

Der Richter sprach in der Urteilsbegründung von einem Drama und Leid, das durch kein Urteil „gutgemacht werden kann.“ Strafmildernd habe sich ausgewirkt, dass er bisher weder verkehrs- noch strafrechtlich vorgeahndet sei.

Anwältin Anna Kolbinger, die die als Nebenklägerin auftretende Ehefrau des getöteten Polizisten vertrat, erklärte, dass ihre Mandantin und deren Familie entsetzt seien. An den Angeklagten gewandt, machte sie ihm klar, dass er den Tod des Polizeibeamten zu verantworten habe, über die Familie Leid, Schmerz, ja Verzweiflung gebracht habe: „Meiner Mandantin haben Sie den Ehemann, seinen Kindern den Vater, der übrigen Familie den Bruder und Onkel genommen, das müssen Sie sich bewusst machen.“

Verteidiger Jeromin machte in der Verhandlungspause vor der Urteilsverkündung gegenüber der Presse seiner Verärgerung über „krasse Ermittlungsfehler der Polizei und der Staatsanwaltschaft“ Luft: So sei die Unfallaufnahme durch eine Polizeischülerin erfolgt, sein Mandant vor seiner Befragung, die letztlich als Geständnis ausgelegt worden sei, nicht belehrt worden. Die Adresse eines wichtigen Zeugen sei „verschlampt“ worden und die dem Getöteten entnommene Blut- und Urinproben, die immerhin 0,38 bzw. 0,67 Promille ergeben hätten, zunächst überhaupt nicht und dann kurz vor dem Amtsgerichts-Verfahren ausgewertet worden. – ws –

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