Kletterer der alten Schule
Auszeichnung für Reichenhaller Bergwacht-Urgesteine

04.10.2018 | Stand 03.08.2023, 4:28 Uhr
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Die Reichenhaller Bergwacht hat bei einer Grillfeier am Freitagabend, 28. September 2018, mit Sepp Ertl und Franz Schmied zwei ihrer Urgesteine für ihre jahrzehntelangen Leistungen ausgezeichnet und gewürdigt.

BAD REICHENHALL Bereitschaftsleiter-Stellvertreter Urs Strozynski berichtete aus dem langen und oft kuriosen Bergwacht-Leben der beiden Reichenhaller und dankte ihnen im Namen der gesamten Mannschaft für ihre herausragenden Verdienste.

Kletterer der alten Schule

Stolze 40 Jahre ist Franz Schmied inzwischen aktiv. Als hervorragender Kletterer der alten Schule - gewissermaßen nach Preuß: „wo man hinauf kommt, muss man auch wieder absteigen können“ -  hat Franz Schmied viele schwierige und schwierigste Klettertouren in den Alpen gemeistert und ist auch heute noch mit seinen fast 70 Jahren viel beim Klettern und Eisklettern unterwegs. Der siebte Schwierigkeitsgrad stellt für ihn dabei kein Problem dar. Auch eine Erstbegehung, zusammen mit dem ehemaligen Bergwachtkameraden Rudi Gschaider, am Großen Weitschartenkopf im 5. Schwierigkeitsgrad (eher schwieriger) ist ihm zuzuschreiben. In der Bergwacht hat er oft Eiskletterausbildungen angeboten, geht immer noch regelmäßig zum Eisklettern und hat so manchen Bergwachtausflug organisiert, ohne nicht zuvor das Reiseziel gewissenhaft erkundet zu haben. Einmal war Franz selbst Auslöser eines Bergwachteinsatzes, als er im winterlichen Lattengebirge als vermisst gemeldet wurde. Er wollte damals einfach einmal seine Ruhe haben, die Einsamkeit des Gebirges genießen und hatte eine Nacht in der Bergwachthütte an der Törlschneid verbracht. Die alarmierten Kameraden fanden ihn dort wohlbehalten.

30-Stunden-Rettungsaktion aus dem winterlichen Steinernen Meer

Mittlerweile unbeschreibliche 75 Jahre lang ist Sepp Ertl Mitglied bei der Bergwacht Bad Reichenhall. Bereits im Alter von 17 Jahren war er am 21. April 1943 eingetreten. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft kam er im August 1946 nach Bad Reichenhall zurück und meldete sich sofort bei der Bergwacht zum Dienst. Bereits 1948 wurden von den Reichenhaller Bergrettern 34 Einsätze durchgeführt, davon allein 16 auf der Reiter Alpe, die zur damaligen Zeit ohne Heli und besondere Ausrüstung noch äußerst schwierig und zeitaufwendig waren. Geländegängige Fahrzeuge waren selten und teuer und die Seilbahn auf die Reiter Alpe existierte noch nicht. Daher waren Einsätze auf dem Hochplateau teilweise zweitägige Expeditionen. So stiegen die Bergretter nach einer Alarmierung mit dem Rettungsgerät zur Traunsteiner Hütte auf und am nächsten Tag mit dem Verletzten über den Schrecksattel wieder ab. An diese Zeit erinnert noch heute die Abseilstelle am Marterl am Schrecksattel. Damalige Besonderheit: die Einsatzkräfte bekamen von den Amerikanern eine große Dose Wurst als zusätzliche Verpflegungsration.

Auch bei einem besonderen Einsatz war der Ertl Sepp damals dabei: Zwei Bergwachtler, Hans Vogelmaier und Toni Beringer, hatten eine Skitour im Steinernen Meer unternommen. Dort verletzte sich Hans am Knie so sehr, dass er die Tour nicht fortsetzen konnte. Toni schleppte Hans zum nahen Ingolstädter Haus, brach es auf, versorgte Hans und stieg zur Wimbachgries-Hütte ab. Von dort alarmierte er dann die Reichenhaller Bergwacht. Abends gegen 19.30 Uhr brachen die Reichenhaller Bergwachtler mit dem Lepperdinger Schlitten auf und kamen um 23 Uhr an der Wimbachgries-Hütte an. Nach einer Pause marschierten sie bis zum Ingolstädter Haus weiter, wo sie bei Tagesanbruch ankamen. Der Abtransport erfolgte über den Diesbach-Stausee nach Weißbach bei Lofer, wo die Rettungsmannschaft am Abend ankam. Mangels touristischer Infrastruktur zur damaligen Zeit übernachtete der komplette Tross im Wirtshaus und im Wohnzimmer einer Lehrerin. Am nächsten Morgen kam der telefonisch alarmierte Bergwachtkamerad Hans Halter mit seinem Holzgaser-Kohlentransporter, um den Verletzten und die Rettungsmannschaft auf der Ladefläche zurück nach Bad Reichenhall zu bringen. An der Grenze gab es jedoch keine Ausreise nach Bayern; erst nach vielen Telefonaten zwischen München und Wien wurde die Ausreise genehmigt. Einsatzzeit: weit über 30 Stunden!

Neben seinen Aktivitäten bei der Reichenhaller Bergwacht war Sepp Ertl auch sonst ein eifriger Sportler, der beim Rauschberglauf, Hinterstoißerlauf und Thumsee-Triathlon mehrmals teilnahm. 1981 war er Initiator des Bergwachtsportes, der bis heute existiert. Auch heute, mit seinen 92 Jahren, ist Sepp immer noch fleißig unterwegs und radelt mit seinem Dreirad immer noch an die 5000 Kilometer pro Jahr. Getreu seinem Spruch: Du darfst alles machen, nur nicht aufhören. In all den Jahren ist er in jeder Beziehung ein stets einsatzfreudiger, hilfsbereiter Mensch, der selbst mit 88 Jahren noch am Neubau der Rettungswache tatkräftig mitgeholfen hatte. Auch die Geselligkeit kam bei Sepp nie zu kurz und er konnte mit seiner spannenden Erzählweise und seinem reichen Erfahrungsschatz seine Zuhörer immer in Bann ziehen, wenn er von Einsätzen und sportlichen Aktivitäten berichtete. „Die Reichenhalle Bergretter wünschen ihren Jubilaren noch viele gesunde Jahre im Kreise der Familien und gemeinsame Stunden mit den Bergwachtkameraden!“, sagte Strozynski.

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